“Es geht auf keinen Fall um Ausrottung”

01.03.2024 • 23:00 Uhr
Gernot Heigl im Gespräch. <span class="copyright">Hartinger</span>
Gernot Heigl im Gespräch. Hartinger

Gernot Heigl, der Geschäftsführer der Vorarl­berger Jägerschaft, im Gespräch über Wieder­ansiedelung, Klimawandel und den Wolf.

Vorarlberg hat eine große Breite an unterschiedlichen Tierarten. „Vom Piz Buin runter bis in das Rheindelta haben wir hier eine enorme Vielfalt an unberührter Natur“, sagt Gernot Heigl, Geschäftsführer der Vorarlberger Jägerschaft. „Vorarlberg hat deshalb eine so große Vielfalt, weil es so unterschiedliche Lebensraumtypen hat.“ Vom Hochgebirge über Bergwälder und Mischwälder bis zum Bodensee. Das wiederum ergäbe eine sehr hohe Dichte an Artenvielfalt auf einer kleinen Fläche.

Wiederansiedelungen in Vorarlberg

Trotz der hohen Dichte an verschiedenen Arten in Vorarlberg ist die Wiederansiedelung von verschiedenen Tierarten ein großes Thema der Jägerschaft. Als bestes Beispiel dafür gibt Heigl den Biber an: „Anfang der 2000er-Jahre ist der Biber wieder von selbst eingewandert, mittlerweile sieht man seine Spuren vielerorts.“ Auch der Kormoran ist erfolgreich von selbst wieder zurückgekehrt. Das stößt allerdings nicht bei allen auf Begeisterung: Der Konflikt zwischen Fischerei und Kormoran ist allgegenwärtig.

Als größter Erfolg wird die Wiederansiedelung der Steinböcke verbucht. Diese waren über 200 Jahre lang ausgestorben und wurden von der Jägerschaft Ende der 1960er-Jahre wieder angesiedelt. Mittlerweile ist ihr Bestand auf über 2000 Exemplare angewachsen. „Die Wiederkehr der Steinböcke ist eine enorme Bereicherung. Sowohl für die Jagdseite, als auch für jeden, der gerne in die Berge geht.“

Video einer Bibersichtung in Dornbirn: https://www.instagram.com/reel/C3-jppSCmNa/

Aber die Jägerschaft ist auch momentan nicht untätig: „Der neueste Erfolg ist sicher der Luchs, der in den letzten zehn Jahren auf leisen Sohlen wieder zurückgekehrt ist“, sagt Heigl. Das bestätigte auch ein Monitoring-Projekt im Auftrag des Landes Vorarlberg in den vergangenen zwei Jahren. Laut dem Projekt ist der Luchs in Vorarlberg vor allem im Mellautal und im Brandnertal vertreten. Eine weitere „Sensation“, wie Heigl es nennt, ist die Rückkehr der Wildkatzen. „Die gibt es sonst in Österreich fast nicht. Von drei unterschiedlichen Tieren wissen wir hier in Vorarlberg sicher etwas. Da hat sich viel bewegt.“

Auch Landesrat Daniel Zadra (Grüne) sieht die Wiederkehr von Wildkatze und Luchs positiv: „Die Rückkehr zweier streng geschützter Arten, die früher als ausgestorben gegolten haben, ist ein großer Erfolg für den Artenschutz. Eine große Bereicherung der heimischen Fauna und im Fall der Wildkatze auch eine naturkundliche Sensation.“

Die Fotofallen helfen bei der Sichtung von Luchs und co. <span class="copyright">Daniel Leissing</span>
Die Fotofallen helfen bei der Sichtung von Luchs und co. Daniel Leissing
Die Wiederansiedelung der Steinböcke verzeichnet Vorarlberg als großen Erfolg. <span class="copyright">Jägerschaft Vorarlberg</span>
Die Wiederansiedelung der Steinböcke verzeichnet Vorarlberg als großen Erfolg. Jägerschaft Vorarlberg

Auf natürliche Art

Heigl betont aber auch, dass die natürliche Wiederansiedelung ein wichtiger Schritt sei: „Man nimmt nicht mehr einfach nur Tiere und schmeißt sie irgendwo in einem Gebiet raus, weil man meint, man braucht sie unbedingt. Das ist mittlerweile nicht mehr zeitgemäß. Artenschutz muss sich auf natürlichem Weg abspielen. Wenn die Rahmenbedingungen gegeben sind, dann kommen die Tiere schon wieder. Artenschutz funktioniert über den Schutz von Lebensräumen.“ Man müsse eher darauf schauen, dass bedrohte Arten im Land nicht aussterben.

Neue Probleme

Gerade der Klimawandel und die wachsende Industrie bereiten vielen Tieren Probleme. Speziell bei Vogelarten sieht Heigl zunehmende Schwierigkeiten. Durch die wachsende Landwirtschaft verschwinden geschützte Bodenflächen, die sich als Brutstätten für beispielsweise Kibitz und Brachvogel eignen würden. Aber auch Störche, die wegen der steigenden Temperaturen nicht mehr in den Süden fliegen bereiten Probleme: Sie bleiben während der Amphibienwanderung hier und minimieren den Bestand an Fröschen. Ein weiteres Problem ist die wachsende Anzahl an Hauskatzen, die der Amphibienwelt an den Kragen geht.

Die jährliche Amphibienwanderung steht unter keinem guten Stern seit die Störche den Winter in Vorarlberg verbringen. <span class="copyright">Hartinger</span>
Die jährliche Amphibienwanderung steht unter keinem guten Stern seit die Störche den Winter in Vorarlberg verbringen. Hartinger

Mit offenen Augen sieht man viel

Aber wo sieht man denn jetzt in Vorarlberg Wildtiere? Die Antwort ist: überall. „Mit offenen Augen und Geduld sieht man viel. Das ist oft der wesentliche Unterschied“, sagt Heigl. Oftmals sieht man nicht das Tier an sich, dafür aber Spuren oder Losungen (Hinterlassenschaften). Auch auf Rufe sei bei einem Spaziergang durch das Ried zu achten. Entscheidend sei aber, dass man den Tieren die Rückzugsräume lässt. Heigl appelliert an alle ­Interessierten, auf den Wegen zu bleiben und sich auf ein Fernglas zu stützen. Aussichtsplattformen seien ein guter Tipp, da sie für Wildtierbeobachtungen eingerichtet worden sind. „Man hat bewusst Infrastruktur aufgebaut, damit man den Menschen das Naturerlebnis ermöglicht, ohne dass er etwas kaputt macht.“

Die Steinbock-Statue am Formarinsee in Dalaas erinnert an die erfolgreiche Wiederansiedelung der Steinböcke in Vorarlberg. <span class="copyright">Alpenregion Bludenz</span>
Die Steinbock-Statue am Formarinsee in Dalaas erinnert an die erfolgreiche Wiederansiedelung der Steinböcke in Vorarlberg. Alpenregion Bludenz

Immer wieder der Wolf

„Der Wolf ist nach wie vor eine geschützte Art. Die Regelungen sind einzuhalten“, sagt Heigl. Natürlich bringe so ein Tier auch ­Potenzial für massive Umstellungen mit sich, man müsse aber frühzeitig schauen, wie man damit umgehe. Nicht erst im Nachhinein reagieren, wenn es schon zu spät sei. „Es geht auf keinen Fall um Ausrottung, es geht darum, dass ein Miteinander funktioniert. Das ist in manchen Gebieten machbar, in anderen wiederum eher schwierig. Der Wolf ist europaweit so auf dem Vormarsch, das lässt sich nicht aufhalten. Da werden wir die nächsten Jahre noch viel mehr erleben.“ Man müsse sich damit beschäftigen, wie man mit diesem Tier umgehe.

Es gäbe aber auch von Rudel zu Rudel Unterschiede. Das sei der Punkt, bei dem man auch gegensteuern könne, so Heigl. Rudel, die beispielsweise gelernt haben, Mutterkühe zu attackieren, vererben dieses Wissen an ihren Nachwuchs weiter. Andere Rudel sind an Nutztieren ­überhaupt nicht interessiert. „Bei uns werden auch nicht-kompatible Menschen verurteilt. Es muss einfach ein Miteinander geben.“

Der Wolf war viel in der Diskussion: Gernot Heigl hat dazu seine klare Meinung. <span class="copyright">Jägerschaft Vorarlberg </span>
Der Wolf war viel in der Diskussion: Gernot Heigl hat dazu seine klare Meinung. Jägerschaft Vorarlberg

Wildtierfund

Wie reagiert man richtig?
Wer mit offenen Augen durch die Welt oder besser gesagt durch Vorarlberg geht, dem kann es passieren, dass er ein Tier in Not auf der Straße findet.
Die Wildtierhilfe Vorarlberg hat hierfür einige Tipps, wie man feststellt, ob ein Tier in Not ist und Hilfe benötigt oder ob es sich um einen Fehlalarm handelt. Hat das Tier offensichtliche Verletzungen? Verhält sich das Tier für seine Art untypisch? Sieht es schmerzgeplagt aus oder ist ein nachtaktives Tier tagsüber unterwegs? Ist es ein Jungtier, das noch von der Mutter versorgt werden sollte, es ist aber keine Mutter zu finden?
Wichtig ist hierbei, dass man, bevor man in eigener Sache handelt und das Wildtier aus der Natur entnimmt, die Wildtierhilfe kontaktiert. So wird überprüft, ob das Tier wirklich Hilfe braucht. Denn Handeln in eigener Sache, auch wenn es gut gemeint ist, führt oftmals zu mehr Schaden, als das Tier in freier Wildbahn seinem eigenen Schicksal zu überlassen.

Telefonnummer der Wildtierhilfe: 0664/3711639