Weder Mann noch Frau: Florentin Lau ist nicht-binär

Der Pride Month neigt sich dem Ende zu. Er steht für die Rechte von queeren Personen. Eine davon ist Flo. Er ist nicht-binär, erzählt von seinem Findungsprozess und Reaktionen anderer.
Der Pride Month neigt sich dem Ende zu. Heute ist der letzte Tag des Monats, der für mehr Rechte von queeren Personen steht. Den ganzen Juni lang zogen bunte Paraden durch die Straßen, gestern auch in Bregenz. Für Florentin Lau ist es wichtig, dass bei aller Lebensfreude, Stolz und Ausgelassenheit der Hintergrund nicht aus den Augen verloren wird. Der 26-Jährige erinnert an den politischen Ursprung in einer kämpferischen Revolte.
Trotz steigender Akzeptanz gibt es noch einiges zu tun. Dass mit der aktuellen vermehrten Sichtbarkeit auch ein erhöhtes Gewaltpotenzial einhergehe, werde oft vergessen. „Das macht Angst. Ich verstehe den Hass nicht wirklich. Es ist viel Gewaltpotential da, vor allem gegen Transfeminine Menschen. Viele haben Angst, allein unterwegs zu sein“, sagt Lau. Florentin Lau hieß nicht immer Florentin. Seinen ursprünglichen Namen will er nicht nennen: „Der ist abgehakt“. Schon früh wurde er mit Spitznamen angesprochen. Florentin fühlte sich schlussendlich passend an. Denn er bezeichnet sich selbst als „Pflanzenmensch“ und verbindet den Namen mit Blumen.
Rollenbilder
Erst kam eine Namensänderung und dann die Erkenntnis, dass diesem mit einer Geschlechtsidentität verbunden ist. Gerade in der Jugend versuchte er noch krampfhaft, dem Bild einer Frau zu entsprechen. Schon in der Jugend merkte Flo, dass das weibliche Geschlecht sich nicht stimmig anfühlt. Er führte jedoch lange eine heterosexuelle Beziehung mit klassischen Rollenbildern. Als diese zu Ende war, war dann Raum für den Findungsprozess da. Mit Anfang 20 war für Lau noch unklar, wer er ist. „Frau sein hat irgendwie nie für mich funktioniert. Da ich mich auch nicht als Mann fühle, war ich anfangs sehr verwirrt, weil andere Identitäten gesellschaftlich nicht vorkommen. Ich war verwirrt, weil es keinen Platz gab für etwas in dem ich mich wiederfinde.“ Eines war jedoch klar: Lau fühlte sich keinesfalls als heterosexuelle Frau.

Zeit, viele kleine „Aha-Momente“ und Schritte brachten irgendwann Klarheit. Es braucht Mut, Bekanntes loszulassen und sich selbst zu akzeptieren „Das Kennenlernen von anderen Nichtbinären und Trans-Menschen hat mir den Mut und Rückhalt geben, mich zu zeigen und so zu leben, wie ich bin. Es tut gut, zu wissen, dass es anderen ähnlich geht“, so Lau. Es bestätigte ihn, dass er nicht alleine ist. Auch für andere würde er sich wünschen, dass sich nicht jeder gleich festlegen muss. Gerade für jüngere Personen bräuchte es erst ein Ausprobieren: „Es ist ja nicht schwarz-weiß.“ Es dürfe nuanciert sein.
Problematik im Deutschen
Inzwischen ist Lau klar, dass er queer ist. Lau identifiziert sich als nicht-binär und will etwa mit den Pronomen „es“ oder „er“ angesprochen werden – wobei zweiteres ein Kompromiss ist. Mit „es“ haben die meisten Menschen nämlich Schwierigkeiten, da es sächlich ist und teilweise als abwertend empfunden wird. Es gibt kein deutsches Pronomen, das er als passend empfindet und etwa dem englischen „they/them“ entspricht.
In seinem engen Umfeld erlebt der Studierende Akzeptanz, und es herrscht inzwischen nur noch kaum Gesprächsbedarf über seine Geschlechtsidentität. Wenn er neue Menschen kennenlernt, ist dies teilweise anders. „Es ist immer wieder Thema, und es haben nicht alle immer Bock, darüber zu sprechen. Das verstehe ich voll. Ich glaube, betroffene Personen haben am wenigsten Bock, ständig darüber sprechen zu müssen“, führt Lau aus. „Es ist anstrengend, immer seine Existenz irgendwie rechtfertigen zu müssen.“ Lau überlegt sich der Konsequenzen wegen genau, wann er es anspricht. Deswegen genießt der Studierende es besonders, wenn er mit Freunden einfach nur über den Alltag und andere Banalitäten sprechen kann.
Das Toilettendilemma
„Ich schaue, dass ich in der Regel keine öffentlichen Toiletten benutzen muss, was nervig ist und auch nicht immer funktioniert.“
Florentin Lau, arbeitet in einer sozialpädagogischen WG
Der Studierende wird regelmäßig im Alltag mit seiner Geschlechtsidentität konfrontiert. Etwa bei der Entscheidung, welche öffentliche Toilette er benutzen soll. „Das ist ein Problem. Ich schaue, dass ich in der Regel keine öffentlichen Toiletten benutzen muss, was nervig ist und auch nicht immer funktioniert“, klagt Lau. Wenn dann doch die Natur siegt und Ausweichmöglichkeiten fehlen, muss er abwägen. Dann ist es unter anderem eine Sicherheitsfrage. Neben dem Umfeld spielt auch sein aktuelles Aussehen, wie etwa der Kleidungsstil und Make-up, in die Entscheidung mit hinein.

Der Studierende kritisiert diesbezüglich transfeindliche Argumente und Ängste, dass Trans-Frauen die Sicherheit auf öffentlichen Klos bedrohen könnten. Stattdessen sieht Lau gerade in einer derartigen Situation die Sicherheit der trans- und nicht binären Personen in Gefahr. Lau hat bisher jedoch Glück gehabt – mehr als verurteilende Blicke hat er noch nicht erlebt. Zur Toilettenproblematik reiht sich auch das Schwimmen in Sachen Bademode in die Alltagsdilemmata ein. Die Lösung sind abgelegene Badeplätze.
Geschlechtseintrag
Auch Behördengänge können unangenehm werden. Schließlich kann sich in Österreich nur eine intersexuelle Person „divers“ im Pass eintragen lassen. Flo ist also im Pass eine Frau. Da er sich weder als Frau noch als Mann fühlt, hat er nur wenig Motivation, das Geschlecht zu männlich ändern zu lassen. „Frau Lau bitte“ ist ein eigentlich gewöhnlicher Aufruf im Ärztewartezimmer, welcher für Lau unangenehm sein kann.
Pride month
Historie und Ursprung
Der Ursprung in der Christopher Street Der Juni steht im Zeichen der Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender. Die Bezeichnung ist bewusst gewählt: Das englische Wort „pride“ heißt nämlich übersetzt „Stolz“. Dies soll signalisieren, dass queere Personen selbstbewusst und stolz darauf sind, wie sie sind. Dass der Pride Month im Juni stattfindet, ist auf die Stonewall-Aufstände zurückzuführen. Am 28. Juni 1969 wollte die New Yorker Polizei die Schwulenbar „Stonewall Inn“ in der Christopher Street räumen, doch die Gäste wehrten sich. Das war der Beginn mehrerer Proteste und Demonstrationen gegen Diskriminierung. Vielerorts finden aktuell im Juni Veranstaltungen statt.
