Kommentar

Von Weißen Pferden und Grauen Wölfen

04.07.2024 • 11:43 Uhr
Von Weißen Pferden und Grauen Wölfen

Das ÖFB-Team hat unser Land mehr als würdig vertreten. Sowohl auf und vielleicht noch mehr abseits des grünen Rasens – ein Kommentar.

Geplatzt, der Traum vom Europameistertitel, der Weg nach Berlin fand sein jähes Ende im Leipziger Regen. Und doch darf das ganze Land stolz den Adler auf der Brust tragen, das von einem deutschen Trainer formierte Team der Alpenrepublik zündete ein fußballerisches Feuerwerk.

Sportliche Großereignisse stehen traditionell unter keinem guten Stern. Zu oft werden Mannschaftsgeist und Teamgedanke mit nationalistischen Werten aufgeladen. Das Trennende steht über dem Einenden. Wir sind besser als der Gegner. Völkische Vorurteile aus längst vergangenen und dunklen Zeiten finden auf dem Fußballplatz wieder fruchtbaren Boden.

Wie eng Sport und Politik verknüpft sind und wie wertvoll der grenzüberschreitende Gedanke ist, bewies ÖFB-Coach Ralf Rangnick in flammenden Interviews, in denen er seine Haltung deutlich zum Ausdruck brachte, sich gemeinsam gegen aufkeimendes, rechtsnationales Gedankengut stark zu machen und den offenbar immer stärker werdenden populistischen Demagogen dieser Welt das Feld nicht zu überlassen.

„No one is bigger than the team.“ Fußball ist ein Teamsport, Erfolg lässt sich nur im Verbund erzielen. Und egal, welche der teilnehmenden Nationen, die Summe an Herkunftsländern, Sprachen, Hautfarben, Religionen oder sonstigen Eigenschaften, die sich in den Kadern sämtlicher Teams widerspiegelt, unterstreicht den europäischen Gedanken einer gelebten Vielfalt. Fußball wird gerne von selbst ernannten kulturellen Eliten kritisch beäugt und als Sport des gewaltbereiten Pöbels in ein falsches Licht gerückt. Das Völker verbindende Element und das ungeheure, integrative Potenzial des wohl populärsten Mannschaftsports der ganzen Welt wird gerne unter den Tisch gekehrt. Man siegt und verliert als Team, der Erfolg führt aber nur über das Zusammenspiel der einzelnen Akteure. Ein Torhüter ist nur so gut, wie die Mannschaft, die vor ihm spielt.

Gerade das Spiel gegen die Türkei wurde von vielen als eine Art Kampf der Kulturen herbeigeschrieben. Die Angst vor Eskalation auf und vor allem abseits des Feldes führte zu massiven Sicherheitsvorkehrungen. Auf dem Rasen blieb es ein faires Spiel zweier ausgezeichneter Mannschaften, bei dem leidenschaftlich verteidigende Türken gegen beherzt, aber letztlich unglückliche Österreicher als Sieger vom Platz gingen. Und auch wenn der faschistoide Wolfsgruß des Doppeltorschützen Demiral aufs Schärfste zu verurteilen ist, die angekündigten Ausschreitungen blieben nahezu völlig aus. Auf den Fanmeilen feierten die Türken zwar ausgelassen, zeigten sich aber auch als faire Sieger und zollten den unterlegenen „The Burschen“, wie der US-Sender CNN Rangnicks Elf bezeichnete, größten Respekt. Außerdem wurde das ÖFB-Team in englischsprachigen Gazetten als „Dark Horse“ bezeichnet, als Synonym für einen Geheimfavoriten.

Da halte ich es lieber mit dem viel zu früh verstorbenen Austro-Barden Georg Danzer. Während in den Fanmeilen Fendrich das „Eis von meiner Seele“ schmelzen ließ, rannten sich unsere Jungs als „Weiße Pferde“ die Seele aus dem Leib. Und werden das unter der Ägide eines Trainers, der die europäischen Werte eines gelebten Miteinanders auf und abseits des grünen Rasens vorlebt, hoffentlich noch lange tun. „Ich träumte von weißen Pferden. Wilden weißen Pferden an einem Strand.“

(NEUE)