Türkise Taktik mit deutscher Hilfe

Mit Beratung früherer Stars des deutschen Boulevards lässt die ÖVP die Justiz in Ruhe.
Bei Reisen in die Ukraine und nach Moskau versuchte Kanzler Karl Nehammer (ÖVP), sich als “Brückenbauer” zu inszenieren. Der frühere “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann unterstützte. Für den ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss rüstete sich der türkise Klub über Diekmanns Agentur “Storymachine” mit Georg Streiter, der bei der “Bild” für “Wir sind Papst” verantwortlich zeichnete und Pressearbeit für die deutsche Ex-Kanzlerin Angela Merkel machte.
Streiter sollte den türkisen Fraktionschef Andreas Hanger weniger aggressiv wirken lassen. Die vor einem Jahr notorisch geführten Angriffe auf Ermittlungsbehörden wurden begraben. Stattdessen betonte Hanger schon vor Beginn des Ausschusses, dass die Partei aus vielen Mitgliedern bestehe, die nicht korrupt seien und versprach “volle Aufklärung, volle Transparenz” – bei allen Parteien.
Inseratenskandale bei den anderen
Dieses Motto breitet sich in der ÖVP auch außerhalb des U-Ausschusses aus, etwa in der Frage illegaler Parteienfinanzierung: Seit bekannt wurde, dass der Vorarlberger ÖVP-Wirtschaftsbund Inserate aus der Wirtschaftskammer gepresst haben soll und Einnahmen ohne Umsatz- oder Körperschaftssteuer an die Landespartei weitergab, tauchen laufend neue Fälle fraglicher Inseraten-Konstrukte auf.
Die türkise Generalsekretärin Laura Sachslehner forderte “restlose” Auklärung – als es um Inserate in einer SPÖ-Parteizeitung im Burgenland ging. Ein unabhängiger Verein hatte eine Jubiläumsausgabe drucken lassen, Unternehmen des Landes fleißig inseriert. SPÖ-Landesgeschäftsführer Roland Fürst sah kein Problem, ein Sprecher des ÖVP-Wirtschaftsbundes hingegen einen “SPÖ Inseratenskandal”, Sachslehner befürchtete illegale Parteienfinanzierung.
Prüfung in Niederösterreich
Ähnliche Sorgen hat die Opposition in Niederösterreich. Im traditionell schwarzen Bundesland erscheint etwa “Jung”, bis vor Kurzem herausgegeben vom “Verein zur Förderung des Jungen Journalismus in Niederösterreich”. Wie “der Standard” berichtet, fokussiert sich “Jung” besonders auf Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), Landesunternehmen inserieren. Den Verein führte bis zur Auflösung im März der ehemalige Pressesprecher der JVP Niederösterreich, er ist im Kabinett von Kanzler Nehammer tätig.
Der Landesrechnungshof prüft nun schwarze Parteimedien, die Opposition stellt einen U-Ausschuss in den Raum. Die ÖVP-Landespartei verweist darauf, dass der Parteien-Transparenz-Senat bereits entschieden habe, dass kein Fehlverhalten vorliege. Im Falle von “Jung” wurde dem Standard versichert, dass eine politische Positionierung nicht Teil des Konzepts sei.
Intransparente Praxis
In Wien sollen in einem Magazin des “Wiener Pressverein” allein 2017 rund 190.000 Euro an Inseraten geschaltet worden sein, schätzt “profil”. Dem Rechnungshof muss das – wie bei der SPÖ im Burgenland – nicht gemeldet werden, hat der Verein, der an der Adresse der ÖVP-Parteizentrale sitzt, doch nichts mit der Partei zu tun. Im Vorstand des “Wiener Pressverein” saß 2017 der nunmehrige Kanzler und ÖVP-Chef Nehammer.
In Kärnten schalteten Wirtschaftskammer-Organisationen im Magazin des Wirtschaftsbundes. Die Grüne Wirtschaft ortet ein ähnliches Modell wie in Vorarlberg. Wirtschaftsbund-Direktorin Sylvia Gstättner streitet das ab, sieht aber “keinen Grund, uns vor dem politischen Mitbewerber zu rechtfertigen.”
“Bei Inseraten gibt es ja immer eine klare vertraglich vereinbarte Gegenleistung; ich bin dagegen, das zu skandalisieren”, sagte die türkise Generalsekretärin Sachslehner im Gespräch mit der Kleinen Zeitung zu Inseraten öffentlicher Stellen: “Das ist seit vielen Jahrzehnten gelebte Praxis, von vielen Parteien, nicht nur der ÖVP“, scheint die türkise Taktik aus dem U-Ausschuss in der Antwort der Generalsekretärin durch.