Politik

„Wir wollen niemandem etwas wegnehmen“

06.08.2023 • 23:00 Uhr
Heiko Richter ist neuer Bildungsdirektor<span class="copyright">stiplovsek</span>
Heiko Richter ist neuer Bildungsdirektorstiplovsek

Der neue Bildungsdirektor Heiko Richter erklärt , wie er den Lehrermangel bekämpfen will, wo seine Schwerpunkte liegen und warum man dem Burgenland keine Pädagogen wegnimmt.


Bis vor kurzem hätte ich gesagt, sie haben den wohl undankbarsten Job in Vorarlberg, jetzt hat sie vermutlich der KHBG-Chef überhohlt. Warum haben Sie sich in einer für die Schulen so brenzligen Zeit als Bildungsdirektor beworben?
Heiko Richter: Genau weil sie brenzlig ist. Ich war lange in Hochschuleinrichtungen tätig, davon 15 Jahre in Führungspositionen, in Vorarlberg als Vizerektor der Pädagogischen Hochschule. Auch dort war Lehrer-Recruting bereits ein Thema. Ich konnte ein Netzwerk aufbauen und kenne die Beteiligten hier im Haus, im Ministerium und an der PH sehr gut. Die Leitung der Bildungsdirektion ist sicher eine der herausforderndsten, aber auch eine der wichtigsten Aufgaben im Land und der möchte ich mich gerne stellen.

Sie leiten eine Bund-Länder Behörde und müssen dabei viele Interessen berücksichtigen. Beim Dienstrecht gibt es keine Rangierweite für das Land, man muss den Lehrern im Burgenland eine Prämie anbieten, damit sie nach Vorarlberg kommen. Kann man den Lehrermangel so bewältigen?
Wir haben sehr erfolgreiche Projekte wie „Students Teach Students“ gestartet, bei dem Schülerinnen und Schüler aus höheren Schulen Unterrichtserfahrung sammeln können, bevor sie sich für ein Lehramststudium anmelden. Von den 84, die teilgenommen haben wollten am Ende 80 bis 90 Prozent in den Lehrberuf einsteigen. Wir suchen bundesweit nach Quereinsteigern, hier werden derzeit bis zu 50 Prozent eingestellt, das wird aber sicherlich wieder zurückgehen. Wir haben auch in anderen Bundesländern geworben. Im Burgenland haben wir das bewusst ab dem 31. Juli gemacht, weil es das einzige Bundesland ist, das einen Nullbedarf an zusätzlichen Lehrkräften gemeldet hat, deshalb wenden wir uns dort an jene Absolventinnen und Absolventen, die vor Ort keine Anstellung finden.

Richter beim Interview mit der NEUE am Sonntag. <span class="copyright">Stiplovsek</span>
Richter beim Interview mit der NEUE am Sonntag. Stiplovsek

Hätte man diese Personen nicht bereits über die PH Burgenland ansprechen können? Gibt es Aufholbedarf beim Monitoring, wenn man jetzt draufkommt, dass man dort zu viele Lehrer hat und die Leute dann mit Straßenplakaten nach Vorarlberg locken muss?
Wir sind seit den letzen Jahren auch mit der ÖH im Austausch. Wir wollen niemandem etwas wegnehmen. Es geht darum, Lehrpersonen anzusprechen, die ansonsten keine Stelle gefunden hätten. Die Prämie ist auch nichts neues, wir zahlen über zwei Jahre einen Wohnungszuschuss von 180 Euro und das Klimaticket. Der typische Quereinsteiger, den wir damit ansprechen wollen, ist 40 bis 50 Jahre alt, hat oft schon eine Familie mit Kindern und entsprechende Verpflichtungen. Und dass das Preisniveau hier höher ist, als im Burgenland, ist glaube ich auch keine Überraschung.

Man hat auch versucht, Lehrer wieder aus der Pension zurückzuholen, da gab es die Kritik, dass die Konditionen zu schlecht seien und man so viel verdiene wie ein Berufseinsteiger.
Man erhält zum Gehalt aber noch die Pension dazu.

… wenn man Beamter ist und nicht Vertragsbediensteter.
Wenn sie mich nach erfolgreicheren und weniger erfolgreichen Projekten fragen, wäre „Students Teach Students“ sicher ein erfolgreicheres, die Reaktivierung pensionierter Lehrpersonen war leider weniger erfolgreich. Dass jemand weitermacht ist oft eine innere Motivation, das macht man ein Stück weit auch für die Chefin oder den Chef.

Man hat jahrelang das Ausbildungsniveau an den Pflichtschulen angehoben, mit Bachelor- und Masterstudiengängen. Hat man sich damit nicht auf sicht ins Knie geschossen, weil nur wenige diese Anforderungen erfüllen?
Aus akademischer Sicht ergibt es schon Sinn, die Lehrerausbildung an den Höheren Schulen und den Pflichtschulen anzugleichen. Es geht auch darum sich an den europäischen Standard anzugleichen. Es ist aber natürlich so, dass wir in Vorarlberg in der aktuell brenzligen Situation auch Studierende aus höheren Semestern an den Schulen einsetzen.

Als ich im Gymnasium war, hat uns die damalige Bildungsministerin einen Brief geschrieben, dass wir ja nicht Lehrer werden sollen, weil es zu viele gebe. Das sind die, die heute fehlen. Funktioniert die Bedarfsplanung mittlerweile etwas besser?
Genau diese Generation kommt heute als Quereinsteiger in den Lehrberuf. Einige haben damals sogar Lehramt studiert und keine Stelle bekommen. Andere sind in den akademischen Bereich gegangen. Es gibt auch welche, die der Gesellschaft etwas zurückgeben möchten und daher mit 40 oder 50 ins Lehramt gehen. Es gibt mittlerweile ein sehr enges Zahlenmonitoring des Bildungsministeriums. Ich habe auch den Anspruch, dass wir hier langfristig planen, was aber nicht immer ganz leicht ist, weil man nicht genau sagen kann, wann jemand in den Ruhestand gehen will.

Bei den Pflichtschulen sind meist die Gemeinden die Schulerhalter, Dienstgeber für die Lehrer ist das Land, das Dienstrecht kommt vom Bund. Dieser refundiert den Ländern auch weitgehend die Gehälter. Was hat Sie mit Ihrer Erfahrung aus Deutschland am österreichischen Bildungssystem am meisten überrascht?
Sicherlich die vielen Interessensgruppen, die oft auch unterschiedliche Schwerpunkte haben, die man zusammenbringen muss. Auch dass der Bund in Österreich ein relativ starkes Mitspracherecht hat, ist sicherlich anders.

Was sind die großen Herausforderungen der nächsten Zeit?
Das Lehrer-Recruiting wird weiterhin eine große Rolle spielen. Bei der Suche nach Quereinsteigern wollen wir zusätzlich auf den internationalen Aspekt setzen, nämlich an deutschsprachigen Schulen im osteuropäischen Raum. Hier bin ich auch durch meine frühere berufliche Tätigkeit gut vernetzt. Der Hauptfokus wird aber bleiben, ausreichend Lehramtsabsolventinnen und -absolventen in Österreich zu haben. Hier ist die Zusammenarbeit zwischen Bildungsdirektion und Pädagogischer Hochschule essenziell. Ein zweiter Schwerpunkt ist die administrative Entlastung. Jede Schule hat je nach ihrer Größe Stunden für Sekretariatstätigkeiten erhalten, das ist sehr gut angekommen. Hier hat das Land etwa eine Million Euro in die Hand genommen. Mir persönlich ist das Thema Kommunikation besonders wichtig. Ich möchte mit eine Schulbesuchsliste zusammenstellen und den Austausch suchen. Als Bildungsdirektion müssen wir die Serviceorientierung weiter ausbauen. Wir müssen wissen, was sich tut und was wir tun können. Ich habe im Haus auch ein Welcome Centre aufgebaut, damit jeder der eine Frage an uns hat, auch zeitnah eine Antwort erhält. Niemand soll hören „Ich bin nicht zuständig“ oder „Ich kann Ihnen nicht weiterhelfen“. Entweder man hilft den Leuten direkt oder man sagt ihnen, wo sie sich hinwenden können.

Das klingt nach einem Kampf gegen den österreichischen Obrigkleitsstaat.
(lacht) Ja, ein bisschen vielleicht, aber da wede ich nicht locker lassen. Die Maßnahme ist auch sehr gut angekommen. Es ist wichtig, dass sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter willkommen fühlen. Wir stehen im Wettbewerb um die besten Köpfe und ich finde das gar nicht falsch. Man muss Service bieten, sonst kommen die Leute nicht zu uns.