Politik

Wofür das Bundesheer 200 neue Radpanzer braucht

19.02.2024 • 12:45 Uhr
Heer kauft weitere 225 Pandur EVO. 70 Prozent der Wertschöpfung bleibt in Österreich.<span class="copyright">HBF/Daniel TRIPPOLT</span>
Heer kauft weitere 225 Pandur EVO. 70 Prozent der Wertschöpfung bleibt in Österreich.HBF/Daniel TRIPPOLT

Die bisher größte Beschaffung für die Landstreitkräfte des Bundesheeres wurde heute besiegelt.

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner und Bundeskanzler Karl Nehammer (beide ÖVP) brachten heute einen der größten Rüstungsaufträge der letzten Jahrzehnte unter Dach und Fach. Diesmal profitieren die Landstreitkräfte davon, besonders die Jägertruppe. 225 Radpanzer „Pandur Evolution“ werden zwischen 2025 und 2032 anrollen, der Vertrag mit dem Hersteller GDELS (früher Steyr Sonderfahrzeuge) in Wien-Simmering mit einem Volumen von rund 1,8 Milliarden Euro wurde heute im Rahmen einer Pressekonferenz fixiert.

„Jetzt beginnt eine neue Zeit im österreichischen Bundesheer“, sagte Nehammer vor der Vertragsunterzeichnung im GDELS-Werk. Man habe jahrzehntelang zu wenig getan für die militärische Landesverteidigung, nun befinde man sich in einem Prozess des Nachrüstens. Der nächste große Schritt sei der Beitritt zum Raketenabwehrschild „Sky Shield“, so der Kanzler, der einmal mehr neutralitätsrechtliche Bedenken zur Seite schob.

Vertragsunterzeichnung bei General Dynamics European Land Systems (GDELS) in Wien-Simmering am Montag<span class="copyright"> apa/roland schlager</span><br><a rel="noreferrer noopener" href="https://www.kleinezeitung.at/autor/17735847/wilfried-rombold" target="_blank"></a><br>
Vertragsunterzeichnung bei General Dynamics European Land Systems (GDELS) in Wien-Simmering am Montag apa/roland schlager

Ministerin Tanner sprach die 25-jährige Geschichte des Pandur-Radpanzers im Bundesheer an. Eine gemeinsame Entwicklungskooperation habe zur Version A2 geführt, nun kommen zu den bestehenden drei Varianten zwölf weitere dazu. „Das ist das größte Paket, das wir jemals im Bereich der Landstreitkräfte investiert haben“, hielt Tanner fest. Zusätzlich zu der Investitionssumme von 1,8 Milliarden fließen weitere Mittel in den Logistikbereich. Die Ressortchefin sprach auch das Personalproblem an, die personelle Komponente würde parallel zum „Aufbauplan 2032“ mitgeplant.

Jetzt beginnt eine neue Zeit im österreichischen Bundesheer.

Karl Nehammer, Bundeskanzler

Doch wozu braucht das Bundesheer die insgesamt rund 330 Mannschaftstransportpanzer (inklusive der 2016 eingeleiteten Beschaffung von 100 „Pandur EVO“)? Schon im Zustandsbericht über das Bundesheer von Übergangsminister Thomas Starlinger 2019 wurde der Bereich „geschützte Mobilität“ als eine der größten Lücken in der Ausstattung definiert. Ohne entsprechenden Schutz gegen Granatsplitter, Minen, Drohnen oder direkten Beschuss fahren Soldaten heutzutage „nicht einmal mehr aus der Kaserne heraus“, wie es ein hoher Offizier ausdrückt. Kamen Österreichs Pandur-Radpanzer bisher vor allem in Auslandsmissionen (Kosovo) zum Einsatz, so spielen sie im neuen Konzept der militärischen Landesverteidigung eine tragende Rolle. Dieses basiert auf erweiterten Fähigkeiten in der Aufklärung sowie einer hohen Beweglichkeit der Truppen.

Dementsprechend sieht der „Aufbauplan 2032+“ des Bundesheeres eine Vollausstattung aller drei Jägerbataillone der 3. Jägerbrigade („Brigade Schnelle Kräfte“) mit dem „Pandur EVO“ vor. Am weitesten fortgeschritten ist dieses Vorhaben beim Jägerbataillon 17 im steirischen Straß, das als Pandur-Kompetenzzentrum auch wesentlich an der Entwicklung des Mannschaftstransportpanzers beteiligt war. Die anderen Verbände in Güssing (B) und Zwölfaxing (NÖ) sollen ebenso mit ausreichend Panduren ausgestattet werden. Weitere Truppenteile wie Pioniere, ABC-Abwehr, Sanität und Führungsunterstützung erhalten die Radpanzer in einer für sie maßgeschneiderten Ausstattung.

Der Pandur EVO 6×6 (3 Achsen) wird allerdings nicht nur in seiner Funktion als Mannschaftstransportfahrzeug für bis zu acht Soldaten mit ferngesteuerter und elektronisch stabilisierter Waffenstation zum Rückgrat der Jägertruppe. Das Bundesheer will ihn als vielseitig nutzbare Plattform für Aufgaben im modernen Gefechtsfeld nutzen. Insgesamt sind zwölf verschiedene Ausstattungsvarianten vorgesehen. Als rollender Waffenträger soll er unter anderem Granatwerfer, die Mistral-Lenkwaffe oder Systeme für die Drohnenabwehr auf seinen Turm gesetzt bekommen. Nicht zuletzt die Erkenntnisse aus dem Ukraine-Krieg haben die Planer im Verteidigungsministerium davon überzeugt, dass für Militärkonvois eine begleitende Fliegerabwehr unverzichtbar ist. Die Wiedererlangung dieser Fähigkeit strebt man in einer Kombination mit dem Pandur an. Die Rede ist dabei vom System „Skyranger“ von Rheinmetall, das in dem Fahrzeug integriert werden könnte. Dabei erhält die Besatzung über die Sensorik an Bord ein eigenständiges Luftlagebild, kann aber auch jenes des Goldhaube-Systems eingespielt bekommen. Langfristig sollen alle vier Landbrigaden mit Begleitschutz-Fliegerabwehr ausgestattet werden, 36 Systeme insgesamt.

Die relativ hohen Anschaffungskosten für die 225 „Pandur EVO“ – mit 1,8 Milliarden Euro befindet man sich in der Größenordnung der Eurofighter – sind wohl auf diese hochkomplexe Zusatzausstattung sowie die inkludierten Ausbildungs- und Wartungspakete zurückzuführen. Aber auch die Inflation trieb den Preis zuletzt gewaltig nach oben. Immerhin bleiben mehr als 70 Prozent der Wertschöpfung in Österreich, an die 220 heimische Firmen liefern GDELS bei diesem Projekt zu. Wichtige Komponenten der Panzerwanne werden etwa in der Maschinenfabrik Liezen geschmiedet.