Ein Blick in das Programm der schwarz-blauen Landesregierung

Das Arbeitsprogramm der neuen Landesregierung steht fest. Die NEUE wirft einen genaueren Blick auf die wichtigsten Punkte und die fixierte Ressortverteilung.
Beinahe 100 Seiten umfasst das Arbeitsübereinkommen, das die designierte Landesregierung aus ÖVP und FPÖ in den nächsten fünf Jahren umsetzen möchte. Die wichtigsten Eckpfeiler aus dem „Vorarlberger Weg – mit Mut und Verantwortung für unser Land“, wie das Programm betitelt ist, stellten Landeshauptmann Markus Wallner und der designierte Landesstatthalter Christof Bitschi im Pressefoyer vor.
Wirtschaftspolitik
Beim gestern präsentierten Arbeitsprogramm von Landeshauptmann Markus Wallner und dem zukünftigen Landesstatthalter Christof Bitschi zeigte sich, dass die neue ÖVP-FPÖ-Koalition der Frage des Wirtschaftsstandortes und der Wettbewerbsfähigkeit von Vorarlbergs Unternehmen eine ganz andere Bedeutung beimessen wird als die frühere Landesregierung. Angesichts der negativen wirtschaftlichen Entwicklung und ihren Folgen für öffentliche Budgets und den Arbeitsmarkt haben sich die politischen Prioritäten deutlich verschoben. „Wir haben aus dem Willen der Wählerinnen und Wähler einen klaren Arbeitsauftrag abgeleitet“, heißt es von der neuen Regierung.

Das erkennt man schon daran, dass sich gleich der erste Punkt des Regierungsprogrammes primär mit Wirtschaftsthemen und dem Wirtschaftsstandort beschäftigt. Es wird auf die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, eine Fachkräfteoffensive, eine Förderung der regionalen Wirtschaft, eine zukunftsfähige Mobilität, mehr individuelle Freiheit und weniger Bürokratie sowie eine Raumplanung als Entwicklungsmotor und leistbares Wohnen gesetzt.
Bürokratieabbau
Gerade beim Thema Bürokratie, das vielen Unternehmen seit Jahren immer noch stärker unter den Nägeln brennt, will man neue Wege gehen: So soll beim Land eine Stelle für Bürokratieabbau geschaffen werden, die politisch in die Zuständigkeit von Wallner und Bitschi falle. „Die Politik muss dafür die Verantwortung übernehmen, wir haben hier klare Signale aus der Wirtschaft erhalten“, so Wallner. Besetzt werden soll die Stelle mit einer fachlich dafür geeigneten Person. Dazu komme eine Meldestelle für Unternehmen und Privatpersonen, die dort ihre Anliegen und Fälle vorbringen können. Im Anschluss daran werde geklärt, ob das Problem aufgrund gesetzlicher Vorgaben oder politischer Willensbildung bzw. aufgrund von Abläufen in der Verwaltung bestehe.

Da sich viel Bürokratie durch diverse Beschlüsse auf EU-Ebene ergebe, könne man sich als Land Vorarlberg nur um jene Bereiche kümmern, die primär in den eigenen Zuständigkeitsbereich fallen. Dazu würden etwa die Themen Baurecht, Raumplanung und beschleunigte Verfahren im Energie-Bereich zählen, so Wallner und Bitschi.
Infrastruktur
Beim Thema Infrastruktur bekennen sich beide Regierungspartner zum Ausbau des Güterbahnhofes Wolfurt samt dazugehörender Infrastruktur, zum landesweiten Glasfaserausbau, zum Ziel der Energieautonomie – unter anderem durch Wasserkraftwerke wie das Lünerseewerk 2 – sowie zur Fertigstellung des Stadttunnels Feldkirch und zur Realisierung der S18 im unteren Rheintal. „Das werden wir jetzt aktiv und mutig angehen. Darauf liegt ein großer Fokus“, so Bitschi. Man wolle gerade auch im Bereich Verkehrsinfrastruktur alle Bereiche umfassend denken und nicht wie bisher gegeneinander ausspielen.
Finanzen und Familie
Mit einem Verweis auf kürzlich vergangene und noch aktuelle Krisen sagt Bitschi: „Wahrscheinlich gibt es idealere Zeitpunkte, in eine Landesregierung einzusteigen.“ Wallner pocht auf gute Zusammenarbeit: „Nach außen verlange ich ein Höchstmaß an Disziplin und Geschlossenheit.“
Da die Krisenjahre aber auch auf die Finanzen schlagen, steht weit vorne auf der Agenda eine Budgetkonsolidierung, also eine Verringerung von Schulden. Das soll laut dem Landeshauptmann „mit Augenmaß“ geschehen.

Das von der FPÖ gewünschte Familiengeld steht dennoch im Programm, wird aber als „Mittelweg“ mit einer Erweiterung des Familienzuschusses umgesetzt – mit Blick auf das Budget eine längerfristige Angelegenheit. Laut Wallner sei die Umsetzung erst nach 2025 möglich.
Mit dem erweiterten Familienzuschuss geht Schwarz-Blau einen deutlichen Weg in Richtung Wahlfreiheit in der Familienpolitik. Neben der Zuschusserweiterung, die besonders jenen Familien zugutekommt, die ihre Kinder zu Hause betreuen, bedeutet das auch den Ausbau der Kinderbetreuung. In Sachen Familienzusammenstellung zeigt man sich offen, die Gleichberechtigung von Mann und Frau soll vorangetrieben werden.
Zuwanderung
Bei diesem Thema zeigt sich deutlich die schwarz-blaue Handschrift: „Vorarlberg bekennt sich zu einer restriktiven Migrationspolitik mit einer vernünftigen Kontrolle und Steuerung; Zuwanderung muss Grenzen kennen“, heißt es im Arbeitsprogramm.
Integration soll gelingen, indem Zuwanderer Deutsch lernen, Werte und Gesetze beachten und sich in den Arbeitsmarkt integrieren. Hier kommt der im Mai eingeführte Vorarlberg Kodex und die schon länger bestehende Integrationsvereinbarung ins Spiel. Wer dagegen verstößt, soll „lückenlos sanktioniert“ werden. Beim „Vorarlberg Kodex“ scheiterte die Einführung von Sanktionen noch am Veto der Grünen.

Auch bei Sozialleistungen sollen, geht es nach der neuen Landesregierung, Sanktionen und Kürzungen folgen, wenn Betroffene eine Eingliederung in das berufliche und gesellschaftliche Leben bewusst nicht stattfindet oder Integration nicht geleistet werden.
In Sachen Asyl setzt Schwarz-Blau auf rasche, qualitativ hochwertige Verfahren. Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, sollen das Land wieder verlassen. Straffällige, rechtskräftig verurteilte Asylwerber und Asylberechtigte sollen „konsequent außer Landes gebracht“ werden.
Wohnen
Ein zentrales Thema im Wahlkampf findet sich wenig überraschend wieder im schwarz-blauen Wahlprogramm: das leistbare Wohnen. Startwohnungen schaffen, gemeinnützigen Wohnbau schaffen und die attraktivste Wohnbauförderung bieten, das sind die Ziele von ÖVP und FPÖ.
Auffallend: Anders als zuvor wurde im Wahlprogramm keine konkrete Zahl an gemeinnützigen Wohnungen festgeschrieben, die es zu errichten gilt. „Beim letzten Mal hat es nicht funktioniert, weil es der Markt nicht zugelassen hat und uns Krisen wie die Pandemie massiv gestoppt haben“, begründet Wallner hierzu. Dennoch bekennt man sich zu Projekten wie „Wohnen550“, dessen erstes Projekt wie berichtet in Feldkirch realisiert wird.

Sind die Wohnungen dann errichtet, sollen die Dauer der Meldezeit in Vorarlberg und die Deutschkenntnisse bei der Vergabe eine „starke Berücksichtigung“ finden. Eine entsprechende Änderung der Vergaberichtlinien soll unter Abstimmung mit dem Gemeindeverband erfolgen.
Die KIM-Verordnung bei der Vergabe von Krediten ist dem Landeshauptmann schon länger ein Dorn im Auge. Bei der Bundesregierung will sich Schwarz-Blau für eine Abschaffung dieser starkmachen.
Umwelt und Energie
Eine überraschend große Rolle im schwarz-blauen Wahlprogramm spielt der Umweltschutz. „Manche dachten, wenn ÖVP und FPÖ zusammenarbeiten, gibt es keinen Klimaschutz mehr. Das Gegenteil ist der Fall“, holt Wallner zum Konter aus.
Im Arbeitsprogramm steht: „Die Klimaveränderungen und die in immer kürzeren Abständen auftretenden Extremwetterereignisse erfordern unsere volle Aufmerksamkeit.“ Die Landesregierung will bei entsprechenden Maßnahmen darauf achten, dass Betriebe und die Bevölkerung sie mittragen und diese „nicht überfordert“ werden.
Zwei energiepolitische Ziele fasst man ins Auge: Stromautonomie bis 2030 und Energieautonomie bis 2050. Explizit erwähnt Wallner die Unterstützung der neun Milliarden starken Investitionen der Illwerke bis 2040.

Beim Streitthema Wolf hält man am bisherigen Kurs fest: „Ein gezieltes Management von Großraubwild wie Wolf und Bär bietet Sicherheit für Mensch und Nutztier.“
Finale Ressortverteilung
Nachdem wie berichtet die Regierungsmannschaft auf Seiten der ÖVP gleich bleibt und sich auch das Aufteilungsverhältnis der Regierungssitze (fünf zu zwei) nicht ändert, bleiben auch einige Zuständigkeiten gleich. Neu verteilt wurden vor allem die Agenden der scheideneden grünen Landesräte.

Markus Wallner (ÖVP) bleibt als Landeshauptmann zuständig für Finanzangelegenheiten, Feuerwehren, Hilfs- und Rettungswesen, Katastrophenbekämpfung, Vermögensverwaltung, Gebarungskontrolle, Europaangelegenheiten, Wahlen, Personal und Regierungsdienste. Neu dabei sind Außenbeziehungen und Entwicklungszusammenarbeit sowie Informatik.

Christof Bitschi (FPÖ) ist als Landesstatthalter der Stellvertreter Wallners. Verkehrsrecht, Straßenbau, öffentlicher Verkehr, Radwege, Eisenbahninfrastruktur sowie Familien- und Jugendförderung sind seine Agenden.

Barbara Schöbi-Fink (ÖVP), zuvor Landesstatthalterin, ist als Landesrätin weiter für Elementarpädagogik, Schule und Bildung, Schülertagesbetreuung, Wissenschaft und Weiterbildung, Senioren, Kunst und Kultur, Gesetzgebung und neuerdings für Frauen und Gleichstellung sowie Kinder- und Jugendhilfe zuständig.

Christian Gantner (ÖVP) behält die Ressorts Landwirtschaft und Regionen, Forstangelegenheiten, Gewässerschutz und Wasserwirtschaft, Veterinärangelegenheiten, Jagd und Fischerei, Wildbach- und Lawinenverbauung sowie Katastrophenfonds. Von den Grünen erbt er Umwelt- und Klimaschutz sowie Wasserwirtschaft.

Ein umfangreiches Pensum erwartet Martina Rüscher (ÖVP) durch die Zusammenführung mehrerer Ressorts. Wie gehabt ist sie für Gesundheit und Sport, Soziales, Chancengleichheit und Behinderung, Sozialpsychiatrie und Sucht, Sanitätsangelegenheiten, Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz zuständig. Darüber hinaus erhält sie das Pflegeressort, wodurch nun die Gesundheits- und Pflegeagenden bei einer Landesrätin vereint sind.

Marco Tittler (ÖVP), der das Verkehrsressort an Bitschi abtritt, zeichnet sich für Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik, Wirtschaftsrecht, Wohnbauförderung, Raumplanung, Baurecht, Gemeindeentwicklung, Telekommunikation sowie Tourismus verantwortlich. Letzters Ressort hatte Gantner zuvor inne, auf Wunsch der Tourismusbranche vereint ein Landesrat deren Agenden nun mit der Wirtschaft.

Daniel Allgäuer (FPÖ) hat die Ressorts Inneres und Sicherheit, Staatsbürgerschaft, Integration, Energie, Hoch- und Gebäudewirtschaft sowie Maschinenbau und Elektrotechnik unter sich.
Die sieben designierten Regierungsmitglieder müssen nun noch bei der konstituierenden Landtagssitzung gewählt werden, ehe sie ihr Amt antreten können. Angesichts der klaren Mehrheit von ÖVP-FPÖ ist das nur mehr Formsache.
Von Tobias Holzer und Günter Bitschnau/wpa