“Ihre unterirdische Kommunikation hat das ganze Land gegen Sie aufgebracht”

Ein Jahr schwarz-blaue Landesregierung: Opposition zerlegt die Arbeit der Koalition, ÖVP und FPÖ ziehen positives Fazit. Heiß umstritten war einmal mehr die Spitalsreform.
Mit einer popkulturellen Anspielung eröffnete Claudia Gamon am Mittwoch die Aktuelle Stunde im Landtag: “Sie kennen vielleicht den Film ‘Und täglich grüßt das Murmeltier’. Der Protagonist erlebt denselben Tag immer und immer wieder und wird dabei narrisch. Dieses Gefühl habe ich hier manchmal auch.” Das Thema, das Gamons Neos vorgegeben hatten (“Ein Jahr Schwarz-Blau: Chaos, Stillstand, Vertrauensverlust – Regieren ohne Richtung!”) deutete bereits darauf hin, dass gleich eine wenig schmeichelhafte Bilanz des ersten Jahres unter der neuen Landesregierung folgen sollte.

“Die Landesregierung ist vor einem Jahr mit recht großen Worten angetreten. Wirklich umgesetzt ist noch nichts, einiges in Arbeit”, so Gamon. “Nicht nur hat die Landesregierung kein Reformfeuer entfacht. Die unterirdische Kommunikation und Informationspolitik in den Bereichen, wo sich tatsächlich etwas ändert, hat das ganze Land in einer Weise gegen Sie aufgebracht, wie es seinesgleichen sucht. Das Verständnis der Bevölkerung für Reformen ist der Panik vor neuen Ankündigungen gewichen”, kritisierte die Neos-Klubobfrau. Bei der Spitalsreform merke sie, dass viele Menschen die Reformvorschläge gar nicht begreifen. “Die Landesregierung macht es seit einem Jahr zum Problem der Bevölkerung, wenn sie ihre ‘Genialität’ nicht verstehen. Es ist doch eure Bringschuld, es (die Reform, Anm.) zu erklären. Oder liegt es vielleicht daran, dass es nicht logisch und erklärbar ist?” Gamon forderte eine “echte Reformagenda”. Dem Land gehe es schlecht, da bringe es nichts, wenn man schönrede.
“Einer Demokratie unwürdig”
SPÖ-Klubobmann Mario Leiter ortete ein “Weiter wie bisher” der Landesregierung. Er ruderte gegen den Stadttunnel, die Einsparungen im Sozialbereich und den Wortbruch bei der Wildtierstation aus. Beim “Strukturdialog Spitalscampus” kritisierte er: “Wie viel Dialog steckt dahinter, wenn Sie die fachliche Einschätzung der praktizierenden Ärzte und knapp 58.000 Unterschriften zum Erhalt der Geburtenstation Dornbirn ignorieren?” Der Spitalsprozess sei “einer Demokratie unwürdig”. Leiter konstatierte: “Die Landesregierung lässt alle im Regen stehen, die Hilfe brauchen. Sie ist die Betonwatsche für den Sozialstaat und alle, die darin existieren.” Seine Forderung: “Setzen Sie sich dafür ein, dass die mehr zahlen, die mehr haben. Schaden würde das dem Budget und Ihrem Gewissen nicht.”

“Ein rabenschwarzes Jahr für Familien, die Unterstützung brauchen”, formulierte Grünen-Klubobmann Daniel Zadra sein Fazit. Dagegen sei es ein “goldenes Jahr für die Tunnelspinne, die S18 und den Beton” gewesen. “Stur hält man an allen Luxusprojekten in Megadimension fest, aber wo Menschen Hilfe brauchen, wird ohne Plan gekürzt”, so Zadra, der exemplarisch die Kürzungen im Vorarlberger Kinderdorf, bei der Lebenshilfe und beim Betreuungspool ausführte. Das “Spitalschaos” sei ein “Lehrbuchbeispiel, wie man nicht in der Politik vorgehen soll: Von oben herab, mit Druck statt Dialog.” Auch der Stil habe sich verändert: “Geheimniskrämerei, Intransparenz und eine Politik von oben herab.” Der Appell der Grünen: “Setzen Sie die Bedürfnisse der Menschen wieder an erste Stelle.”

Im Anschluss an die Rede von Zadra meldete sich FPÖ-Klubobmann Markus Klien zu Wort. Als dieser zum Mikrofon schritt, stellten Eva Hammerer (Grüne) und Manuela Auer (SPÖ) ein Plakat mit der Aufschrift “55.855 Mal JA zum Erhalt der Geburtshilfe, Gynäkologie und Kinderheilkunde im Krankenhaus Dornbirn” in Anlehnung an die entsprechende Petition ans Rednerpult. Sie wurden von Landtagspräsident Harald Sonderegger (ÖVP) daraufhin aufgefordert, das Plakat zu entfernen, was sie – nachdem sie es im Saal herumgezeigt hatten – auch taten.

Klien erklärte daraufhin in seinem Beitrag: “Nach 10 Jahren schwarz-grüner Regierung kann man nicht erwarten, dass innerhalb eines Jahres sämtliche Versäumnisse aufgeholt und die notwendigen Reformen umgesetzt werden.” Die Landesregierung arbeite Schritt für Schritt mit klarer Richtung und habe die notwendige Trendwende eingeleitet. Explizites Lob gab es für die eigenen Parteikollegen in der Landesregierung, Christof Bitschi (“notwendige Korrektur von ideologiegetriebener Verhinderungspolitik der Grünen”) und Daniel Allgäuer (“Einführung der Sanktionen gegen Integrationsverweigerer”). Zum Spitalscampus sagte Klien: “Auch wir hätten gerne in jedem Spital jede Abteilung, aber wenn man sich die Fakten und die Kostenentwicklung anschaut, müssen wir erkennen, dass diese Reform überfällig ist. Dass hier die Opposition Kritik übt, ist verständlich, das ist ihre Aufgabe. Und es wäre vermessen, zu behaupten, dass so eine Reform ohne Reibereien vonstatten geht.” Seine Bilanz: “Vorarlberg steht nicht still, es geht in eine moderne und sichere Zukunft.”

Auch ÖVP-Klubobfrau Veronika Marte verteidigte die Arbeit der Landesregierung: “Während andere kritisieren, arbeiten wir täglich für ein starkes, handlungsfähiges und nachhaltiges Vorarlberg. “Man spare, aber tue das “sozial ausgewogen”, so Marte. “70 Prozent der Investitionen in diesem Land gehen in Bildung, Gesundheit, Soziales und Wohnbauförderung. Das sind knapp zwei Milliarden Euro. Ist das wirklich zu wenig?”, fragte sie in die Runde.

Aus dem ersten Jahr der ÖVP-FPÖ-Koalition hob sie die Entbürokratisierungsstelle, die Investitionen in Bildung, Straßen- und Brückenprojekte, die Gesundheitsreform und nicht zuletzt den Sozial- und Pflegebereich hervor: “Landesrätin Martina Rüscher packt jetzt an, was man schon lange hätte machen müssen. Es ist eine undankbare Aufgabe, aber sie muss gemacht werden.” Ihr Fazit: “Verantwortung bedeutet, auch bei Gegenwind Kurs zu halten.”
“Klarer Asylkurs”
Für Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) sei es weder “angebracht, alles schlechtzureden”, noch sei “ein einfaches Schulterklopfen” richtig. “Wir sind nicht in einer Situation, dass wir uns hier drinnen die Köpfe einschlagen sollten und wir sind nicht in einer Situation, dass irgendeine Regierung in Europa sagen kann, alles im Griff zu haben”, bilanzierte er. Weiters ging Wallner auf den “klaren Asylkurs” seiner Regierung, die Energiewende und den Wirtschaftsstandort ein.

Den Unterzeichnern der Petition zum Erhalt der Dornbirner Geburtenstation versprach der Landeshauptmann: “Wir werden nichts kaputt machen. Wir werden dafür sorgen, dass in der Geburtshilfe und in der Frauenheilkunde im unteren Rheintal hoch spezialisierte Medizin in der Breite für alle vorhanden sein wird.”