Sport

Das ungleiche Duell vom Punkt

06.11.2021 • 23:23 Uhr
Bei diesem Elfmeter von Tietz kommt Casali nicht mehr heran (links). <span class="copyright">Stiplovsek</span>
Bei diesem Elfmeter von Tietz kommt Casali nicht mehr heran (links). Stiplovsek

Vor dem Doppelheimspiel des SCR Altachduellieren sich Rieke Tietz und Tino Casali im Elfmeterschießen.

Es ist Punkt 14.30 Uhr an diesem sonnigen Freitag­nachmittag. Tino Casali und Rieke Tietz steigen gemeinsam aus dem Auto aus. Die Stimmung vor dem Wettbewerb wirkt gelassen. Noch! So als seien sich die Kontrahenten fast schon amikal gesinnt.
In Anlehnung an das Doppelspielwochenende der beiden Bundesligateams des SCR Altach bittet die NEUE zum internen Elfmeterschießen. Die Herren werden durch ihren Torhüter auf der Linie vertreten, für die Damenauswahl stellt sich die Stürmerin der Herausforderung. Die genauen Regeln sind schnell festgesetzt. Hält Casali zunächst fünf Schüsse, wird er zum Sieger erklärt, verwandelt Tietz zuerst fünf Versuche, geht der Gewinn dieser nicht ganz ernstgemeinten Challenge an die 19-Jährige.

Gegnerin studiert

„Wir müssen uns nicht aufwärmen, wir können das auch so“, verneint der 25-jährige Rückhalt die Aufforderung, sich vorab warmzulaufen. Die beiden wollen lieber gleich loslegen, sich sofort messen. Sie sind startklar! Auch die Möglichkeit für Probeschüsse wird abgelehnt. Während Casali noch seine Handschuhe zurechtrückt, befindet sich Tietz bereits voll in ihrer Konzentration. Ihr Blick ist bereits starr auf den Ball gerichtet, für ihre Außenwelt scheint sie bereits unempfänglich zu sein. „Schön auf der Linie bleiben, ja“, kommt noch die Warnung von Eileen Campbell, die zur Unterstützung mitgekommen ist und sich das kleine Schauspiel nicht entgehen lassen will.
Auf die neuerliche Frage, ob der erste Versuch nun gleich zählt, erwidert Tietz: „Wir schauen, wie der erste ist, und wenn er drin ist, passt es.“ Casali hat noch einige verunsichernde Worte parat: „Wisst ihr, ich habe die Rieke studiert. Bei allen Vereinen nachgeschaut.“ Die Herausgeforderte bleibt in ihrem Fokus, läuft an und schießt! „Gut studiert“, zollt Manuel Willam, beim SCR Altach für Marketing und Kommunikation verantwortlich, dem Torhüter Respekt. Casali hat sich früh für die linke Ecke aus Sicht der Schützin entschieden und den ersten Ball entschärft. „Der ist ja platt“, sucht Tietz eine mögliche Schuld beim Spielgerät.

Elfmeterbilanz. Dabei fällt die bisherige Elfmeterbilanz in der Bundesliga der neuen Nummer eins der Altacher unauffällig aus. Von fünf Schüssen vom Punkt konnte der Kärntner nur den Versuch vom damaligen LASK-Stürmer Joao Klauss entschärfen. Casali trug zu dieser Zeit noch das Trikot vom SV Mattersburg. Eine spezielle Vorbereitung auf potenzielle Elfmeterschützen hat der Athlet aus Spittal an der Drau ohnehin nicht. „Das bekommen wir vom Trainerteam zusammengestellt“, meint er und erklärt weiter: „Wenn ich weiß, dieser Spieler schießt, dann weiß ich auch, was ich mache.“
Damit fällt bei ihm die Entscheidung für eine Seite deutlich früher als bei der Kontrahentin. „Beim Anlaufen“, gibt sie Einblicke, wann sie sich für die Ecke entscheidet, wohin sie schießt.

Rieke Tietz
Rieke Tietz

Lieblingsecke

Eine Lieblingsecke hat die Deutsche allerdings und deutet dies mit ihrem zweiten Versuch an. „Knall den rein“ und „Schau, jetzt hat er Angst“, kommen noch aufmunternde Worte von Campbell zuvor. Casali kontert locker mit dem Ausspruch: „Ich halte den Zweiten eh auch.“ Damit sollte er nur teilweise Recht behalten. Tietz hat sich erneut für links unten entschieden, scheitert dieses Mal aber am Pfosten. „Zwei null“, kommt gleich die selbstbewusste Ansage vom Tormann, der auch dieses Mal die Ecke erahnt hat.
Auf die Beanstandungen, dass er diesen Versuch gar nicht pariert hat, sondern dieser an die Umrandung ging und daher wiederholt werden soll, meint er nur: „Wir haben doch am Anfang gesagt, dass nichts wiederholt wird.“ Damit bleibt der Vorsprung bestehen.
„Jetzt musst du langsam anschreiben“, vergrößert Willam den Druck auf die Schützin. Doch auch beim dritten Schuss ist das Glück der Frau aus Mecklenburg-Vorpommern nicht hold. Der Ball touchiert noch die Latte und geht drüber. „Es wird hier aber nicht mit fünf null ausgehen“, stellt Casali gleich klar. „Du hast bisher aber bisher nur einen gehalten“, kommt eine Reaktion. „Bei der WM zählt man es ja auch so“, verteidigt sich der 25-Jährige.

Matchball

Mit ihrem vierten Schuss schreibt Tietz erstmals an. Erneut hat sie sich für ihr Lieblingseck links unten entschieden. „Wuhu, jetzt können wir gleich gegen Sturm Graz mitspielen“, freut sich ihre Kollegin Campbell über den ersten Treffer. Während sich ihre Mannschaftskollegin bereits auf den nächsten Versuch vom Punkt vorbereitet, fügt Campbell noch an: „Jetzt ist er auf einmal ein bisschen leiser geworden.“
Tietz gelingt der Anschlusstreffer zum 2:3. „Für sie ist es jetzt psychologisch natürlich leichter. Der Druck ist weg“, mildert Casali ab. Auch im nächs­ten Versuch überwindet die junge Stürmerin den Torhüter mit einem Flachschuss rechts unten. „Der Ball ist wirklich schlecht“, meint die Torschützin dennoch und wird von Casali in ihrer Ansicht bestätigt: „Der Ball ist wirklich nicht gut.“
Doch an ein Aufhören ist bei Gleichstand selbstverständlich nicht zu denken. Nach Startschwierigkeiten hat die Schützin nun ihren Rhythmus gefunden und trifft nun auch erstmals mittig. Casali hat sich erneut für das Eck links unten entschieden. „Matchball“, merkt Campbell nach diesem nächsten Versuch an. Im Zwischenstand hat Tietz mittlerweile mit 4:3 die Nase leicht vorne.
Ihre Kaltschnäuzigkeit stellt sie sogleich unter Beweis und nutzt gleich den ersten Matchball zum Sieg in der Elfmeterchallenge aus. „Ja passt, lassen wir es damit gut sein für heute“, zieht Casali einen Schlussstrich. Doch auch er kann seiner Leistung ebenfalls Positives abgewinnen. „5:3 finde ich sehr gut. Von acht Elfmetern drei gehalten, ist eigentlich richtig gut“, merkt er an, nur um von Campbell verbessert zu werden: „Du hast einen gehalten.“ „Ah ja, das passt schon.“