Sport

“Da sind einige Highlights dabei“

30.01.2022 • 08:52 Uhr
Martin Kobras blickt auf eine lange Karriere mit über 360 Profispielen zurück. <span class="copyright">hartinger</span>
Martin Kobras blickt auf eine lange Karriere mit über 360 Profispielen zurück. hartinger

Martin Kobras spricht über seinen seinen Abschied und neue Aufgaben.

Nach 14 Jahren im Profigeschäft, davon 12 beim SCR Altach, und 360 Partien für die Rheindörfler haben Sie im Dezember Ihren Abschied als Profifußballer verkündet. Konnten Sie emotional und gedanklich damit abschließen?
Martin Kobras: Ja, ziemlich schnell eigentlich. Im Endeffekt hatte ich im Herbst schon abgeschlossen. Daher war es, als es endgültig wurde, keine Überraschung mehr. Ich hatte schon im Sommer den Gedanken, alles hinzuschmeißen. Mir ist der Abschied leichtgefallen.

Das heißt, mit Ihrer Degradierung zur Nummer drei beim SCR Altach war klar, dass das Ende als Profifußballer gekommen war?
Kobras:
Über diese Wochen. Für mich war klar, dass ich nicht mehr aus Vorarlberg weggehe. In Vorarlberg hat sich auch nichts mehr ergeben. Dann habe ich mich umgeschaut, was ich in Zukunft mache, und es ist die Entscheidung auf das Lehramtsstudium gefallen. Dadurch war ich ab Oktober auf das Studium fixiert und gedanklich ziemlich schnell weg vom Thema Profigeschäft.

Seinen letzten Auftritt hatte der Bregenzerwälder beim 0:0 gegen Austria Wien im September. <span class="copyright">GEPA/lerch</span>
Seinen letzten Auftritt hatte der Bregenzerwälder beim 0:0 gegen Austria Wien im September. GEPA/lerch

Hat Sie diese Entscheidung, dass Sie nur mehr die Nummer drei sein sollen, persönlich getroffen?
Kobras:
Ja, ganz klar. Damit habe ich nicht gerechnet. Man geht schließlich davon aus, dass man spielt, weil man maßgeblich daran beteiligt war, dass man es im Frühjahr geschafft hat. Wir hatten eine gute Form, und unter einem gewissen Trainer habe ich ziemlich wenig Gegentore bekommen. Dass dann auf einmal ein Schnitt in die Karriere gemacht wird und man sich auf der Tribüne wiederfindet, war brutal für mich. Es war ja nicht so, dass ich erst ein oder zwei Jahre beim Verein war.

Sie haben sich damit aber nicht lange aufgehalten und beruflich sofort neu orientiert.
Kobras:
Ich habe mich kopfüber in das Studium gestürzt, und das hat mir gutgetan. Ich bin mental gleich weggekommen und damit nicht in ein Loch gefallen, weil ich eine Beschäftigung habe und gefordert bin. Ich hatte eine schöne Karriere. Dass es so endet, damit habe ich nicht gerechnet. Ich spiele jetzt noch ein paar Jahre im Amateurbereich, das hatte ich mir ohnehin vorgenommen.

Wie groß war die Hürde, sich nach so vielen Jahren wieder an einen Tisch setzen zu müssen und zu lernen?
Kobras:
Die Menge an Stoff ist die Hürde. Aber grundsätzlich macht es mir Spaß. Man merkt, wenn man ein Ziel hat und es für einen Sinn macht, dass man auch die Motivation dafür hat. Irgendwie ist es auch spannend das noch mal zu durchleben. Ich bin froh, dass ich diesen Schritt gewagt habe.

Kommen wir nun zu einem anderen Thema und dem Rückblick auf Ihre lange Profikarriere. Welches Fazit ziehen Sie nach dieser langen Zeit?
Kobras
: Es war eine extrem schöne Zeit, und natürlich merkt man, dass sich vieles im Kopf abspielt. Es ist etwas weggefallen. Man dachte ständig über Fußball und die eigene Leistung nach. Da merkt man, dass man sich als Profifußballer auch im Privaten viele Gedanken gemacht hat. Das war mir nie so bewusst, aber jetzt spüre ich es.

Der Torhüter stammt eigentlich aus Lingenau, hat nun aber seine Heimat in Hittisau gefunden.<br><span class="copyright">hartinger</span>
Der Torhüter stammt eigentlich aus Lingenau, hat nun aber seine Heimat in Hittisau gefunden.
hartinger

Sie sprechen vom Druck als Leistungssportler?
Kobras:
Ja. Man musste ständig performen. Du kannst es dir nicht leisten, dass du drei Spiele in Folge nicht performst. Wenn ein Spiel nicht gut war, musstest du schon wieder Leistung bringen, damit man auch weiß, dass man nicht in der Kritik steht. Das ist jetzt weggefallen und etwas, das ich nicht vermisse. In Altach wird es sich jetzt im Frühjahr auch wieder zuspitzen, und die letzten drei Jahren waren schon kräftezehrend. Es war mühsam, weil man jedes Jahr mit diesem Druck umgehen musste. Wir sind gut davongekommen, aber vor jedem Spiel macht man sich Sorgen.

Hat sich mit diesem Schritt auch im Lebensstil etwas verändert?
Kobras:
Ja. Ich verbringe durch das Studium und Distance Learning viel Zeit zu Hause. Dadurch habe ich gerade eine coole Zeit mit der Familie. Wir schauen auf das Wetter, und wenn es schön ist, gehen wir spontan Ski fahren.

Wenn Sie auf Ihre Karriere zurückblicken, welcher spezielle Moment kommt Ihnen da als erstes in den Sinn?
Kobras:
Das Bundesligadebüt für Sturm Graz war etwas Besonderes oder die Partie gegen Rapid Wien, damals noch im Hanappi-Stadion. Das war mein zweites Spiel und echt lässig. Es waren doch über 360 Spiele, da sind einige Highlights dabei. Natürlich auch die Spiele in der Europa League. Für den Aufstieg haben wir lange gekämpft und das nach langer Zeit und mehrmaligem Scheitern endlich geschafft.

Den Abschied hätte sich der Rückhalt anders vorgestellt. <span class="copyright">GEPa/lerch</span>
Den Abschied hätte sich der Rückhalt anders vorgestellt. GEPa/lerch

Wenn die Frage nach Highlights kommt, muss auch die Gegenfrage erlaubt sein. Welche Momente haben eine kleine Kerbe in Ihrer Weste hinterlassen?
Kobras:
Klar, den Abgang wird man nicht vergessen. Da bleibt natürlich etwas hängen. Genauso wie, dass man fünf Jahre um den Aufstieg spielt, dann endlich aufsteigt, und nach einem ­halben Jahr spielt man nicht mehr. Das war auch eine große Enttäuschung. In dieser Phase habe ich aber für mich sehr viel dazulernen können und einfach geschaut, dass ich mich weiterentwickle, im Training Spaß habe und auf meine Chance warte. Schade war auch, dass wir in den drei Jahren mit Adi Hütter den Aufstieg nicht erreicht haben, obwohl wir eine super Dynamik im Team hatten.

Mit Ihrem Wissen von heute, würden Sie in ihrer Karriere rückblickend etwas anders machen?
Kobras:
Ich glaube, in Graz war ich zu ungeduldig. Am Anfang habe ich mich sehr gut entwickelt. Im zweiten Jahr habe ich im Herbst schon ein paar Spiele gemacht, im Frühling auch, aber wir haben nicht gewonnen. Dann hat wieder Christian Gratzei gespielt. Für mich war dann klar, dass ich weg und Spielpraxis sammeln muss.

War das Ausland jemals ein Thema für Sie?
Kobras:
Nachdem ich in Altach war, nicht mehr, weil es einfach ein Wohlfühlfaktor ist. Man ist zu Hause, hat die Freunde und Familie um sich. Das ist ein Privileg. Man merkt, dass für viele Spieler der Urlaub Stress bedeutet. Auf der einen Seite wollen sie wegfliegen, auf der anderen Seite Leute sehen, die sie jetzt ein halbes Jahr kaum gesehen haben. Sicher wäre es ein Abenteuer gewesen, aber es hat einfach gepasst und keinen Grund gegeben, wegzugehen. Es hat schon geheißen, ich könnte nach Belgien oder Norwegen, aber was soll ich da? Ich habe das Maximum herausgeholt, was in Altach möglich war. Im Endeffekt war es mir wichtig, zu spielen. Das ist auch der Punkt, warum ich gesagt habe, ich bin nicht dritter Torhüter. Ich bin Fußballer, und da gehören die Spiele dazu. Da spiele ich lieber unterklassig, mach’ meine Spiele und habe eine Freude dabei, als meine Karriere als dritter Torhüter ausklingen zu lassen.

Die große Stärke von Kobi: Die Situationen Mann gegen Mann. <span class="copyright">stiplovsek</span>
Die große Stärke von Kobi: Die Situationen Mann gegen Mann. stiplovsek

Sie laufen nun für den Eliteliga­klub FC Rotenberg auf. Wie legen Sie ihre Rolle dort an?
Kobras:
Als Führungsspieler: offen sein und unterstützend. Mich einbringen, wenn ich etwas erkenne, und darauf hinweisen. Sicher kann ich im Spiel durch Coaching vieles bewirken. Mit meinen Qualitäten kann ich der Mannschaft helfen, dass wir die Liga halten können.

Werden Sie auch nach Ihrer sportlichen Karriere bei Rotenberg dem Fußball in irgendeiner Funktion treu bleiben?
Kobras:
Auf jeden Fall. Ich kann es mir kaum vorstellen, dass ich dem Fußball nicht treu bleibe. Man weiß nie, wie es sich entwickelt, aber Fußball ist schon ein wichtiger Bestandteil in meinem Leben. Es begeistert mich, und die Begeisterung spüren auch die Leute um mich herum.

Abschließende Frage: Verfolgen Sie noch die Geschehnisse in Altach?
Kobras:
Ja. Klar schaue ich mir die Ergebnisse der Testspiele an oder was auf dem Transfermarkt passiert. Ab und zu habe ich mit Schreiner oder Netzer Kontakt. Ich freue mich auch darauf, mit meinem Jungen auf die Spiele zu gehen. Es sind doch viele Leute, die man über die Jahre kennengelernt hat.