Sport

“Ich hoffe auf eine Overtime”

21.04.2023 • 11:42 Uhr
Kult-Experte Greg Holst blickt auf das Finale voraus. <span class="copyright">APA</span>
Kult-Experte Greg Holst blickt auf das Finale voraus. APA

Heute um 19.30 Uhr (live auf Puls24) steht das alles entscheidende siebte Finalduell zwischen Bozen und Salzburg um den ICE-Liga-Meistertitel an. Greg Holst mit einem Ausblick.

Es gibt für die Fans und die Liga nichts Cooleres, als wenn eine Meisterschaft in einem siebten Spiel entschieden wird.
Greg Holst: Ja, ich bin so aufgeregt, denn das passiert nicht so oft. Ich habe 2004 als Villach-Coach bei der Finalserie gegen den KAC etwas Vergleichbares erlebt, damals wurde Best-of-Five gespielt. Es ging über die volle Distanz und in Spiel fünf sogar in die Overtime. Es war unglaublich, aber Best-of-Seven sind einfach noch zwei Spiele mehr, das ist noch besser, noch spannender, noch brutaler. Wie Bozen diese Serie nach einem 1:3-Rückstand noch umgedreht hat, verdient großen Respekt und ist sehr, sehr interessant.

Vor dem fünften Spiel schien klar, dass Salzburg den Sack zumacht, weil Bozen in vier Spielen nur zwei Tore geschossen hatte.
Holst: Salzburg hat im fünften Spiel in Bozen zwei, drei Fehler gemacht. Ich weiß nicht, ob sie nervös waren oder was los war, sie sagten nach dem Spiel, sie hätten kein Scheibenglück gehabt, die Scheibe sei nicht für sie gesprungen. Aber das stimmt nicht, die Scheibe ist in den ers­ten fünf Minuten zwei Mal für sie gesprungen, sie lag zwei Mal auf der Torlinie, aber sie hatten keinen, der die Scheibe über die Linie drückte. In den restlichen 55 Minuten war Bozen ein ganz kleines bisschen besser, was die Qualität der Torchancen angeht. Die erste Verlängerung war meiner Meinung nach dann der Wendepunkt der Serie. Salzburg war so stark, hat fast das gesamte Drittel lang im Angriffsdrittel gespielt, aber sie haben kein Tor gemacht. Und was passiert in so einer Situation? Bozen hat es beflügelt, denn wenn man so einen Sturmlauf übersteht, gibt einem das Kraft. Auf der anderen Seite haben sich die Salzburger ziemlich sicher gefragt, was sie denn noch tun mussten, um das Siegtor zu machen. Denn du kannst ja nicht immer mit so einem Tempo spielen – und genau das ist passiert. Salzburg konnte das Tempo nicht halten, was Bozen gespürt hat. Bozen hat immer mehr die Kontrolle übernommen, in der dritten Verlängerung war es dann ziemlich offensichtlich, dass Salzburg ein bisschen die Luft ausgegangen ist. Und da hat Bozen dann in der 116. Minute zugeschlagen.

Wechselte da das Momentum?
Holst: Absolut! Wenn du das fünfte Spiel gewinnst und auf 2:3 verkürzt, dann ist es in einer Best-of-Seven-Serie oft so, dass sich alles ändert. Salzburg hatte im sechsten Spiel großen Druck. Bozen hat dann in Salzburg unglaublich gespielt und das siebte Spiel erzwungen. Es ist so verdient, dass die Entscheidung im siebten Spiel fällt. Beide Mannschaften präsentieren sich auf dem Eis als Krieger, werfen sich in Schüsse, Matt Frattin schießt mit gebrochener Nase das Siegtor in der Overtime. Was diese beiden Teams leisten, ist unvorstellbar. Für die Liga, die Zuschauer, die Medien, die Spieler, die Trainer könnte nichts Besseres passieren.

Die Finalserie zwichen Bozen und Salzburg ist an Dramatik kaum mehr zu überbieten. Heute fällt die Entscheidung in Spiel sieben. <span class="copyright">GEPA</span>
Die Finalserie zwichen Bozen und Salzburg ist an Dramatik kaum mehr zu überbieten. Heute fällt die Entscheidung in Spiel sieben. GEPA

Der Kopf oder die Beine – was ist jetzt wichtiger?
Holst: In Spiel sechs ist mir bei Salzburg aufgefallen, dass sie bei jedem Gegentor entweder ein Laufduell oder einen Zweikampf verloren haben oder ihr Tor nicht gut verteidigt haben. Diese Fehler sind Zeichen von Müdigkeit – in den Beinen und auch ein bisschen im Kopf. Auch Atte Tolvanen wackelt plötzlich, davor hat er Bozen mit seinen Paraden in den Wahnsinn getrieben. Wobei Salzburg ja weiterhin gut spielt. Bozen war nicht so viel besser in Spiel sechs, aber sie haben klug gespielt. In Spiel sieben kann alles passieren, die Chancen stehen 50:50, wenn eine Mannschaft im Vorteil ist, dann Bozen mit 55:45. Aber ich glaube, alles, was bisher war, ist jetzt vergessen. Denn Salzburg hat sich in den vergangenen Tagen bestimmt erholt.

Ihr Siegertipp?
Holst: Der Bessere soll verdient gewinnen. Ich hoffe auf eine Overtime mit einem schönen entscheidenden Treffer, bloß kein Lucky Punch. Ich halte eine Overtime sogar für ziemlich wahrscheinlich. Viel hängt wie immer natürlich von den Specials Teams ab. Mit einem starken Penaltykilling steigt das Selbstvertrauen, das hat von der Energie her den Unterschied gemacht in Spiel sechs, und das nimmt Bozen mit, auch wenn Salzburg am Ende nochmal aufgeholt hat. Ich bin wirklich so aufgeregt. Ich hatte bei dem Overtime-Siegtor von Bozen in Spiel fünf Tränen in den Augen, so ein emotionaler Moment war das. Deswegen liebe ich Eishockey, ich kann es kaum noch erwarten, bis das Spiel losgeht.

Wie groß ist der Heimvorteil von Bozen?
Holst: Du spielst natürlich lieber zu Hause als auswärts, die Halle in Bozen ist ein Hexenkessel, da passen über 7000 Zuschauer rein, und es wird unvorstellbar laut sein. Aber wenn Salzburg mit ein oder zwei Toren in Führung geht, ist der Heimvorteil weg. Darum sage ich: Das erste Tor wird ganz entscheidend sein.

Bleibt noch die Frage aus heimischer Sicht: Wie bewerten Sie die Pioneers Vorarlberg?
Holst: Mir gefällt, dass man das Projekt langfristig auslegt, und ich glaube auch, dass Dylan Stanley eine gute Trainerwahl ist. Michael „Schudo“ Schurig wird als Assistant-Coach sehr wichtig. Aber die Pioneers brauchen mehr Zuschauer, und die werden nur kommen, wenn die Pioneers in der kommenden Saison einen Schritt nach vorne machen.