Der neue ÖFB-Präsident spricht Klartext

Am Samstag wird Klaus Mitterdorfer zum neuen Präsidenten des Österreichischen Fußball-Bundes gewählt.
Herr Mitterdorfer, wie intensiv waren die vergangenen Wochen für Sie, wie lief die Vorbereitung auf die Amtsübernahme?
KLAUS MITTERDORFER: Ich muss vorwegnehmen, dass (Interimspräsident) Johann Gartner das sehr gut gemacht hat. Er hat mit seiner ausgleichenden Kraft sehr stark dazu beigetragen, dass der ÖFB in der Öffentlichkeit wieder als Einheit wahrgenommen wird. Das ist der Weg, den ich fortsetzen möchte. Die Vorbereitung bestand in erster Linie aus zahlreichen Gesprächen.
Wie sind Sie überhaupt auf die Idee gekommen, sich als Kärntner Landeschef für die Position des ÖFB-Präsidenten ins Spiel zu bringen?
Ich habe immer das Gefühl gehabt, es wäre schön, wenn ich etwas zurückgeben könnte von dem, was ich habe erleben dürfen. Sei es als Spieler oder als Trainer im Fußball, der eine echte Lebensschule ist. Oder auch im Jus-Studium bis hin zu meinem Job bei der Kärntner Ärztekammer. Von meinem Naturell her bin ich so gestrickt, dass ich etwas tun, etwas bewegen will für die Menschen. Ich bin bestrebt, mich für eine Sache einzusetzen. Das war schon früher so, als Klassen-, Schul- und Soldatensprecher oder als Betriebsrat.
Wie sehr waren die Grabenkämpfe im ÖFB-Präsidium eine zusätzliche Motivation für die eigene Bewerbung?
Die Vorgänge waren sicher mit ausschlaggebend, mir war aber von vornherein klar, dass es eine sehr herausfordernde Aufgabe sein würde und dass es für mich nur dann infrage kommt, wenn es von der Mehrheit gewollt ist.
Ist die Zeit der Störmanöver vorbei, können Sie neuerliche Querschüsse ausschließen?
Ausschließen kann man gar nichts. Aber es geht darum, alle mitzunehmen und einzubinden, um sich geschlossen der Sache zu widmen. Die Leute haben ja was drauf. Ich glaube, dass das Gremium erkennt, dass es notwendig ist, sich auf die Sache zu konzentrieren und das auch mit einer gewissen Leidenschaft.
Von welchen persönlichen Erwartungen und Vorstellungen ist der Einstieg in die neue Funktion begleitet?
Wenn ich auf meine Entwicklung zurückschaue, so habe ich mir immer Ziele gesteckt und so ist es auch hier. Ich möchte für die nächsten fünf Jahre eine klare Strategie definieren unter Einbindung aller Gruppen und Personen, die im österreichischen Fußball eine Rolle spielen. Das umfasst sämtliche Bereiche, die Infrastruktur, den Spitzen- und den Breitenfußball, den Frauen-Bereich, die Schiedsrichter, Trainer und das grundsätzliche Thema des Ehrenamts.
Wie beurteilen Sie die aktuelle Entwicklung im Männer-Nationalteam?
Grundsätzlich steht der Erfolg der A-Nationalteams über allem. Und wenn, wie nun bei den Männern, eine so positive Dynamik entstanden ist, wird es auch viel leichter, sich in Ruhe anderen Themen zu widmen. Es ist schön, zu beobachten, wie sich schon jetzt mit Teamchef Ralf Rangnick und Sportdirektor Peter Schöttel die Strukturen, die Abläufe in den Nachwuchsnationalteams zum Positiven hin verändert haben. Ich glaube, dass wir in der Spitze auf einem guten Weg sind, auch bei den Frauen. Das sportliche Ziel ist es, sich regelmäßig für Welt- und Europameisterschaften zu qualifizieren und dort dann auch möglichst gut abzuschneiden.
Österreich hat sich seit 1998 nicht mehr für eine WM qualifiziert. Wird der Bann gebrochen?
Wir werden es schaffen, ich habe ein gutes Gefühl. Du spürst im Team um Rangnick eine Energie, die auf die Spieler übertragen wird. Das kann neben den fußballerischen Qualitäten schon ein entscheidender Punkt sein, dass man als zusammengeschweißtes Team auftritt. Ich bin sehr zuversichtlich.
Welche Aufgaben sehen Sie abgesehen vom Spitzenfußball als besonders vordringlich an?
Wir müssen Maßnahmen setzen, um die Kinder wieder verstärkt zum Fußball zu bringen, aber sie dann auch zu halten. 25 Prozent hören im ersten Jahr wieder auf, 60 Prozent bis zum 18. Lebensjahr. Besonderer Nachholbedarf herrscht bei den Mädchen und Frauen in der Breite. Da wird auch noch viel Überzeugungsarbeit bei den Vereinen nötig sein. Auch bei den Schiedsrichtern und in der Trainerausbildung müssen wir weiter ansetzen. Und die über 2000 Vereine in Österreich brauchen professionelle Unterstützung. Da ist angedacht, hauptberufliche Experten zur Verfügung zu stellen, die die Vereine in rechtlichen, wirtschaftlichen und organisatorischen Fragen beraten.
Zum Bereich der Infrastruktur: Wie stehen Sie zur ewigen Diskussion um ein Nationalstadion?
Das Thema ist ein immens wichtiges. Es muss einen Weg geben, um eine Lösung zu finden, auch im Zusammenhang mit dem immer wieder vorgebrachten Argument des Denkmalschutzes im Happel-Stadion. Da müssen wir mit allen Verantwortlichen diskutieren. Es geht ja nicht nur um die Nationalmannschaft, sondern auch um den internationalen Vergleich, darum, wieder Großereignisse nach Wien zu bekommen, wie etwa ein Champions-League-Finale. Was den Standort betrifft, ist der Prater natürlich unschlagbar. Kurzfristig müssen wir jetzt aber das Trainingszentrum in Aspern forcieren, für November ist der Baubeginn geplant, das brauchen wir ganz dringend.