Eine Krise, die nicht vom Himmel fällt

Bei Austria Lustenau stimmt es sprichwörtlich hinten und vorne nicht. Eine Bestandsaufnahme.
Austria Lustenau spielt wie ein Absteiger. Neun Gegentore haben die Grün-Weißen in den jüngsten beiden Partien kassiert. Natürlich waren die Gegner mit Salzburg und Rapid hochkarätig, aber die Salzburger strauchelten davor gegen BW Linz (0:1) und danach bei Klagenfurt (2:2). Rapid war vor dem Spiel gegen Lustenau gar fünf Spiele sieglos. Soll heißen: In beiden Spielen wäre mit einer kompakten, leidenschaftlichen, gierigen Leistung durchaus was möglich gewesen für die Austria.
Aber den Lustenauern fehlt es aktuell an allem, auch an der Überzeugung und somit der Körpersprache. Als Außenstehender rechnet man schon gar nicht mehr mit einem Austria-Punktegewinn. In Lustenau braucht es den berühmten Ruck durch die Mannschaft, am besten jetzt während der Länderspielpause.
Riskante Kaderplanung
Natürlich ist es ein herber Verlust für die Grün-Weißen, dass mit Matthias Maak und Baila Diallo gleich zwei Spieler in der Viererkette ausfallen. Und natürlich wiegt schwer, dass im Sturm mit Lukas Fridrikas der Torgarant ausfällt und nun auch Anthony Schmid verletzt ist. Aber die Probleme der Lustenauer liegen viel tiefer. Der Abgang von Abwehrboss Jean Hugonet wurde nicht mal ansatzweise kompensiert. Das zentrale Mittelfeld hängt in der Luft, weil die Abstände zwischen den Ketten viel zu groß sind. Und in der Offensive hat man keine Durchschlagskraft.

Dass Clermont-Leihgabe Yadaly Diaby so gar keine Lust mehr hat, in Lustenau zu spielen, merkt man dem Linksaußen beinahe in jeder Szene an. Freilich, hinterher ist man immer schlauer, auch, was Fridrikas betrifft, der unbedingt wechseln wollte. Nach der Transferphase sprach Fridrikas davon, dass er „nicht weggekommen“ sei. Stefano Surdanovic wiederum sagte, dass er sich „abgefunden“ hätte, in Lustenau zu sein. Wenn drei so wichtige Spieler eigentlich gar nicht mehr so wirklich da sein wollen, dann macht das was mit einem Team.
Durch die unsägliche Punkteteilung ist zwar noch gar nicht so viel passiert, weil die Tiroler nur drei Punkte mehr auf dem Konto haben – doch wer sich auf die Schwäche der anderen verlassen muss, wandelt auf dünnem Eis.
Es war klar, dass die Lustenauer Kompromisse bei der Kaderplanung eingehen müssen, weil der Umzug nach Bregenz die ohnehin geringen Möglichkeiten noch weiter einschränkt. Doch bei den kreativen Lösungen griffen die Grün-Weißen zuletzt fast immer daneben: Schon im Frühjahr floppten die Wintertransfers Emrehan Gedikli und Nemanja Motika, nun sind Ben Bobzien und Namory Cisse ein Stück weit von der ersten Elf entfernt. Und auch Verteidiger Boris Moltenis ist noch keine Verstärkung.
Mit Nikolai Baden und Jonathan Schmid hat man zwei namhafte Spieler verpflichtet, die jedoch völlig außer Form sind. In Summe ist das eine höchstriskante Kaderplanung. Die Lustenauer haben keinen einzigen gestandenen Spieler ohne Fragezeichen verpflichtet. Genau so präsentieren sich die Grün-Weißen jetzt. Viele Spieler sind mit sich selbst beschäftigt. Das macht es noch unverständlicher, warum Lustenau nicht bei Johannes Tartarotti zuschlug.

Fehlerkette
Zwei Punkte aus zehn Spielen, sieben Ligaspiele in Folge verloren, die wenigsten Tore erzielt, am meisten Tore kassiert: die Austria ist aktuell die schlechteste Mannschaft der Liga. Daran hat auch Trainer Markus Mader seinen Anteil, weil er bei seinen Experimenten kein glückliches Händchen mehr hat. Gegen Rapid stellte er Außenverteidiger Andersson in der Innenverteidigung auf, der dann die ersten drei Gegentore maßgeblich mitverschuldete.
Allerdings hat Mader den ganzen Sommer lang darauf hingewiesen, dass die Kader-Qualität und Kadergröße nicht ausreichen: Er wurde ständig vertröstet. Mit Moltenis, Baden, Bobzien und Jonathan Schmid verpflichtete Sportkoordinator Alex Schneider gleich vier Spieler erst nach Saisonbeginn.
Dadurch konnte Mader während der Vorbereitung nicht seriös arbeiten. Was Erinnerungen an Lustenaus Mannschaftsfoto weckt, auf das es gleich sieben Betreuer schafften, um die lichten Reihen zu füllen.
Das alles spricht den Trainer, trotz der ein oder anderen falschen Entscheidung, in vielem frei. Dennoch ist klar, dass er das schwächste Glied in Lustenaus Fehlerkette ist und eher früher als später die Wende schaffen muss. Denn so steigt Austria Lustenau ab.