„Über jeden Tag im Leben ein Buch schreiben“

Peter Hinterreiter ist eine Vorarlberger Motocross-Legende und Experte für Abenteuerreisen. Ein einziges Abenteuer ist auch sein Leben, in dem er über jedes Jahr, sagt er, ein Buch schreiben könnte.
Wenn man sich mit der Zweiradsport-, speziell mit der Motocross-Geschichte Vorarlbergs beschäftigt, kommt man um einen Namen nicht herum: Peter Hinterreiter. Der gebürtige Bludenzer hat sehr viel erlebt und vor allem gelebt, was mit einspurigen, später auch mehrspurigen Kraftfahrzeugen zu tun hat. Er hat für Heinz Kinigadner bei der Paris-Dakar-Rallye den technischen Service gemacht, war mit Niki Lauda in der Wüste, hat Jutta Kleinschmidt und Jean-Louis Schlesser verkuppelt und hat eine Haube für „Kochen in der Wüste“ von der Industrie- und Handelskammer München. Ein Gespräch mit dem sympathischen 73-Jährigen ist wie Blättern in einem Abenteuerroman, wie Schmökern in einer Motorradfachzeitschrift, wie die gedankliche Erkundung Nordafrikas.

„Ich habe in meinem Leben immer nur das gemacht, was mir Spaß gemacht hat“, erzählt Peter Hinterreiter mit einem verschmitzten Grinsen. Seit ihn sein Vater mit dreieinhalb Jahren das erste Mal auf ein Moped gesetzt hatte, war klar, welchen Weg der kleine Peter einschlagen würde. „Mit sechs bin ich den ganzen Tag im Kieswerk Zech Moped gefahren, bis ich fast umgefallen bin. Später, als Buben, sind wir mit allem gefahren, was zwei Räder hatte“, erinnert sich der pensionierte Zweiradhändler an seine Anfänge. Im Jahr 1966, mit 16 Jahren, folgte dann der erste wichtige Schritt in Richtung spätere Motorsportkarriere: der Eintritt in den Motocross-Club Montfort in Feldkirch.
Zweieinhalb Jahre im Gips
Im Jahr 1969 bestritt Peter Hinterreiter einige Rennen im Internationalen Motorsportbund für Amateure in der Schweiz. Auf seiner Bultaco el Bandido 360 fuhr er im Klassement vorne mit, hielt mit seinen Erfolgen aber, im wahrsten Sinne des Wortes, hinter dem Berg. „Ich bin unter einem Pseudonym mitgefahren, sonst hätte man mir die nationale Lizenz in Österreich entzogen. Mein Name war Michael Schenk“, erinnert sich Hinterreiter lachend und fügt hinzu: „Alle paar Jahre gehe ich auf ein Oldtimerrennen in die Schweiz, da heißt es dann: Oh, der Schenk ist da. Manche Leute kennen mich noch von früher, das sind schon lustige Situationen. Aber das ist alles schon so lange her“, wird er leicht nostalgisch.
Ein Jahr später war er schon bester Österreicher in der nationalen Klasse, bis ihn ein schwerer Unfall zurückwarf. „Beim Training für einen Weltmeisterschaftslauf in Kärnten habe ich mir einen Oberschenkelbruch zugezogen. Ich bekam eine Fettembolie und war eine Woche bewusstlos, habe sieben Blutkonserven bekommen und bin dem Tod gerade noch von der Schippe gesprungen. Ich musste alles selbst bezahlen, war finanziell ruiniert. Damals habe ich als Getreidemüller in der Schweiz gearbeitet, und die Krankenkasse der Stadt Chur hat meine Anträge abgelehnt“, erzählt Hinterreiter. Er war bis über die Hüfte eingegipst, der Rücktransport nach Vorarlberg eine Tortur. Im LKH Rankweil wurde er dann stationär behandelt. „Sie mussten mir den Gips unter Narkose entfernen, weil mich in Kärnten ohne Mullbinden eingegipst hatte. Dann wurde ich zwei Tage gestreckt und habe Morphium bekommen, wovon ich sehr schnell süchtig geworden bin“, erinnert sich der 73-Jährige an seinen Leidensweg.

In seiner Karriere hatte er mehrere schwere Verletzungen, hat sich unter anderem beide Kahnbeine auf einmal gebrochen. Heute, sagt er, merke er kaum noch etwas davon und beginnt zu rechnen: „In 15 Jahren Motocross bin ich wahrscheinlich zweieinhalb Jahre im Gips gelegen“. Dieses Jahr kamen nochmals sechs Wochen dazu. Ende Mai hatte er sich bei einer privaten Motorradausfahrt den Knöchel gebrochen.
Profi und die Liebe zur Wüste
Peter Hinterreiter wäre nicht er selbst, wenn er, wie er sagt, sich jemals von etwas abbringen lassen hätte. Bald darauf fuhr er weiter Motocross und machte 1973 die Profilizenz. „Für die Lizenz habe ich von der obersten nationalen Sportkommission in Wien einen Pass bekommen, mit dem ich dann endlich auch versichert war. Meinen ersten Sponsorenvertrag habe ich bei Bosch unterschrieben. Ich bekam eine gelbe Jacke und 1000 Schilling“, erzählt der gelernte Müller. Ein Jahr später unterzeichnete er seinen ersten Profivertrag beim Werksteam von Husqvarna, wo er sechs Jahre blieb. Die ganz großen Erfolge sollten ihm jedoch verwehrt bleiben. Doch wie so oft ließ sich Peter Hinterreiter davon nicht beirren, gewann 1983 die Tiroler Meisterschaft und hörte mit dem Motocross auf. Vorerst. Jahre später sollte er für einzelne Rennen zurückkehren und verbuchte im Jahr 1992 tatsächlich seinen größten Erfolg: Bei der „Optic2000“ Rallye in Tunesien siegte er in der Motorrad-Zweizylinder-Wertung. Zu dieser Zeit kannte er die Wüste längst. Kennengelernt hat er sie auf einen Tipp hin von der Vorarlberger Rennsportlegende Konrad Stückler. Dieser erzählte ihm von einer Gruppe von Schweizern, die mit BMW Maschinen nach Algerien wollten. Und natürlich schloss Hinterreiter sich ihnen an. „Eigentlich hatten wir keine Ahnung, wollten nur die Paris-Dakar anschauen. Und dann sind sechs der sieben Motorräder kaputtgegangen“, so der Bürser. Ein prägendes Erlebnis.

Peter Hinterreiter begann daraufhin selbstständig, die Maschinen zu verbessern und zu testen. „Ich habe Originalteile verwendet und diese verbessert. Das hat ausgezeichnet funktioniert. Aber bei BMW hieß es nur: Was BMW und Gott zusammenschweißt, kann ein kleiner Zweiradhändler aus Vorarlberg nicht verbessern“, erzählt Hinterreiter etwas zynisch. Aber die Reise nach Algerien sollte eben insofern prägend sein, als dass er erstmals seine Liebe für die Wüste entdeckte.
Paris-Dakar für das KTM-Team
„Irgendwann habe ich Heinz Kinigadner auf einer Messe getroffen. Wir haben uns gekannt, sind aber nie in derselben Klasse gefahren. Dann bin ich 1993 auf der Tunesien-Rallye mit dem Servicemobil für ihn mitgefahren. Mit dem Pinzgauer seines Onkels. Von 1994 bis 1996 habe ich dann das KTM-Rallyeteam betreut, 1996 eben bei der Paris-Dakar. Als einziges deutschsprachiges Team sind wir mit unserem Rallye-Lkw innerhalb der Wertung ins Ziel gekommen. Wir bekamen viel Aufmerksamkeit, ich habe daraufhin viele bekannte Rallyefahrer kennengelernt“, berichtet Hinterreiter. Er machte sich schnell einen Namen als Servicemann, kümmerte sich um das Auto von Jutta Kleinschmidt. „Wir hatten ein gutes Verhältnis, durch mich hat sie ihren späteren Partner Jean-Louis Schlesser kennengelernt. Von da an hatte ich bei ihm einen Stein im Brett“, lacht der Pensionist. Er war bei den Rallyes nicht nur technischer Begleiter, sondern im Fahrerlager für die Verpflegung zuständig. Besonders beliebt waren seine Kässpätzle. Seine Kochkünste brachten ihm eine Haube für „Kochen in der Wüste“ ein.

Team Hinterreiter
All die Erfahrungen, die Peter Hinterreiter bei den Rennveranstaltungen in der Wüste machte, sollten die Grundlage für die Gründung seines Unternehmens sein. Mit dem „Team Hinterreiter“ organisierte er Motocross- bzw. Abenteuerreisen nach Algerien, Marokko, Tunesien, Libyen – manchmal auch nach Niger und Mali. Für Privatleute die auf dem Zweirad das Abenteuer in der Wüste suchen. Vom Visum über die Versicherung bis hin zum Vehikel – alles inklusive. „In Libyen war vieles verboten, der Flugverkehr beispielsweise war sehr eingeschränkt. Aber es gab Beziehungen zur Familie Gaddafi. Das hat einiges erleichtert. Wir hatten sehr vermögende Leute dabei, die mussten sich doch täglich spezielle Speisen und Champagner einfliegen lassen“, lacht Hinterreiter und schüttelt den Kopf. Auch Niki Laudawar unter seinen Gästen. Es sei eine enorme Herausforderung gewesen, wenn man mit 30, 40 Leuten in der Wüste unterwegs ist.
Bis ins Jahr 2015 gab es das Team Hinterreiter, dann ging es für ihn in die Pension. Diese genießt Peter Hinterreiter mit seiner Frau Marion, entweder auf ihrem Boot auf dem Bodensee, im Wohnmobil oder der ein oder anderen ausgedehnten Afrikareise. Peter Hinterreiter hängt immer noch sehr an der Wüste, und es gäbe noch unzählige Geschichten über ihn und sein bewegtes Leben zu erzählen. Denn, wie er selbst sagt, er könnte über jedes einzelne Jahr ein Buch schreiben.