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„Wer das nicht macht, hat ein Problem mit mir“

14.01.2024 • 13:39 Uhr
„Wer das nicht macht, hat ein Problem mit mir“
Andreas Heraf bei Austrias Kurztrainingslager in Au, bei dem auch ein Spaß-Biathlon auf dem Programm stand. Klaus Hartinger

Austria-Trainer Andreas Heraf über seine Erwartungen an die Mannschaft und welcher Spieler noch gehen könnte.

Ist eine der größten Chancen der Austria, dass viele Lustenau keine Chance mehr auf den Klassenerhalt geben?
Andreas Heraf: Bei der Formulierung eine der größten Chancen gehe ich mit, die größte Chance ist es aber nicht. Denn es reicht ja nicht, wenn uns die anderen vielleicht etwas unterschätzen, wir müssen die Leistung schon selber bringen. Dennoch birgt die aktuelle Situation eine ganz spezielle Form der Motivation, denn sie bietet mir unter anderem die Möglichkeit, bei einer Gruppe von jungen Männern an die Ehre zu appellieren. Was nicht zu unterschätzen ist. Das kann wirken. Ob es wirkt, dafür ist jeder Spieler selbst durch seine Einstellung verantwortlich. Wir müssen unsere Leistung bringen, wenn uns das gelingt, kann es sein, dass wir damit die Konkurrenz überraschen.

Das erste Rückrundenspiel findet gegen den wohl einzigen direkten Konkurrenten Tirol statt. Ein Sieg am Tivoli wäre ein Wirkungstreffer?
Heraf: Das Wort Wirkungstreffer gefällt mir. Denn ich glaube, ein Sieg würde tatsächlich Wirkung zeigen. Ein Sieg würde Tirol und auch dem Rest der Liga aufzeigen, dass wir da sind und wir in jedes Spiel gehen, um zu gewinnen. Auch in Spielen gegen Rapid oder Salzburg ist was zu holen – du brauchst einen sehr guten Tag und vielleicht auch etwas Glück, aber im Fußball sind solche Sensationen möglich. Ich will trotzdem die Bedeutung des Spiels in Innsbruck nicht zu hoch hängen. Wir dürfen uns nämlich nicht zu sehr auf dieses Spiel fokussieren. Denn was machen wir, wenn wir dieses Spiel verlieren? Wir wollen es nicht hoffen, aber das kann passieren. Wenn wir jetzt von einem richtungsweisenden Spiel sprechen würden und in Innsbruck nichts holen, dann ist danach doch jeder am Boden. Nein, nein. Wir haben im Frühjahr 15 Spiele, und wir werden in diesen 15 Spielen nicht ungeschlagen bleiben. Sollte das Auftaktspiel in Tirol eines der Spiele sein, das wir verlieren, dann war es eine vergebene Chance, aber kein Beinbruch – auch dann ist noch immer alles möglich. Weil es am Ende durch die Punkteteilung nur um 1,5 Punkte geht.

„Wer das nicht macht, hat ein Problem mit mir“
Heraf hat sehr klare Vorstellungen davon, wie der Klassenerhalt möglich ist und was er vor seinen Spielern erwartet. Klaus Hartinger

Also ist das Auftaktspiel gegen Tirol kein Schlüsselspiel?
Heraf: Für ein Schlüsselspiel ist es noch zu früh. Es ist natürlich schon ein bisschen wichtiger als andere Spiele, ganz einfach, weil es das erste unter mir als neuem Trainer ist. Ein Erfolgserlebnis würde viele Kräfte freisetzen. Man darf auch eines nicht vergessen: Die Tatsache, dass Tirol nur einen Platz vor uns liegt, schließt ja schon mit ein, dass auch dort womöglich die Qualität der Mannschaft nicht so hoch ist und auch dort womöglich die Dinge nicht so gut gelaufen sind, wie erhofft. Es ist ein Spiel auf Augenhöhe, in das wir mit neuem Schwung gehen.

Inwieweit haben Sie sich mit dem Herbst der Austria beschäftigt – wie tief geht man als neuer Trainer in die Nachbetrachtung, wie intensiv ist die Videoanalyse?
Heraf: Dadurch, dass ich ja in Vorarlberg war, war ich an meinen Wochenenden entweder bei Unterhaus-Spielen oder in Altach oder Lustenau. Ich habe die Austria vier Mal live im Stadion gesehen, unter anderem das Derby in Altach am vorletzten Herbstrundenspieltag. Nach meiner Trainer-Bestellung habe ich mir das ein oder andere Austria-Spiel als Video runtergeladen, aber ich bin bei der Analyse nicht so in die Tiefe gegangen, wie ich das bei einem Spiel unter meiner Leitung mache. Mein Amtsantritt ist ein Neustart, wir beginnen alle bei null, da hilft es nicht, zu sehr in der Zeit vor mir herumzugraben. Die ganz großen Probleme sind ja ohnehin offensichtlich: Man hat zu viele Tore zugelassen, zu viele davon bei Standards, man hat zu wenig Tore erzielt. Das habe ich mir natürlich angeschaut, aber es geht jetzt darum, meine Pläne relativ schnell umzusetzen, und nicht primär um die Aufarbeitung der bisherigen Spiele.

Wenn Sie das Derby in Altach ansprechen: Zu dieser Zeit wurden Sie ja schon als möglicher Kandidat gehandelt. Schaut man sich dann als Trainer so ein Spiel mit anderen Augen an?
Heraf: Ich wusste, dass eine Anfrage kommen könnte, und habe dadurch etwas genauer hingeschaut. Nach dem Spiel war mir klar, dass viel Arbeit auf mich zukommen würde, wenn ich tatsächlich in Lustenau landen würde. Die Anfrage kam, ich wollte es machen, und wir sind jetzt am Arbeiten.

Es gab im Herbst angedachte Leistungsträger, die enttäuscht waren, dass sie im Sommer nicht wechseln durften, oder nicht den Eindruck machten, sonderlich glücklich in Lustenau zu sein. Wie können Sie diese Spieler wieder in die Spur bringen?
Heraf: Das sind Profis, die ihren Lebensunterhalt mit Fußball verdienen. Wenn man im Leben ein Commitment, eine Verpflichtung eingeht, dann gilt es, sich daran zu halten. Egal ob im Privatleben in einer Beziehung oder im Berufsleben mit einem Arbeitsvertrag. Sie haben mich in einem Artikel als unbequemen Trainer bezeichnet. Wenn Sie damit meinen, dass ich Dinge direkt anspreche, dann bin ich gerne unbequem. Wenn Spieler beleidigt sein sollten, weil sie im Sommer keine Angebote von anderen Vereinen bekommen haben, oder sich gewisse Spieler in einer besseren Position gesehen haben, dann interessiert mich das nicht. Wobei ich dazusagen muss, dass ich davon nichts weiß und auch nichts wissen will. Die Spieler haben Vertrag, und ich fordere von jedem Spieler Leistung. Das heißt, ich fordere, dass sich jeder Spieler in den Dienst der Mannschaft stellt und sein Bestmögliches gibt. Wer das macht, hat mit mir nie ein Problem. Wer das nicht macht, hat mit mir ein Problem. Das war so, und das wird immer so bleiben. Wobei das ja gar nichts mit mir selbst zu tun hat. Ich vertrete dann ja nur die Interessen des Vereins und der Mannschaft. Denn ich bin felsenfest davon überzeugt, wenn du nicht elf Spieler hast, die am selben Ziel arbeiten, dann wirst du das Ziel nicht erreichen. Vielleicht zwischendurch mal mit Glück, aber nicht dauerhaft. Wir brauchen jeden Spieler, wer nicht mitmachen will, für den wird es schwierig.

Nikolai Baden hatte im Herbst praktisch keine Präsenz am Platz. Gehört er zu den Spielern, für die es schwierig unter Ihnen wird?
Heraf: Ich habe mich wie gesagt nicht in der Tiefe mit dem Herbstdurchgang beschäftigt, aber es ist mir nicht verborgen geblieben, dass seine Leistung schlecht war, das muss ich so offen sagen. Auch seine Außendarstellung war nicht unbedingt ­positiv. Nikolai hat die Erwartungen des Vereins definitiv nicht erfüllt.

Nikolai Baden gab keine gute Figur im Herbst ab. <span class="copyright">APA</span>
Nikolai Baden gab keine gute Figur im Herbst ab. APA

Das klingt so, als hätte Baden ­keine große Zukunft mehr in Lustenau?
Heraf: Wir werden sehen, was die nächsten Wochen bringen. Ich möchte da eigentlich gar nicht zu viele Worte verlieren. Wenn er bleiben sollte, dann ist er einer meiner Spieler, und dann verlange ich das, was ich vorhin angesprochen habe. Wenn er das nicht leisten kann oder möchte, dann wird es schwierig für ihn. Wenn er sich aber so integriert, dass er Vollgas gibt, ist er ein weiterer Kaderspieler, der meine Möglichkeiten vergrößert, und wenn er sich durchsetzt, dann spielt er. Das gilt für jeden. Das sage ich auch der Mannschaft: Mir ist völlig egal, welche elf Spieler am 11. Februar auflaufen. Ich habe alle gleich gern und mache keine Unterschiede. Ich muss die suchen, mit denen wir gewinnen können, denn darum geht es.

Das heißt?
Heraf: Eine gewisse Wechselwahrscheinlichkeit ist bei Nikolai vorhanden. Wobei das eine Vereinsentscheidung ist. Ich trage die Entscheidung mit, weil es mir ganz einfach egal ist. Wenn er da ist, ist er da, wenn er nicht da ist, ist er nicht da. Es geht nicht um Einzelne, es geht um den Verein.

Die bisherigen beiden Neuverpflichtungen sind Spieler, die bereits unter Ihnen gespielt haben. Wie tief eingebunden sind Sie in die Personalplanungen?
Heraf: Es geht nur miteinander. Der Verein entscheidet, weil sich die Austria den Spieler auch leisten können muss. Ich bin im engen Austausch, wir sind im zentralen Mittelfeld auf der Suche und suchen auch noch nach einem schnellen Spieler für die Offensive. Wir tauschen da aktuell viele Profile aus, es wird auf diesen Positionen aller Voraussicht nach noch was passieren. Aber wir holen keinen Spieler, nur um was gemacht zu haben. Es muss schon passen. Aber ja, ich werde natürlich eingebunden, denn ich muss mit den Spielern dann ja auch arbeiten.

Es ist eigentlich relativ offensichtlich, dass die Austria noch einen Schlüsselspieler für die Offensive braucht.
Heraf: Sehr viele Vereine wünschen sich einen Schlüsselspieler. Es ist aber verdammt schwierig, im Winter Unterschiedsspieler zu bekommen. Welcher Verein gibt denn im Winter einen Top-Spieler ab? Und wenn doch, aus welchem Grund? Wir arbeiten hart daran, einen Unterschiedsspieler zu bekommen, aber es braucht im Winter auch ein bisschen Glück, oder sagen wir so: glückliche Umstände. Wenn wir Spieler holen können, die ich kenne, dann weiß ich, was sie uns geben können.

Auf was kommt es im Frühjahr ganz besonders an?
Heraf: Ein sehr wichtiger Faktor ist, dass wir fit sind. Als neuer Trainer, der mitten in der Saison übernimmt, hat man immer so ein bisschen die Sorge, dass mitunter der Fitnesszustand der Mannschaft nicht gut ist. Aber das ist in Lustenau in keinster Weise der Fall, ich kann mich auf taktische Dinge konzentrieren. Was sehr gut ist, denn die Vorbereitung ist sehr kurz.

Letztendlich wird man nur als Einheit den Klassenerhalt schaffen?
Heraf: Genau. Es ist eine Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Abstiegskampf, dass wir alle zusammenhalten. Dahingehend wird es spannend sein, wie sich die Spieler verhalten, die nicht in der ersten Elf sind und vielleicht auch nicht regelmäßig eingewechselt werden. Es wird Entscheidungen geben, die hart sind. Die Spieler müssen diese Entscheidungen im Sinne des Vereins akzeptieren. Sie müssen akzeptieren, dass ich gewisse Vorstellungen habe und diese Vorstellungen vom Verein gewollt sind – sonst hätte man mich nicht geholt.

Wie zufrieden sind Sie mit der bisherigen Vorbereitung?
Heraf:
Wir sind auf einem guten Weg, weil wir jeden Tag intensiv nutzen. Das Kurztrainingslager in Au war vor allem wichtig für die Stimmung. Beim Trainingslager in Belek vom 24. bis 31. Jänner können wir an den Feinheiten arbeiten, so, wie ich höre, sind dort die Bedingungen perfekt. Die Austria war schon im Vorjahr dort, der Platz liegt direkt neben dem Hotel. Hoffentlich spielt das Wetter mit, auch das ist eine Prise Glück, die wir im Abstiegskampf gut brauchen können. Ganz wichtig wird sein, dass wir im Frühjahr von Verletzungen verschont bleiben, weil wir gewisse Ausfälle nicht kompensieren könnten.

Beim Kurztrainingslager in Au wurde der Spaß großgeschrieben. Heraf lief einen starken Biathlon, versenkte dabei an der Torwand alle drei Versuche. <span class="copyright">Klaus Hartinger</span>
Beim Kurztrainingslager in Au wurde der Spaß großgeschrieben. Heraf lief einen starken Biathlon, versenkte dabei an der Torwand alle drei Versuche. Klaus Hartinger

Im Abstiegskampf entscheiden oft die Standards.
Heraf: Absolut, das ist mein Credo. 19 der 40 Gegentore hat die Mannschaft im Herbst nach Standardsituationen kassiert. Das ist viel zu viel. Deshalb werden wir im Frühjahr bei der Verteidigung der Standards einiges verändern. Es gilt, zwei Schritte zu machen: Die Anzahl der Standards gegen uns an sich zu verringern und die Standards besser zu verteidigen. Weniger Standards und prozentuell weniger davon zu Gegentoren führen zu lassen, bedeuten eine deutlich größere Chance auf Punkte. Gleichzeitig gilt es, die Zahl der eigenen Tore nach Standards zu erhöhen, was die Chance auf Punkte noch mehr erhöht. Das heißt also, die Standards sind ein wichtiger Hebel, für den es mehr Kompromisslosigkeit braucht. Wir trainieren die ganze Woche für ein Spiel, das 90 Minuten dauert. Eine Standardaktion ist in einer Sekunde vorbei. Ist man in diesem Augenblick nicht wach, kann der ganze Einsatz davor wertlos gewesen sein. Bei Standards muss man bereit sein, sich eine blutige Nase zu holen.

Was hat sich bei der Austria seit dem Ende Ihrer ersten Trainer-Amtszeit in Lustenau verändert?
Heraf: Wir spielen eine Liga höher, es ist professioneller geworden, aber der Verein ist familiär geblieben. Das macht die Austria aus. Ich habe Leute wiedergetroffen, die schon damals im Verein waren, das war sehr speziell.

Wie war das Wiedersehen mit Lotte Reheis, der Wäschefrau der Austria, die von den Spielern als „Mama“ bezeichnet wird?
Heraf: Das war sehr schön, wobei ich mit ihr immer im Kontakt geblieben bin. Auch jetzt im Herbst, wenn ich bei den Spielen war. Sie ist ein Herz von einer Frau.

Sie haben Hubert Nagel immer „mein Präsident“ genannt. Haben Sie ihn schon getroffen, seit Sie Austria-Trainer sind?
Heraf: Freilich, er war mein erster Präsident als Trainer und bleibt „mein Präsident“. Ich habe ihn zu Hause besucht und bei einem Kaffee über die alten Zeiten geredet. Ich würde mich freuen, wenn er wieder mal ins Stadion käme, auch wenn er sich mit der Situation schwertut.

„Wer das nicht macht, hat ein Problem mit mir“
Eine Momentaufnahme aus alten Zeiten: Andy Heraf im Jänner 2005 mit Austria-Präsident Hubert Nagel. Archiv NEUE

Ist es ein Ziel von Ihnen, die Austria 2025 als Trainer in das neue Reichshofstadion zu führen?
Heraf: Das ist noch weit weg, für den Verein wäre es sehr wichtig, dass man bei der Stadioneröffnung in der Bundesliga spielt. Wenn ich dann noch da bin, heißt das, dass ich erfolgreich gearbeitet habe. Es wäre etwas Besonderes, als Heimtrainer in eine Stadioneröffnung zu gehen. Weil das ein markanter Punkt in der Historie eines Vereins ist.

Zum Schluss kann es in dieser Woche nur eine Frage geben: Was sagen Sie zum Tod von Franz Beckenbauer?
Heraf: Es macht mich traurig, weil er ein überragender Fußballer und als Mensch eine Kultfigur war. Obwohl er Deutscher war, hatte er diesen österreichischen Schmäh, er hat ja auch in Österreich gewohnt. Ich glaube, Franz hat ein sehr schönes und erfülltes Leben geführt, ich hätte ihm das ein oder andere Lebensjahr mehr gewünscht. Aber er war ja leider sehr krank. So ist das Leben. Wir können uns das Ende nicht aussuchen.