Auch Wüstner geht in die Handball-Pension

Hards Abwehrchef Frédéric Wüstner (31) beendet am Saisonende nach 25 Jahren seine aktive Karriere. Private Einblicke des sechsfachen HLA-Meisters.
Drei Tage vor dem zweiten Ländle-Derby gab (nach Kapitän Dominik Schmid und linker Flügel Luca Raschle) mit Frédéric Wüstner der dritte Stammspieler des Alpla HC Hard seinen Rücktritt mit Ablauf der Saison bekannt. Damit steht den „Roten Teufeln“ ein einschneidender Umbau bevor, unter anderem durch Neuverpflichtungen wie jener des 24-jährigen Isländers Tumi Steinn Rúnarsson.
Somit könnte das Derby am Mittwoch (18 Uhr/Handballarena Rieden-Vorkloster) das letzte in der langen Karriere des Harder Abwehrchefs werden. Allerdings ist sein Antreten gegen seinen ehemaligen Stammklub Bregenz mehr als unsicher. Im Training vergangene Woche stürzte Wüstner „wie schon viele Male zuvor“ aufs Knie, das Ergebnis der MRT-Untersuchung steht noch aus – im Raum steht eine Verletzung am hinteren Kreuzband, welche wohl früher als geplant zum Ende der Karriere führen würde.

Start in Bregenz
Eine Karriere, die im zarten Alter von sechs Jahren in Bregenz begann. „Mein erster Trainer bis zur U20 war Markus Stockinger, unter Martin Liptak kam ich dann als 17-Jähriger zu ersten Einsätzen und Toren in der ersten Mannschaft“, erinnert sich Wüstner. Der Held bzw. das Vorbild dieser jungen Jahre war Roland Schlinger, „daher auch meine frühere Rückennummer 10“. Der aufstrebende Athlet erlebte die Blütezeit von Bregenz, Allzeit-Größen wie Dagur Sigurdsson, Conny Wilczynski usw. prägten seine Vorstellung von Professionalität und Einsatz. Viel gelernt habe er auch von Trainern wie Markus Burger, Petr Hrachovec oder dem dänischen Europameister Bo Spellerberg in seiner Zeit bei St. Gallen, wo Wüstner von 2018 bis 2022 unter Vertrag stand. Und seinem aktuellen Trainer, Hannes Jon Jonsson, streut Wüstner ebenfalls Rosen: „Ich bin froh, dass ich zum Abschluss meiner Karriere einen Trainer habe, mit dem ich ein sehr wertschätzendes Miteinander pflegen darf.“ Froh ist er auch über die „vielen Bekanntschaften, Freundschaften, Netzwerke. Ich konnte über den Sport auch menschlich wachsen. Es waren wichtige Lektionen, sich zurückzukämpfen, wenn es einmal nicht läuft oder nach Verletzungen. Titel sind natürlich auch sehr schön, aber die zuvor beschriebenen Punkte sind letztlich entscheidender für das Leben“.

Bruch mit Stammverein
2010, der 18-Jährige besuchte da die Handball-Akademie Mehrerau, gab es einen – hier nicht näher beleuchteten – Bruch mit seinem Stammverein. Wüstner hängte die Handballschuhe vorübergehend an den Nagel, entdeckte andere Sportarten wie Kickboxen und Mountainbiken. Letzteres praktiziert er nach wie vor, künftig noch intensiver, unternimmt mit Gattin Tatjana ausgedehnte Touren etwa in der Toskana. Doch der Handball ließ ihn nicht los, auch weil der kürzlich verstorbene, damalige Hard-Manager Hansjörg Füssinger ihm ein Angebot unterbreitete. „Hansjörg bin ich nach wie vor sehr dankbar, er hat mich sehr wertschätzend behandelt und meinen Wechsel nach Hard eingeleitet. Das war dann mit Markus Burger eine äußerst erfolgreiche Zeit. Klar, die entsprechenden Spieler waren mit Krsmancic, Tanaskovic, Doknic oder Kozina vorhanden. Aber der Verein hat viel in das Zwischenmenschliche investiert und das Team so lange beisammenhalten können“, erinnert sich Wüstner an erfolgreiche Jahre mit fünf HLA-Titeln und zwei ÖHB-Pokalsiegen.
2018 zog es ihn ins benachbarte Ausland, wurde von St. Gallen als Abwehrchef geholt. Hier holte der in seinen Anfängen oft „übermotivierte“ Defensiv-Spezialist unter Spellerberg seinen Feinschliff, war 2019 bei der Handball-WM in Dänemark/Deutschland Teil des ÖHB-Nationalteams. 2022 kehrte der mittlerweile 30-Jährige zurück nach Hard und verhalf der zu jener Zeit schwächelnden Abwehr zu neuer Stabilität und Klasse.
Man spürt Zufriedenheit und auch etwas Stolz, als Wüstner von seiner sportlichen Entwicklung und Reifung erzählt: „Angefangen habe ich ja im linken Rückraum, war auf einem guten Weg. Dann hatte ich mit 21 Knieprobleme, eine chronische Patellasehnen-Reizung. Ab da konnte ich nur noch in der Abwehr spielen. Heute bin ich stolz, dass ich hier meine Position gefunden habe und meinen Platz im Gesamtkonstrukt.“ Neben der körperlichen Präsenz spielt in der Abwehr vor allem Erfahrung eine große Rolle, erklärt Wüstner: „Klar, als Junger ist man häufig einen Schritt zu spät, lässt sich vom Angreifer täuschen. Als reifer Abwehrspieler agiert man statt zu reagieren und kommuniziert intensiv mit allen Teilen der Mannschaft.“

Fokus auf Beruf
Neben dem Sport stellte der Marketing-Experte früh die beruflichen Weichen: nach der Matura (2011) folgten das HAK-Kolleg, ein Bachelor-Studium an der FH Vorarlberg und der Master (Communication, Culture & Management) an der Zeppelin-Uni Friedrichshafen. Seit Februar ist Wüstner in der Agentur „Silberball“ des ehemaligen Bregenz-Präsidenten Michael Casagranda, die sich mit strategischer Markenentwicklung beschäftigt, als Consulter tätig. Aktuell zu 50 Prozent – nach dem Karriereende steigt der Master dann voll ein. „Ich bin in der Agentur die Schnittstelle zwischen Firma und Kunden, kann hier meine auch im Sport erworbenen Fähigkeiten im Bereich Marketing einbringen. Es ist jetzt die richtige Zeit, mich auf einen Job voll zu konzentrieren.“

Familie ist das Wichtigste
Die Erleichterung, ab dem Sommer nicht mehr alles dem Sport unterzuordnen, ist im Gespräch deutlich spürbar. „Es ist schon so, dass die langen Auswärtsfahrten zunehmend Energie kosten. Und mit Job und Familie sind dann die Regenerationszeiten nicht mehr so ausgeprägt vorhanden wie früher“, lacht der sympathische zweifache Vater, während Sohn Maximilian (5) gerade nach einer Runde auf dem Trampolin kurz vorbeischaut. Zum Glück hat er mit Jonsson einen Trainer, der aus eigener Erfahrung weiß, dass man erfahrenen und reifen Spielern manch harte Einheit ersparen kann: „Ja, Hannes ermöglicht seiner Ü30-Truppe, nach intensiven Belastungen wieder zu Kräften zu kommen. Wir müssen nicht immer jede taktische Variante erarbeiten, da ist bei uns vieles automatisiert.“
Dass künftig das Private im Vordergrund steht, bringt viel Entspannung in die junge Familie. „Seit mit Alexander unser zweites Kind auf der Welt ist, haben sich die Prioritäten natürlich verschoben. Meine Frau nimmt mir derzeit sehr viel ab, damit ich mich auf Sport und Beruf konzentrieren kann. Jetzt ist es Zeit, mehr für meine Familie da zu sein. Maximilian spielt Fußball, nun kann ich auch am Wochenende bei Spielen dabei sein und auch sonst möglichst viel Zeit mit ihnen verbringen.“ Tatjana, die Sohn Alexander (15 Monate) im Arm hat, sieht beide Seiten des Karriereendes: „Natürlich freue ich mich grundsätzlich über diese Entscheidung. Mit zwei Kindern ist es fein, wenn Frédéric nun auch am Wochenende da ist. Und auch Freundschaften mit anderen Familien lassen sich jetzt leichter pflegen – andere Männer haben ja meistens auch am Wochenende frei. Aber natürlich weiß ich auch, welche Bedeutung der Handball-Sport in seinem Leben hat. Und noch kann er auch auf Top-Niveau spielen. Aber irgendwann muss der Schritt gemacht werden, und für die Familie ist es jetzt die richtige Zeit.“
Dem Handball will Wüstner verbunden bleiben, „allerdings nicht mit Wochenend-Einsätzen“. Für alles andere ist er offen, lässt es aber wie die „Handball-Pension“ auf sich zukommen.