Sport

Altachs vermeidbarer Abstiegskrimi

06.05.2024 • 16:27 Uhr
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Altachs Verantwortliche: Geschäftsführer Christoph Längle, Sportdirektor Roland Kirchler und Trainer Joachim Standfest. GEPA/Lerch

Monatelang träumten sie beim SCR Altach vom Europacup. In Wahrheit ist man nach nur 2 Siegen in den letzten 22 Ligaspielen noch nicht gerettet. Gedanken zur SCRA-Misere.

Wie es die Altacher schaffen, mit ihrem üppigen Budget Jahr für Jahr so tief im Abstiegssumpf zu stecken ist fast schon ein Kunststück. Mit einem Etat von rund elf Millionen haben die Rheindörfler nämlich praktisch so viel Geld zur Verfügung wie Hartberg, Tirol und Lustenau zusammen. Doch das Geld, das man sich so klug erwirtschaftet, verschwendet man regelrecht bei der sportlichen Planung. Zwei Spieltage vor Schluss sind die Altacher immer noch nicht gerettet. Es fehlt immer noch ein Punkt. Und dadurch ist man weiterhin der letzte Strohhalm für Austria Lustenau. Wenn die Lustenauer nicht so eine Katastrophensaison spielen würden, wäre die Lage noch viel brenzliger bei den Rheindörflern. Das zeigen die Fakten klar auf. Die Altacher haben in dieser Saison, die unsägliche Punkteteilung nicht berücksichtigt, 27 Punkte geholt, 9 davon gegen die inferioren Lustenauer, die in Summe bis jetzt 17 Punkte holten.

Das bedeutet: Gegen die Teams auf der anderen Seite des Arlbergs haben die Altacher nur einen Punkt mehr geholt als die über weite Strecken nicht bundesligataugliche Lustenauer Austria. Eigentlich eine sportliche Bankrotterklärung. Sprachlos lässt einem auch zurück, dass der SCRA seit dem 1. Oktober nur 2 von 22 Ligaspielen gewinnen konnte – eben gegen Lustenau. Das ist indiskutabel bei den Möglichkeiten der Altacher, zumal man in diesem Zeitraum trotz der Derbysiege nur einen Punkt mehr holte als die Austria. Soll heißen: Die Tabelle lügt nicht. In Altach wird wie schon in den Vorjahren weiterhin keine gute Arbeit geleistet.

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Christoph Längle ist zum Gesicht des Altacher Dauer-Abstiegskampfs geworden. GEPA/Lerch

Echokammer

Altachs größtes Problem ist, dass man sich eine Echokammer geschaffen hat. Eigene Fehler werden klein geredet, Kritik von außen wird als Anfeindung eingestuft. Deshalb machen die Altacher auch Jahr für Jahr dieselben Fehler, das erachtete vor zwei Jahren schon Klassenerhalts-Trainer Ludovic Magnin als charakteristisch für den SCRA – nach nur einem halben in Altach wohlgemerkt. Der Schweizer offenbarte nämlich bei seinem Abschied hinter vorgehaltener Hand, dass die Lernkurve beim SCRA gegen null ginge. Im Sommer 2023 jedenfalls offenbarte ein zufriedener SCRA-Geschäftsführer Christoph Längle, dass er bei der Kaderzusammenstellung mitgewirkt habe und sehr nahe dran war an den sportlichen Entscheidungen. Wie frei der eigentliche Sportdirektor Roland Kirchler entscheiden kann, ist unklar.

Warum Längle bei der Kaderplanung nach wie vor mitmischt ist unerklärlich: Der Mann ist ein sehr gewiefter Geschäftsführer und als solcher Gold wert für den SCRA, aber seine Qualitäten als Kaderplaner sind nachweisbar überschaubar. Die Liste seiner Fehlentscheidungen ist lang, wie zum Beispiel die Trainerhistorie der Rheindörfler offenlegt. Und sowieso: Die Altacher sind so breit und professionell aufgestellt, dass es Längle nicht als Hansdampf in allen Gassen braucht. Dadurch erinnert er nur an Austria Lustenaus Langzeitpräsidenten Hubert Nagel, der sich ebenfalls in allen Bereichen berufen fühlte, das letzte Wort zu haben. Ein gutes Ende nahm das mit ihm nicht in Lustenau.

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Lukas Fadinger am Boden zerstört – ein Sinnbild für Altachs Lage. GEPA/Lerch

Traum vom Europacup

Unverständlich ist aber auch, wie sie in Altach monatelang die sportliche Realität ausblenden konnten und ständig vom Europacup sprachen. Auf Fragen nach dem Abstiegskampf reagierte man beim SCRA eher genervt. Das rächt sich jetzt bitterlich für die Rheindörfler, die plötzlich den Hebel umlegen müssen. Die Situation erinnert frappierend an die Abstiegssaison von Admira Wacker. Die Niederösterreicher führten in der Saison 2021/22 fünf Runden vor Ende die Tabelle in der Qualifikationsrunde an und kamen gedanklich erst am vorletzten Spieltag im Abstiegskampf an: So wie jetzt Altach, die sich im Frühjahr wochenlang an den sicherlich mehrheitlich ordentlichen Leistungen berauschten. Die fehlenden Siege wurden mehr oder minder nur als Makel betrachtet. Als unglückliche Fügung aus Pech und fehlendem Glück.

Doch eine schlechte Chancenverwertung ist eben ein Merkmal von Abstiegskandidaten, weil sie von mangelnder individueller Qualität zeugt. Eine fehlende Abschlussstärke hat vor allem mit mangelhafter Schusstechnik, fehlender Spielintelligenz und Nervenstärke zu tun. Und diese Qualitäten sind im SCRA-Kader sehr rar gesät, trotz der vielen Millionen, die man für den Kader zur Verfügung hat. Was den Kreis wieder schließt.

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Ein Altacher Transfer-Flop mit Ansage: Christian Gebauer. GEPA/Lerch

Horrorszenario

Am Samstag müssen die Rheindörfler an den Tivoli, wo Thomas Silberberger nach elf Jahren seinen, wohlgemerkt freiwilligen, Abschied als WSG-Trainer gibt. Silberberger wünscht sich freilich einen Sieg bei seinem letzten Heimspiel – an Motivation wird es den Wattenern also nicht fehlen. Wenn die Altacher so wie zuletzt auftreten, wird’s schwierig mit dem Punkt und damit der Rettung aus eigener Kraft. Die Lustenauer empfangen zeitgleich Blau-Weiß Linz. Gut für Altach ist, dass Blau-Weiß Linz im Rennen um einen Europacup-Playoff-Platz ist. Gut für Altach ist auch, dass bei den Lustenauern mit Lukas Fridrikas und Anderson zwei Schlüsselspieler ausfallen.

Aber die Grün-Weißen haben auf den Scheiß-Egal-Modus umgestellt und werden am Samstag alles auf eine Karte setzen. Denn zu verlieren hat die Heraf-Elf nichts mehr. Die Lustenauer können nur versuchen, beide restlichen Spiele zu gewinnen – eine andere Chance haben sie nicht mehr. Sollte der Abstiegskampf auch nach der 31. Runde noch offen sein, würde die Entscheidung tatsächlich beim Derby in Altach fallen. Dass dann die Lustenauer das Momentum auf ihrer Seite hätten ist absehbar. Denn in Altach würden bei solch einem Abstiegsderby die Nerven blank liegen, auch ob der vorgestellten Erweiterung der Cashpoint-Arena um 15 Millionen Euro. Druck hätten nur die Altacher, weil die Grün-Weißen gefühlt seit einem halben Jahr als vermeintlicher Absteiger feststehen. Für die Lustenauer wäre ein Entscheidungsspiel am letzten Spieltag eine große Chance, für den SCRA ein Horrorszenario.

Verdient hätten es beide

Aus heimischer Sicht ist es freilich bitter, dass der Absteiger so oder aus Vorarlberg stammen wird. Verdient, so ehrlich muss man sein, hätten beide Klubs den Gang in die 2. Liga. Die Lustenauer, weil sie in dieser Saison fast alles falsch gemacht haben und mit einer blauäugigen Kaderplanung in die Spielzeit gingen. Die Altacher, weil sie seit Jahren geradezu verschwenderisch mit ihren großen Möglichkeiten umgehen.

Einer der beiden Klubs wird mit einem blauen Auge davonkommen. Wer das sein wird, ist plötzlich völlig offen. Und das stellt den Altachern ein ganz schlechtes Zeugnis aus.