Sport

„Das Wichtigste ist der Umgang mit Fehlern“

23.07.2024 • 13:58 Uhr
ABD0031_20230809 – DEN HAAG – NIEDERLANDE: ++ HANDOUT/ARCHIVBILD ++ ZU APA0014 VOM 9.8.2023 – FŸr viele Segler ist die WM ab Freitag, 11. August 2023 vor Den Haag die wichtigste Regatta seit den Olympischen Spielen 2021 in Tokio. Denn es geht um QuotenplŠtze fŸr Paris 2024. im Bild: Die šsterreichischen Segler Benjamin Bildstein und David […]
Benjamin Bildstein (l.) und David Hussl (r.). APA

Interview. Am vergangenen Freitag wurden die Segler Benjamin Bildstein und sein Vorschoter David Hussl im Yacht Club Bregenz Richtung Olympische Spiele verabschiedet. Die NEUE hat vor der Abreise mit dem Wolfurter Bildstein über die Teilnahme gesprochen.

Sie haben doch recht spät die Bestätigung erhalten, dass Sie bei den Olympischen Spielen teilnehmen dürfen. Wie sicher waren Sie sich, dass Sie nach Frankreich fahren können?
Benjamin Bildstein: Es war so, dass wir einen ganz klaren Qualifikationsvertrag mit dem Verband unterzeichnet haben. Die erste Vorgabe war, dass wir unsere Nation qualifizieren müssen. Es dürfen nämlich nur 20 Länder teilnehmen. Wir haben es zum Glück bei der internen Qualifikation geschafft, eine Medaille zu segeln. Es hätte ein anderes österreichisches Team mit uns gleichziehen müssen. Somit war damals schon recht klar, dass wir es sein werden, die zu den Spielen fahren. Wir hatten eine sehr lange Qualifikation, es waren sehr viele Wettkämpfe, erst im Mai dieses Jahres sind wir fertig geworden. Alles in allem war es sehr kräftezehrend.

Wie fühlen Sie sich vor der Abreise? Sind sie körperlich und mental gut vorbereitet?
Bildstein: Ich hatte leider in der letzten Kampagne einige Verletzungen, die auch ein paar Operationen nach sich gezogen haben. Aber ich habe es geschafft, dass ich jetzt komplett verletzungsfrei bin. Darauf bin ich stolz. Ein Sportler muss, wenn er erfolgreich sein will, imstande sein, sich zu verändern. Ich habe die richtigen Schlüsse gezogen und es geschafft, diese Verletzungsthematiken wieder wegzubekommen. Jetzt bin ich wieder gesund und vital. Das schätzt man erst richtig, wenn man die andere Seite kennt. Ich bin glücklich über meine derzeitige Verfassung.

Wie zufrieden sind Sie mit der bisherigen Vorbereitung?
Bildstein: Wir haben härter gearbeitet als je zuvor. Und wir haben davor schon hart gearbeitet. Wir haben alles gegeben. Es ist kaum ein Tag verstrichen, an dem man nicht etwas für das Segeln getan hat. Es war schwierig. Wir hatten Materialprobleme, dadurch längere Zeit keine Resultate. Es gab viel Frustration, in einer Art und Weise wie wir es nicht kannten. Es war keine einfache Zeit. Ich würde sogar sagen es war schwieriger als die Zeit mit den ganzen Verletzungen. Dann hatten wir einen Trainerwechsel, der am Anfang nicht geklappt hat. Es war eine schwierige Kampagne. Jetzt sind wir zurück bei unserem Trainer-Team von den Olympischen Spielen in Tokio. Wir haben eine andere Ausgangslage als damals und reisen diesmal sicher nicht als Favoriten an.

„Das Wichtigste ist der Umgang mit Fehlern“
Bei der Verabschiedung im Yacht Club Bregenz gab es vorab schon einmal eine Sektdusche für die Anwesenden. Dietmar Stiplovsek

Apropos Tokio. Sie konnten damals den zehnten Platz erreichen. Welches Ziel gilt für Frankreich? Bildstein: Es ist für uns dieses Mal so, dass wir nicht optimal vorbereitet sind und nicht so gut dastehen wie in Japan. Es ist wahnsinnig schwierig, ein Ergebnisziel zu nennen. Das Wichtigste wird sein, dass wir wirklich gut segeln, dass wir entschlossene Starts machen, dass wir vollkommene Strategien wählen und sauber um den Kurs fahren. Und dass wir mental stark sind. Wir haben dort unsere Prozessziele, und die gilt es umzusetzen. Das ist uns sehr wichtig, und dann sollte auch ergebnistechnisch einiges drin sein.

Die Spiele in Tokio waren ja Corona-Beschränkungen unterworfen. Sie waren damals das erste Mal dabei. Wie fühlt es sich an, dass man sozusagen an „normalen“ Spielen teilnehmen kann?
Bildstein: Ja, wir hatten damals die „Corona-Spiele“, aber es war sensationell. Trotzdem, es waren so gewaltige Erfahrungen. Man erlebt dermaßen viele Dinge, die außergewöhnlich sind. Dinge, die man nur bei diesem speziellen Event erleben kann. Tokio hat mir wahnsinnig gut gefallen. Es überrascht mich gerade selbst, aber mit diesem Umstand und dem Bezug auf Frankreich habe ich mich noch gar nicht auseinandergesetzt. Aber es wird ohne die Pandemie sicher nochmals ganz anders werden. Ich habe es bei der Einkleidung in Wien gemerkt, der Flair ist doch noch einmal ein ganz anderer. Dementsprechend glaube ich, es werden gewaltige Spiele im Herzen Europas. Und wir freuen uns sehr darauf.

Werden Sie sich andere Sportarten bei den Spielen ansehen? Bildstein: Wir werden die Eröffnungsfeier auslassen, weil wir zwei Tage danach starten. Aber David Hussl und ich werden nach unserem Wettbewerb nach Paris fahren und uns dort andere Sportarten anschauen. Wir werden die komplette Olympiade bis zur Abschlusszeremonie mitmachen. Wir möchten das voll und ganz erleben. Weil wir uns drei Jahre, nein, eigentlich über viele Jahre auf dieses Event vorbereitet haben. Wir mussten auf viel verzichten. Das war es uns auch wert, aber jetzt möchten wir das voll ausnutzen und die Spiele in all ihrer Vielfalt erleben. Das wird sicher einzigartig in dieser Hinsicht.

„Das Wichtigste ist der Umgang mit Fehlern“
Benjamin Bildstein zeigte sich beim Interview voller Vorfreude auf die Olympischen Spiele in Frankreich. Dietmar Stiplovsek

Wer ist aus Ihrer Sicht Favorit auf eine Olympiamedaille?
Bildstein:
Das ist sehr schwer zu sagen. Es ist kaum vorauszusagen, wer als Favorit ins Rennen geht. Mit der Materialumstellung hat sich das Teilnehmerfeld nochmals durcheinandergewürfelt. Zum Schluss sind sehr viele Teams recht gut geworden. Das Niveau ist sehr dicht gestaffelt. Es wird davon abhängen, welche Bedingungen wir bekommen. Man weiß nicht ob es Stark-, Mittel- oder Leichtwind hat. Wenn es Leichtwind hat, gibt es fünf Teams, die die Favoriten sind, wie Neuseeland oder Polen. Wenn es Mittelwind hat, werden die Franzosen sehr stark sein. Sie sind gerade Weltmeister geworden. Die sind unter diesen Bedingungen einfach die Schnellsten. Auch die Spanier muss man zum engsten Favoritenkreis zählen, weil sie konstant sehr gut fahren. Wie gesagt, es wird darauf ankommen, was es für eine Windstärke hat. Aber alle in der Flotte fahren auf sehr hohem Niveau, und es sind einige Teams dabei, die um eine Medaille mitfahren können.

Was haben Ihnen Ihre Segel-Kollegen mit auf den Weg gegeben?
Bildstein:
Das ist, glaube ich, auch noch ein „learning“ von den letzten Spielen für mich. Man bekommt wahnsinnig viele Tipps, es gibt sehr viele, die auch einmal teilgenommen haben. Unter dem Strich glaube ich, es ist das wichtigste, dass man seinen Weg geht, sich treu bleibt. Und das werden wir machen. Wir haben etwas mehr Gelassenheit und Ruhe als beim letzten Mal. Weil wir wissen, was uns erwartet. Die Erfahrungen aus Tokio sind definitiv ein Vorteil. Wir werden ganz klar darauf achten, den Plan, den wir erstellt haben, umzusetzen. Dass wir den Weg, den wir gewählt haben, zu Ende gehen.

Wie sieht der Plan in den nächsten Tagen aus?
Bildstein:
Wir reisen gleich am Samstag (Anm., 20.7.), dem Tag nach der Verabschiedung, nach Marseille. Es geht nach München, und von dort fliegen wir nach Südfrankreich. Dort angekommen, wird es zuerst einige organisatorische Sachen zu regeln geben. Dann steht die Vermessung des Materials auf dem Plan. Das ist sehr genau, alles muss exakt passen. Das wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Dann werden wir mit dem gesamten Team das Boot vorbereiten. Schauen, dass keine Materialbrüche passieren, dass alles poliert ist. Ich lege viel Wert auf Strategie. Da gilt es nochmals unser „Callbook“ zu studieren. Was wir bei welchen Winden machen, und es mit unserer Meteorologin abzugleichen. Dann geht es noch darum, Trainingsreize zu setzen und Wasserstunden zu sammeln.

„Das Wichtigste ist der Umgang mit Fehlern“
Bildstein ist trotz mäßiger Vorbereitung guter Dinge für den Start in Marseille. Diemtar Stiplovsek

Marseille ist ja für Sie kein unbekanntes Terrain. Wie lange trainieren Sie dort schon?
Bildstein:
Das stimmt. Wir trainieren schon seit drei Jahren dort. Es ist für uns eigentlich schon sehr vertraut. Wir waren dort auch schon zweimal recht gut. Wir haben damals in unserer ersten 49er-Weltmeisterschaft gleich die Goldflotte erreicht, wofür andere Teams Jahre brauchen. Wir sind lange um eine Medaille mitgefahren. Und wir haben einen zweiten Platz im Gesamtweltcup herausgefahren. Wir kennen uns dort aus, wir konnten in diesem Revier schon einiges umsetzen.

Wie sagt man viel Glück und alles Gute im Segeljargon?
Bildstein:
Schot- und Mastbruch. Aber das finden wir nicht so gut. Wir sagen immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel.