Steu rutscht in Lettland ins neue Jahr

Ein ganz privater Einblick, wie der Bludenzer Rennrodler Thomas Steu den Jahreswechsel verbringt.
Ob Thomas Steu heute um Mitternacht beim Jahreswechsel noch wach ist oder sich schon schlafen gelegt hat, entscheidet der Bludenzer Rennrodler spontan. Denn für den zweifachen Olympiamedaillengewinner, Team-Weltmeister und dreifachen Europameister steht morgen in der Früh ein wichtiges Training an. Vor Steu und seinem Doppelsitzer-Partner Wolfgang Kindl liegt nämlich ein richtungsweisendes Weltcup-Wochenende im lettischen Sigulda, das der Auftakt in ein dichtgedrängtes Rennprogramm mit der EM in Winterberg (GER) Mitte Jänner, der WM im kanadischen Whistler Anfang Februar sowie dem Saisonfinale in Asien ist.
Feines Abendessen
Steu verbringt also den Jahreswechsel fernab der Heimat: Wintersportler müssen in der Weihnachtszeit auf so einige private Momente verzichten. „Ich und meine Familie können damit umgehen, weil wir es inzwischen gewohnt sind“, sagt der 30-Jährige lachend, der das Prozedere wahrlich zur Genüge kennt. Es gab Jahreswechsel, an denen sowohl an Silvester als auch am Neujahrstag Weltcuprennen anstanden – mit den ersten Läufen am Vormittag, versteht sich.
Doch bei allem Ehrgeiz versuchen sie heute beim österreichischen Rennrodelteam schon, eine gewisse feierliche Note an Silvester unterzubringen, wie Steu beschreibt: „Wir schauen, dass wir noch was Feines am Abend essen, das organisiert unser Cheftrainer für uns.“ Und danach entscheidet eben jeder für sich, ob er bis Mitternacht wach bleiben will.
So ist das Leben als Spitzensportler: Wer an die Spitze der Resultatlisten will, muss auf Vieles verzichten. Weihnachten dagegen konnte Steu im Kreise seiner Familie verbringen, denn in den Tagen vor dem 24. Dezember legt der Weltcup eine kleine Pause ein – die Wettkampfunterbrechung hat sich so ein bisschen als Saisonteiler eingebürgert. Steu beschreibt offen: „Weihnachten zu Hause sein zu können, ist mir sehr wichtig. Ich bin das ganze Jahr so viel unterwegs, da genieße ich es doppelt, den 24. Dezember mit meiner Familie und meiner Freundin verbringen zu können.“ Als Weihnachtsessen stand bei den Steus auch in diesem Jahr Raclette auf dem Tisch. „Das gibt es bei uns nur zu Weihnachten, das macht das Essen so besonders“, lässt der Doppelsitzer-Weltcupsieger der Saison 2023/24 tief blicken. Nach dem Raclette-Essen gings zur Familie von Freundin Tabea. Das war es dann aber auch schon mit der Weihnachtspause für den Weltklassesportler. Am 26. Dezember begannen in Igls die österreichischen Meisterschaften. Der Oberländer verriss sich dabei just am ersten Trainingstag den Nacken und ließ vorsichtshalber das Rennen aus.

Erkrankung von Kindl
Das kleine Malheur reiht sich so ein bisschen in den bisherigen Saisonverlauf des Erfolgduos Steu/Kindl ein. Denn Kindl erkrankte im September und zeigte massive grippeähnliche Beschwerden, die nicht und nicht abklangen.
Nach einer Reihe von Untersuchungen stellte sich heraus, dass der Tiroler am Pfeifferschen Drüsenfieber litt, was ein wochenlanges striktes Sportverbot erforderte. Kindl hatte einen Ruhepuls von über 100, beim Stiegengehen schnellte sein Puls auf 150. Der 36-Järhige verlor mehrere Kilogramm Muskelmasse, Milz und Leber vergrößerten sich. Erst nach eineinhalb Monaten Trainingspause war Kindl wieder zurück im Eiskanal.
Wobei „erst“ in diesem Zusammenhang wahrlich relativ ist, der ehemalige deutsche Fußballprofi Olaf Bodden zum Beispiel musste nach dem Pfeifferschen Drüsenfieber seine Karriere beenden und leidet fast 30 Jahre später noch an den Spätfolgen der Krankheit.
Alles bleibt möglich
Steu jedenfalls stieg im Training auf den Einsitzer um und spulte dabei praktisch das doppelte Programm ab, wobei der Erfolgsgarant vom Rodelclub Sparkasse Bludenz kein großes Aufsehen darum macht: „Das alles war natürlich nicht optimal, aber wichtig war, dass Wolfi wieder völlig gesund wurde, alles andere ist nebensächlich. Im Endeffekt sind wir nur drei Wochen später als im Vorjahr gemeinsam ins Training eingestiegen.“ Steu und Kindl sind ja erst seit einem Jahr ein Doppelsitzer-Gespann. Zuvor bildete der vielfache Medaillengewinner aus dem Oberland über seine gesamte Weltcup-Karriere hinweg ein Duo mit Lorenz Koller – bis sich Koller im Frühjahr 2023 etwas überraschend für ein Karriereende entschied. Als Steu schon glaubte, dass damit auch seine Karriere vorüber war, zeigte Kindl Interesse, mit ihm ein neues Gespann zu formen. Die beiden starteten auf Anhieb durch, wurden in ihrer ersten gemeinsamen Saison 2023/24 Europameister im Doppelsitzer und im Team sowie Vizeweltmeister im Doppelsitzer und Doppelsitzer-Sprint. Zudem erfüllte sich Steu mit Kindl den Traum vom Gesamtweltcupsieg bei den Doppelsitzern.

Keine Vorsätze
So muss man die Aussage von Steu auch einordnen, wenn der NEUE-Kolumnist über die bisherigen drei dritten Weltcup-Plätze bei den Doppelsitzern sagt: „Die Saisonvorbereitung war zwar schwierig, aber wir hätten uns fast noch mehr erwartet. Speziell beim Weltcup-Rennen in Igls hatten wir uns mehr ausgerechnet.“
Das ist eben das Holz, aus dem Champions sind: Siegertypen suchen nicht nach Ausreden. „Ausreden bringen nichts“, betont der Bludenzer und blickt voraus: „Unsere Ziele bleiben hoch. Die Saison ist noch lang, alles ist noch möglich.“ Das beweist auch, dass Steu/Kindl vor Weihnachten in Oberhof das ihrige zum Weltcupsieg der österreichischen Mannschaft in der Teamstaffel beitrugen. Bleibt die Frage, ob Steu jemand ist, der sich Neujahrsvorsätze macht. „Nein, weil ich mir über das ganze Jahr hinweg Vorsätze mache. Mir liegt aber noch was am Herzen: Ich wünsche den NEUE-Lesern einen guten Rutsch ins Jahr 2025, alles Gute und viel Gesundheit, das ist das Wichtigste.“ Dem ist nichts hinzufügen.
In Memoriam an Helmut Tagwerker, der am 20. Dezember im Alter von 80 Jahren verstorben ist.