“Heute hätte Bruno ein Schweinegehalt”

Am 3. Februar wäre der Vorarlberger Fußball-Gigant Bruno Pezzey 70 Jahre alt geworden. Im zweiten Teil der Serie über den Lauteracher, der am 31. Dezember 1994 verstarb, erinnert Österreichs Jahrhundertfußballer Herbert Prohaska (69) exklusiv an Pezzey und gibt sehr private Einblicke
Friedl Koncilia hat mal zu mir gesagt: Wenn Bruno Pezzey bei Rapid oder Austria Wien gespielt hätte oder wenigstens Wiener oder Salzburger gewesen wäre, dann wäre Bruno in Österreich ein noch viel größerer Star gewesen. Herbert Prohaska: Ich würde sagen, dass Bruno weder Wien noch Salzburg gebraucht hat, weil er ganz einfach in Tirol zum Star gereift ist und dann seine große Klasse in Deutschland eindrucksvoll bewiesen hat. Man muss sich ja vorstellen, dass damals in den meisten Ligen nur zwei Ausländer erlaubt waren, das vergisst man heute schnell. Ich war bei Inter Mailand zwei Jahre lang sogar der einzige Ausländer. Denn auf wen haben die Vereine geschaut bei der Besetzung der Ausländerplätze? Vor allem auf die Stürmer natürlich und Mittelfeldspieler. Das heißt, es ist schon eine Riesenauszeichnung für Bruno gewesen, dass man seinen Stellenwert gesehen hat und einen ausländischen Innenverteidiger geholt hat. Zu Frankfurt und dann zu Bremen. Bruno war absolute Weltklasse, wenn man so will, hat er in der falschen Fußballepoche gespielt. Heute wäre er vergleichbar mit Virgil van Dijk vom FC Liverpool, wobei ich der Meinung bin, dass Bruno um einen Tick torgefährlicher und auch der bessere Fußballer war, als van Dijk es heute ist. Bruno hätte sich in der heutigen Zeit aussuchen können, bei welchem Weltklub er spielt, und hätte ein absolutes Schweinegehalt bekommen. Nein, aus meiner Sicht brauchen wir nicht darüber reden, wo Bruno vor seinem Auslandswechsel gespielt hat. Er hat von Innsbruck aus seinen Weg gemacht, hätte er in Wien oder Salzburg gespielt, hätte er eben dort seinen Aufstieg in die Weltklasse begonnen.
Ich glaube, Friedl hat es so gemeint, dass man in Österreich teilweise gar nicht begriffen hat, wie gut Bruno Pezzey wirklich war? Prohaska: Da könnte was dran sein. Bruno hat ja den größten Teil seiner Karriere in Deutschland verbracht, er war nur als ganz Junger in Bregenz und dann auch nicht lange in Tirol. Nach der WM 1978 in Argentinien ist er schon zu Eintracht Frankfurt gewechselt, und zurückgekommen ist er erst sehr spät. Der Krankl und ich waren auch im Ausland, aber nicht ewig. Dadurch waren wir in Österreich vielleicht ein bisschen größer. Damals gab es ja noch keine Übertragungen von den Spielen im Ausland, da hast du fast nichts gesehen von den anderen Ligen.
Die deutschen Programme konnte man nur in Grenzgebieten empfangen, Satellitenfernsehen setzte erst ab Mitte der 1980er-Jahre ein. Prohaska: Eben. Aber ich kann mich erinnern, bei der Wahl zum österreichischen Jahrhundertfußballer ging es zwischen Krankl, Prohaska und Pezzey. Wenn Bruno damals noch gelebt hätte, wäre vielleicht er zum Besten gewählt worden und nicht ich, das ist absolut möglich. Aber so? Den Bruno wählen, und dann musst du den Preis seiner Witwe überreichen – ich weiß nicht, ob das gewollt war, es wäre zumindest im Bereich des Möglichen, dass das bei der Wahl mit hineingespielt hat. Aber in der ÖFB-Jahrhundertelf steht Bruno natürlich, und auch der österreichische Fußballpreis ist nach ihm benannt, weil er, ich muss das noch mal betonen, absolute Weltklasse war. Er war seiner Zeit als spielender Vorstopper und Libero um Jahre voraus.
Pezzey hat in der deutschen Bundesliga als Libero mehr Tore erzielt als Franz Beckenbauer. 1981 wurde er zum besten ausländischen Spieler der deutschen Bundesliga gewählt, er wurde auch mehrfach in die Weltauswahl berufen. Prohaska: Na bitte, das sagt ja alles. (lacht) In Deutschland zum besten Ausländer gewählt zu werden, als Abwehrspieler. Bruno war auch von seiner Persönlichkeit her ein Weltklassetyp.
Egal, bei welchen Fußballgrößen ich jetzt oder in der Vergangenheit um ein Interview über Bruno angefragt habe, alle haben, so wie Sie, mit großer Freude zugesagt. Prohaska: Das wundert mich nicht. Der Bruno war auch deswegen so gut, weil er ein super Mensch war, ein lustiger, lebensfreudiger Mitspieler. Und das Ganze im Paket machte ihn zu einem außergewöhnlichen Spieler, an den du dich sehr gerne erinnerst.
Pezzeys Humor gilt als legendär. Prohaska: Ja, und das ist es auch, was einem nach der Karriere am meisten abgeht. Die Kabine, mit den Spielern Späße zu machen, zu lachen – und der Bruno war immer einer, der sehr gerne gelacht hat. Er hatte immer gute Geschichten oder einen Schmäh auf Lager.
Alle ehemaligen Wegbegleiter streichen auch immer wieder heraus, was für ein feiner Mensch Bruno war. Sie haben schon ein bisschen was angedeutet: Was hat Bruno als Mensch ausgemacht? Prohaska: Für eine private enge Freundschaft haben wir geografisch zu weit auseinander gelebt, er war in Deutschland, ich eben in Italien und dann in Wien. Aber er hatte eine wirklich wunderbare Familie mit einer bezaubernden Frau und wunderbaren Töchtern. Mir hat Bruno mal einen super Tipp gegeben, ich wollte einen Hund, und weil er einen Riesenschnauzer hatte, habe ich mich bei ihm erkundigt. Mein erster Riesenschnauzer ist aus Vorarlberg gekommen. (lacht) Unsere Freundschaft hat sich aber eher auf der fußballerischen Ebene abgespielt. Wir haben ja lange im Nationalteam zusammengespielt, auch später sind wir im Kontakt geblieben. Das Bruno-Pezzey-Gedenkturnier, das es nach Brunos Tod über so viele Jahre hinweg gegeben hat, ging ja eigentlich auf eine Idee von Bruno selbst zurück. Er wollte, dass wir jedes Jahr für ein Hallenfußballturnier zusammenkommen – mit zwei Mannschaften aus Deutschland und Österreich. Weil Bruno dann leider nach der ersten oder zweiten Austragung gestorben ist, ist das Turnier zum Pezzey-Gedenkturnier geworden. Brunos eigentlicher Gedanke war, dass wir alle verbunden bleiben, obwohl wir unsere Karriere schon beendet haben.
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Bruno Pezzey war in der österreichischen Jahrhundertnationalmannschaft Ende der 1970er- und Anfang der 1980er-Jahre mit Spielern wie Ihnen, Hans Krankl und vielen anderen österreichischen Allzeitgrößen einer der Führungsspieler. Auch das sagt viel über ihn aus. Prohaska: Natürlich, Bruno war der geborene Führungsspieler. Man kann es auch ganz kurz machen: Wo Bruno gespielt hat, war der Erfolg zu Hause.
Sie haben 70 Länderspiele gemeinsam mit Bruno Pezzey gespielt. Welches Spiel sticht da ganz besonders heraus? Klassisch der 3:2-Sieg gegen Deutschland bei der WM 1978 in Cordoba? Das entscheidende WM-Qualifikationsspiel in Izmir im Herbst 1977? Der 4:3-Sieg gegen England 1979? Oder eine ganz andere Partie? Prohaska: Sie haben da eh schon die richtigen Spiele genannt, das waren große Spiele, ganz speziell war das England-Spiel, obwohl es ein Freundschaftsspiel gewesen ist. Aber England schlagen war schon ein Ereignis. Bruno hat damals zwei Tore gemacht, und weil der Krankl vom FC Barcelona keine Freigabe für das Spiel erhalten hat oder verletzt war, das weiß ich nicht mehr, habe ich tatsächlich Mittelstürmer gespielt. (lacht) Auch deshalb war es für mich ein besonderes Spiel. Ansonsten haben wir zu einer Zeit zusammengespielt, in der wir sehr erfolgreich waren mit der Nationalmannschaft. Diese Erfolge werden immer sehr eng mit Bruno verbunden bleiben.
Bruno hat dann ja als Trainer mit Ihnen bei der U21-Nationalmannschaft zusammengearbeitet. Prohaska: Es war so: Ich war U21-Trainer, Ernst Happel war Nationaltrainer und ist dann verstorben. Ich bin dann Teamchef geworden, und Bruno wurde mein Nachfolger bei der U21. Aber ich habe nicht viele Erinnerungen an diese gemeinsame Trainerzeit beim ÖFB, weil Bruno leider sehr bald verstorben ist.
Wie haben Sie von Bruno Pezzeys Tod erfahren? Prohaska: Das war schrecklich. Wir waren mit Freunden, es waren, glaube ich, acht Leute, auch Erich Obermayer war dabei, zu Silvester in New York und haben uns gerade für die Silvesterfeier bereit gemacht. Es war 18 Uhr, zu Hause in Österreich war es Mitternacht, da habe ich bei meinen Eltern in Wien angerufen, um ein gutes neues Jahr zu wünschen. Dann sagt meine Mutter zu mir: Der Bruno Pezzey ist heute gestorben. Daraufhin habe ich gesagt: Mutti, da irrst du dich, das muss ein anderer sein, der ist ja in meinem Alter, der kann doch nicht gestorben sein. Sie meinte dann aber: Na, na, ich irr’ mich nicht, und hat mir dann erzählt, dass er bei einem Eishockeymatch verstorben ist. Das war ein Wahnsinn. Ich wollte unsere Silvesterfeier in New York nicht „zammhauen“, also habe ich den Freunden und auch dem Erich Obermayer, der ja jahrelang im Nationalteam das Innenverteidiger-Duo mit Bruno gebildet hat, erst am nächsten Tag erzählt, dass Bruno tot ist. Ich musste mich an dem Abend wirklich fest zusammenreißen, denn das war ein großer Schlag, wenn du so einen Menschen in dem Alter verlierst, womit du ja überhaupt nicht rechnest.
Abschließende Frage: Viele glauben, dass Pezzey Nationaltrainer geworden wäre. Was meinen Sie? Prohaska: Ja, 100 Prozent. Nachdem ich es gekonnt habe, hätte das der Bruno auch „zammbracht“. (lacht)