Sport

Macht was draus, liebe Altacher!

25.05.2025 • 13:03 Uhr
Macht was draus, liebe Altacher!
SCRA-Präsident Peter Pfanner und SCRA-Vizepräsident Werner Gunz müssen in den kommenden Tagen die Leitplanken für die Weiterentwicklung des SCR Altach vorgeben. Klaus Hartinger

Der SCR Altach feiert den Klassenerhalt: Dank Hartberger Schützenhilfe und dank der Punkteteilung. Gedanken zum Altacher Kreislauf von NEUE-Sportchef Hannes Mayer.

Wenn man eine Vorstellung davon haben will, wie es in Altach abläuft, dann reicht es zu wissen, dass Sportdirektor Roland Kirchler am Freitagabend seinen Rücktritt gegenüber Altachs Medienpartner exklusiv verkündet hat. Für einen Medienvertreter ist so eine Information natürlich eine wunderbare Sache, der SCRA war damit aber bloßgestellt, der Ablauf stellt den Altacher Verantwortlichen auch ein ganz schlechtes Zeugnis aus. Kirchler ist der Demission seitens des Vereins wohl nur zuvorgekommen, der am Montag getagt hätte – und, so das Gefühl von Kirchler, ihn vor die Tür gesetzt hätte. Deutlicher kann eine Retourkutsche als die von Kirchler, nicht ausfallen, der Tiroler soll im Winter nämlich nur mehr wenig Einfluss auf die Kaderpolitik gehabt haben. Kirchler dürfte wohl zu Wacker Innsbruck zurückkehren. Auch im Trainerteam hinter Ingolitsch soll es zu freiwilligen Rücktritten kommen. Man darf gespannt sein, wer Kirchlers Nachfolger wird, in den vergangenen Monaten hieß es, dass Philipp Netzer als neuer Sportdirektor aufgebaut werden soll. Dem Vernehmen nach fuhren am Freitag Geschäftsführer Christoph Längle, Vizepräsident Werner Gunz und Phillip Netzer in einer Fahrgemeinschaft nach Linz – da wäre zumindest genug Zeit geblieben, um über eine solche Beförderung im Detail zu sprechen. Für Netzer käme so eine Beförderung allerdings verdammt früh.

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Roland Kirchler hat die Altacher am Freitag vor den Kopf gestoßen. GEPA/Lerch

Wahrnehmung
So oder so: Letztendlich werden sie in Altach jetzt mal eine Entscheidung darüber treffen müssen, wie sie als Profiverein in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden wollen. Als Verein, dem es reicht, in der Bundesliga mitzuspielen, und der über den harten Fan-Kern hinaus nur dann emotionalisiert, wenn mal wieder ein Abstiegsfinale ansteht. Oder als Verein, der sich analog zur prächtigen wirtschaftlichen Entwicklung auch sportlich höhere und hohe Ziele setzt. Es ist nur allzu natürlich, dass die Altacher dieses Wochenende feiern, aber wenn sich beim SCRA nachhaltig etwas zum Besseren ändern soll, dann werden sie sich ab Montag unbequeme Fragen stellen müssen. Und wenn am Ende dieser Aufarbeitung steht, dass alle im Verein gute Arbeit geleitet haben und mehr einfach nicht drin ist, dann reichen die üblichen Statements aus. Dass man die Lehren daraus gezogen hat, sich so eine Saison nicht wiederholen darf, aber man als Altach letztendlich froh sein müsse, in der Bundesliga zu spielen. Das alles sind legitime Ansätze, nur wird man dann in Altach damit umgehen müssen, dass bei aller Strahlkraft des Umfelds die fehlenden sportlichen Ambitionen den SCRA ein bisschen farblos, ja, zur grauen Maus machen.
Altach bräuchte neue Ideen, neue Ziele, es bräuchte einen Aufbruch, und das nicht nur, wenn der nächste Spatenstich erfolgt, sondern bei der Kaderplanung, weil man nach Europa will, weil man nach eineinhalb Jahrzehnten in der Bundesliga nicht mehr nur mitspielen will. Doch bislang war es so, dass die Entscheidungsträger der Meinung waren, dass ihnen der Nicht-Misserfolg recht gibt.

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Christoph Längle hatte bei der Kirchler-Vorstellung ein gutes Gefühl. GEPA/Lech

Spiel mit dem Feuer
Bleibt dem so, lassen sich die kommenden Monate recht einfach vorskizzieren: Es wird ein unerfahrener Sportdirektor geholt, der vom Verein jede Unterstützung erhält, Ingolitsch darf bleiben, muss aber bei der Kaderzusammenstellung Kompromissbereitschaft zeigen und die Ideen des Vereins mittragen. Bis man dann im Laufe der Saison mittels Aussendung festhält, dass die sportliche Entwicklung nicht den Vorstellungen entsprochen hat, man Ingolitsch für die geleistete Arbeit und der Nacht in Linz dankt und ihm alles Gute wünscht.
Ingolitsch war der falsche Mann für den Abstiegskampf, gerade auch aufgrund der Altacher Kaderzusammenstellung, aber er kann der richtige Mann für eine Neuausrichtung sein. Ingolitsch hat eine Spielidee, mit der man zumindest eine Chance hat, in der Tabelle weiter vorne zu landen. Aber diese Spielidee lässt sich nicht mit satten, überalterten Profis umsetzen, die in der Wohlfühloase Altach ihr Leben genießen. Der SCR Altach ist ein attraktiver Arbeitgeber, weil man im Vergleich zur unmittelbaren Konkurrenz in der Qualifikationsgruppe sehr gut zahlt – und letztendlich verlangt man nicht mehr, als irgendwie über dem zwölften Platz zu stehen. In dieser Saison war es ja schon zum zweiten Mal nach 2022 so, dass die Altacher in Summe weniger Punkte machten als der Absteiger, aber aufgrund der Punkteteilung oben blieben. Hätte Hartberg nicht Schützenhilfe geleistet, wäre das 0:0 beim LASK ohnehin zu wenig gewesen.
Altach braucht auch einen Plan, wie man mit den jungen Spielern umgeht. Der Feldkircher Filip Milojevic kam vergangenes Jahr aus dem Nachwuchs von Bayer Leverkusen zurück nach Vorarlberg, schlug dafür Wechseloptionen nach Spanien, Belgien, aber auch Rapid Wien aus; nur, um bei Altach komplett übergangen zu werden. Statt beim FC Sevilla von Top-Spielern lernen zu können oder beim RSC Anderlecht zu reifen, versauerte er bei Altach in der Regionalliga. Auch im Winter ließ man den Innenverteidiger nicht gehen, holte jedoch für seine Position mit Steven Noode einen 19-jährigen Afrikaner vom FC Schalke 04, der noch keine Sekunde Profifußball in den Beinen hatte. Solche Chancen wie vor einem Jahr nach seinem Abschied bei Leverkusen wird Milojevic wohl nie mehr bekommen. Was den Kreis zu Ingolitsch schließt: Gegen Ingolitsch sprechen seine teils vogelwilden Aufstellungen, am Freitag machte der 33-Jährige ohne Not einen Wechsel in der Innenverteidigung, brachte just Noode, dem die Spielpraxis fehlte, für Pascal Estrada. Ein Spiel mit dem Feuer.

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Die Zukunft von Trainer Fabio Ingolitsch ist noch offen. GEPA

Attraktiver Fußball fehlt
Der SCR Altach tritt sportlich auf der Stelle, die sich ständig wiederholenden Szenarien und der fortwährende Abstiegskampf stumpfen einen auch als Beobachter ab. Die Altacher selbst mögen sich als Klub als ungemein spannend wahrnehmen, was sie abseits des Fußballs durch die Umsetzung ihrer Infrastruktur-Projekte auch sind, aber der sportliche Reiz des SCRA hält sich seit nunmehr einem halben Jahrzehnt in sehr überschaubaren Grenzen. Denn nicht abzusteigen lässt sich nach so vielen Jahren nicht mehr als Erfolg verkaufen.
So ein bisschen fällt einem eine Textstelle von Udo Jürgens ein, der in „Lieb Vaterland“ sang: „Ich kann dich nicht aus heißem Herzen lieben. Zu viel bist du noch schuldig uns geblieben“. Das nicht mit heißem Herzen lieben passt deshalb, weil die Altacher kein Feuer entfachen. Mit den Infrastruktur-Projekten erreichen sie sozusagen die Hirne, aber die Herzen würden sie mit attraktivem Fußball erobern. Das bleibt der SCRA seit Jahren schuldig. Das niedrige Niveau in der Qualifikationsgruppe multipliziert das Dilemma, denn mit erstklassigem Fußball hat das Gebolze in der Abstiegsrunde nichts zu tun, vielmehr präsentiert sich das Treiben auf dem Platz eher als der Vorhof zur 2. Liga. Die vier abstiegsgefährdeten Teams Tirol, GAK, Altach und Klagenfurt hätten in der 2. deutschen Bundesliga wohl ein tristes Dasein geführt.
Die Herzen treffen die Altacher aber auch deshalb nicht oder nur beim allerhärtesten Kern, weil ihnen auf und neben dem Platz die griffigen Typen fehlen.

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Mit der Spielkultur ist es in Altach nicht weit her. GEPA

Ziel Europacup
Mit Kirchler, der sicherlich nicht ohne Schwächen und Fehler war, aber Ecken und Kanten hatte, ist jetzt der Einzige weg, der dem Verein nach außen ein Profil gab – und auch sportliche Kompetenz hatte. Die echten Attraktionen in der Mannschaft, für die der Fan ins Stadion geht, sucht man ohnehin seit langem vergebens.
Was bleibt ist, dass der SCR Altach mehr kann. Das hat auch Präsident Peter Pfanner im NEUE-Doppelinterview mit Werner Gunz im Jänner betont und als Vision die relativ regelmäßige Qualifikation für den Europacup ausgegeben. Aber wenn die Rheindörfler das wirklich ernst meinen, dann müssen sie auch anfangen, danach zu handeln. Mehr Wasser soll an der Stelle nicht in den Wein gekippt werden, schließlich soll die allgemeine Feierlaune nicht getrübt werden. Herzlichen Glückwunsch nach Altach zum Klassenerhalt. Macht was draus!