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Ein Götzner im Einsatz in der Formel 1

15.06.2025 • 08:00 Uhr
Ein Götzner im Einsatz in der Formel 1
Josef Bachmeier schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe. Er ist Motorsportfan und hat durch seine Tätigkeit als Einsatzleiter der Rettung in Spielberg Zugang zu den Heiligtümern der Formel 1. Privat

Josef Bachmeier ist Ende Juni beim Formel-1-Rennen am Red-Bull-Ring in Spielberg verantwortlich für die gesamten Rettungskräfte. Für den Motorsportfan, der auch die Fahrer gut kennt, ein Traumjob.

Langsam, aber sicher wird es ernst für Josef Bachmeier. In knapp zwei Wochen, vom 27. bis 29. Juni 2025, macht der Formel-1-Tross wieder Halt im steirischen Spielberg. Und das heißt für den Götzner, seine Planungen, mit denen er letzten Herbst begonnen hat, müssen rasch abgeschlossen sein. Denn der 47-Jährige ist am Rennwochenende Einsatzleiter der Rettungskräfte am Ring. Sobald ein Unfall passiert, müssen er und seine Kollegen reagieren und sofort zur Stelle sein. Dass ein Einsatz auf einer Rennstrecke, auf der die Boliden mit über 300 Kilometern pro Stunde unterwegs sind, sehr gefährlich sein kann, ist selbstredend. Dafür muss die Rettungskette einwandfrei funktionieren, alle müssen an einem Strang ziehen. Sekunden können entscheidend sein.
Wie aber kommt ein Vorarl­berger Rettungssanitäter zu einem solchen, doch recht einzigartigen Job? Was sind die Herausforderungen, wie geht man mit Unfallsituationen um? Und vor allem: Wie ist es für einen Formel-1-Enthusiasten, wenn man mit den Fahrern ein freundschaftliches Verhältnis pflegt? All diese Fragen und noch mehr hat der gelernte Kunststofftechniker und Werkzeugmacher im Gespräch mit der NEUE am Sonntag beantwortet, als wir ihn in der Hohenemser Rettungszentrale bei seinen Planungen getroffen haben.

Herr Bachmeier, wie lange sind Sie schon Rettungssanitäter?
Josef Bachmeier: Wenn ich ehrlich bin, weiß ich nicht mehr genau, in welchem Alter ich angefangen habe (lacht). Allerdings wurde mir im vergangenen Jahr die „Goldene Fahrtenspange“ für 5000 Einsatzfahrten verliehen. Das heißt, ich bin bereits, jetzt sind es wieder einige Einsätze mehr, 5000 Mal zu einem Patienten gefahren.

Das klingt nach reichlich Erfahrung. Im Vorgespräch haben Sie erwähnt, dass Ihre ganze Familie bei der Rettung ist?
Bachmeier: Ja, das stimmt. Ich habe drei Kinder, und mein ältes­ter Sohn, er ist 26 Jahre alt, war auch schon bei Großevents wie bei der Formel 1 und der MotoGP in Spielberg mit dabei. Meine Tochter ist 24 und mein jüngster Sohn 16 Jahre alt. Er ist seit 2019 beim Roten Kreuz in der Jugend und wird nächstes Jahr in den aktiven Dienst eintreten. Und meine Frau war 15 Jahre lang bei der Hundestaffel. Meine Eltern waren auch beide im Krankenhaus Hohenems tätig. Meine Mutter auf Station, mein Vater in der Ambulanz im Gipsraum. So ist das bei uns.

Einsatzleitung Rettung Formel 1 MotoGP Spielberg
Sobald sich die Fahrzeuge auf der Rennstrecke befinden, gilt volle Konzentration – auch zur eigenen Sicherheit. Privat

Sie haben es vorweggenommen, Großveranstaltungen wie Formel 1 und MotoGP. Sie sind der Einsatzleiter der Rettungskräfte in Spielberg. Wie kommt man als Vorarlberger Rettungssanitäter an diesen Job?
Bachmeier: Ich habe mich im Jahr 2016 bei der Bezirksstelle Knittelfeld, das ist die zuständige Stelle für den Red-Bull-Ring, für das Projekt Spielberg beworben. Ich habe dann, nachdem ich ein Konzept erstellt und eingereicht habe, den Zuschlag erhalten.

Wie muss man sich die Planungen und Vorbereitungen für ein Rennwochenende vorstellen?
Bachmeier: Wir starten mit den Planungen bereits im Herbst des Vorjahres. Erst stellt das Projekt Spielberg eine Anforderung für das Event an die Bezirksstelle Knittelfeld. Diese wiederum stellt eine offizielle Anfrage an den Landesverband des Roten Kreuzes in Vorarlberg. Das geht dann an mich, und ich beginne mit einem Kollegen aus Feldkirch, der mich unterstützt, mit den Planungen. Ausrüstung, Personal und all diese Dinge.

Wie groß ist das Rettungsteam, das Sie mitnehmen?
Bachmeier: Wir sind 24 Leute aus Vorarlberg aus den einzelnen Ortsstellen und Abteilungen. Dann nehmen wir zwei Rettungswagen und zwei Mannschaftsautos mit. Mit diesen reisen wir auch an. Einen Rettungswagen nehme ich mit auf die Rennstrecke, der andere wird im Zuschauerraum eingesetzt. Als ich vor neun Jahren angefangen habe, waren wir fünf Leute im Team. Durch die besseren Ausbildungsmöglichkeiten bei der Rettung in Vorarlberg beziehungsweise den besseren Ausbildungsstand als in der Steiermark können wir vor Ort an der Rennstrecke mehrere Sachen abdecken. Und so ist der Personalstand mit den Jahren immer mehr geworden. Es gibt Stammkräfte, die jedes Jahr dabei sind, ansonsten variiert die Zusammenstellung des Teams.

Einsatzleitung Rettung Formel 1 MotoGP Spielberg
Das Jahr 2021: Josef Bachmaier kümmert sich um den gestürzten MotoGP-Fahrer Tito Rabat. Privat

Wie werden die 24 Leute vor Ort am Rennwochenende eingesetzt?
Bachmeier: Ich habe vier Teams zu je zwei Personen, die auf der Rennstrecke für einen Abschnitt zuständig sind. Die anderen werden im Zuschauerbereich eingesetzt. Wir teilen uns auf für Tag- und Nachtdienste. Der Ring ist auf drei Stationen aufgeteilt, und Vorarlberg macht Station zwei bei der Red-Bull-Tribüne und Schönberg-Gerade. Gesamt sind an diesem Wochenende etwa 95 Sanitäter aus den Bundesländern vor Ort. Letztes Jahr am Rennsonntag hatten wir 32 Rettungstransportwagen und vier Notarztfahrzeuge im Einsatz. Zum Vergleich: Vergangenes Jahr hatten wir über die drei Tage 687 Versorgungen bei den Zuschauern.

Um welche Art von Versorgungen hat es sich dabei gehandelt?
Bachmeier: Es war sehr warm. Aber es ist nicht so, dass wir nur Sonnenstiche und Alkoholisierte zu behandeln hatten. Wir hatten Schlaganfälle, Herzinfarkte und diverse Stürze. Also prinzipiell dieselben Dinge, die wir auch hier im Rettungsalltag haben. Wir werden auch gerufen, wenn auf den 14 Campingplätzen etwas passiert ist.

Und wenn auf der Strecke etwas passiert – wie sieht der Ablauf aus?
Bachmeier: Auf der Rennstrecke sind wir in engem Kontakt mit der Race Control. Diese ist für die Rennstrecke hauptverantwortlich, und wir dürfen die Strecke erst betreten, wenn wir von ihnen das Okay bekommen. Weil einfach zu hohe Geschwindigkeiten gefahren werden. Der Red-Bull-Ring ist ein Hochgeschwindigkeitskurs und hat drei Passagen, in denen die Fahrzeuge mit etwa 320 Kilometer pro Stunde unterwegs sind. Das ist einfach viel zu gefährlich. Bei der MotoGP ist es etwas anders. Wir können auf die Strecke, bevor das Okay von der Race Control kommt. Weil es wichtig ist, dass wir die Fahrer weg von der Strecke bekommen. Dass es durch einen nachfolgenden Piloten nicht zu einem weiteren Unfall kommt.

Sie bekommen also von der Race Control Bescheid, wenn ein Unfall passiert und legen dann los?
Bachmeier: Nein, es ist umgekehrt. Wir funken die Race Control an und geben durch, in welchem Sektor der Strecke etwas passiert ist. Denn die Race Control bekommt die Bilder vom Rennen ein paar Sekunden zeitverzögert. Sie sehen die Geschehnisse nicht eins zu eins, wie wir – sie bekommen die Fernsehbilder. Ich bekomme die Informationen als erster, dann gebe ich sie weiter, und dann wird die Rettungskette in Gang gesetzt. Die letzte Entscheidung liegt dann beim Renndirektor. Entweder wird die Geschwindigkeit gedrosselt oder das Safety-Car kommt auf der Rennstrecke zum Einsatz.

Einsatzleitung Rettung Formel 1 MotoGP Spielberg
Für die schnelle Hilfe: Oben der Rettungshubschrauber, flankiert von Bachmeier und seinem Team. Privat

Wie geht für euch Rettungskräfte ein Renntag über die Bühne?
Bachmeier: Wir treten um sechs Uhr früh unseren Dienst an. Dann steht das morgendliche Briefing auf dem Programm. Da geht es unter anderem um die Außentemperatur, was für eine Streckentemperatur erwartet wird und weiteres. Dann werden die Positionen auf der Rennstrecke besetzt, und dann fangen die ganzen Überprüfungen an. Die ganzen Einsatzmittel wie die Funkgeräte werden von Offiziellen der FIA überprüft. Sie schauen sich auch die Reihenfolge der Fahrzeuge an. Wir haben ja nicht nur den Rettungstransportwagen, sondern auch das Medical-Car, den Traktor für die Fahrzeugbergung und einen Pritschenwagen für den Abtransport der Rennwagen. Damit die Rennstrecke so schnell wie möglich wieder frei ist. Insgesamt sind sieben Teams auf dem Rundkurs im Einsatz, das sind etwa 90 Personen. Was ich noch sagen möchte: Die Sicherheitsstaffel in Spielberg arbeitet hoch professionell. Teilweise kann die Strecke binnen Minuten wieder freigegeben werden. Sie werden auch in Ungarn und Tschechien bei Rennen zur Unterstützung angefordert.

Nochmals zu den Verletzungen, diesmal bei den Fahrern. Ist Ihnen eine spezielle Situation im Gedächtnis geblieben?
Bachmeier: Ja, das war vor vier Jahren, genau in der Corona-Phase. Der Horrorsturz in „Turn 3“ beim MotoGP. Johann Zarco und Franco Morbidelli haben sich auf der langen Gerade Richtung Schönberg gekreuzt, es war eigentlich ein „normaler“ Rennunfall. Dann sind die Motorräder aufgrund der hohen Geschwindigkeit von der Bande abgeprallt und hätten fast Valentino Rossi und Maverick Vinales getroffen. Das haben wir aus nächster Nähe miterlebt. Glücklicherweise ist beiden nichts Schlimmeres passiert, sie sind am nächsten Tag weitergefahren. In der Formel 1 hatten wir die letzten sechs, sieben Jahre zum Glück keinen schweren Unfall mit Personenschaden.

Führen Sie das auf die Tatsache zurück, dass die Formel 1 generell sicherer geworden ist?
Bachmeier: Auf jeden Fall. Das hat auch mit der Einführung des Halo-Systems zu tun. Für uns als Rettungskräfte war das allerdings anfangs eine neue ­Herausforderung. Früher konnte man ohne Probleme direkt zum Fahrer hin, jetzt ist dieser Bügel da. Den kann man nicht einfach so wegnehmen. Es kein Klick­system, um ihn schnell ­abnehmen zu können. Uns hat man erklärt, dass alles, was mit einem Schnellspannsystem zu tun hat, Sollbruchstellen ­beinhaltet. Es erschwert die Rettung, erhöht aber die Sicherheit. Und dann haben wir eine spezielle Schulung bekommen, wie man den Fahrer trotz Halo-Bügel aus dem Fahrzeug herausbekommt.

Hatten Sie schon einmal einen Todesfall zu beklagen?
Bachmeier: Nein, unter den Fahrern nicht.

Bei all dem Aufwand und der Zeit, die Ihre Tätigkeit in Anspruch nimmt: Werden Sie dafür entlohnt, oder ist es reine Leidenschaft?
Bachmeier: Das alles passiert auf freiwilliger Basis, ist eine ehrenamtliche Tätigkeit. Wie bei der Rettung auch. Wir werden auch privat in unseren Berufen nicht freigestellt und nehmen Urlaub für diese Woche.

Ein Götzner im Einsatz in der Formel 1
Josef Bachmeier muss den Ablauf für die Rettungskräfte akribisch planen. Jedes Detail muss beachtet werden, alles muss im Ernstfall perfekt funktionieren. Stiplovsek

Apropos privat. Sie sind bekennender Motorsportfan. Wer ist denn in der Formel 1 Ihr Favorit?
Bachmeier: Das stimmt. Schon seit Kindertagen begeistert mich der Motorsport – egal ob zwei oder vier Rädern. Und ich bin ein Fan von Max Verstappen.

Haben Sie ihn den schon einmal getroffen beziehungsweise kennengelernt?
Bachmeier: Natürlich (lacht). Wir kennen uns und haben uns beruflich sowie privat schon mehrfach getroffen. Wir pflegen ein freundschaftliches Verhältnis. Auch die anderen Fahrer kennen mich, und ich kenne sie. Aber das ist nach all den Jahren auch normal. Man unterhält sich über dies und das, wir sind ja auch Arbeitskollegen. Was wir aber zum Beispiel nicht dürfen, ist Fotos mit den Fahrern machen. Das ist von der FIA so gewünscht, weil die Medien die Bildrechte haben.

Wie ist Verstappen denn so, wenn man ihn kennt?
Bachmeier: Er ist ein cooler Typ. Ganz normal wie du und ich. Klar, als Rennfahrer gehört eine Portion Verrücktheit dazu. Aber ich muss sagen, die richtigen Freaks sind die MotoGP-Fahrer. Ich würde so sagen: Man akzeptiert sie (lacht).

Also kennen Sie die MotoGP-Piloten auch?
Bachmeier: Ja, klar. Es ist dasselbe wie in der Formel 1. Wir sind Arbeitskollegen, wenn man so will. Mein Favorit ist Francesco Bagnaia, auch ihn kenne ich persönlich.

Sie sind Arbeitskollegen, sind hautnah dabei, wenn die Fahrer ihre Tätigkeit ausüben. Was ist denn die größte Herausforderung bei Ihrer Tätigkeit?
Bachmeier: Die Größe von diesem Event mit über 300.000 Zuschauern. Was da an Planung dahintersteckt, um alles abzudecken.

Wie gefährlich schätzen Sie Ihren Job ein?
Bachmeier:
Sobald Fahrzeuge auf der Strecke sind, egal ob Autos oder Motorräder, muss das Auge auf die Rennstrecke gerichtet sein. Da ist nichts mit nebenher mit der Kollegin oder dem Kollegen reden oder einen Kaffee trinken. Während dem Warm-up, während dem Training und dem Hauptrennen ist der Blick auf der Strecke. Erstens dass wir gleich mitbekommen, wenn etwas passiert, zweitens dient es auch unserer Sicherheit. Es gibt schon Sicherheitszäune, aber nicht überall. Wir müssen ja Zugang zur Rennstrecke haben.

Einsatzleitung Rettung Formel 1 MotoGP Spielberg
Zeit für ein Erinnerungsfoto muss sein. Privat

Muss man etwas Besonderes mitbringen, um diese Arbeit ausführen zu können?
Bachmeier: Begeisterung für den Rennsport und für den Rettungsdienst (lacht). Und vor allem Zeit. Weil es sehr zeitintensiv ist.

Wie lange möchten Sie die Tätigkeit als Einsatzleiter in Spielberg noch fortführen?
Bachmeier: Unbegrenzt (lacht). Der Formel-1-Vertrag läuft noch bis ins Jahr 2028 am Red-Bull-Ring. Also die FIA hat fixiert, dass die Formel 1 bis zu diesem Jahr in Spielberg fährt. Wenn diese Frist abgelaufen ist, wird weiterverhandelt. Wie lange es dann weitergeht, ob bis 2030 oder 2035, das weiß man noch nicht. Miami und Bahrain zum Beispiel wurden gerade für ziemlich lange fixiert. Monaco hingegen wird wackeln. Es ist gefährlich, nicht mehr zeitgemäß, und die Spannung lässt mittlerweile auch zu wünschen übrig.

Gibt es Ihrer Meinung nach Sachen, die man verbessern könnte? Oder ist nach all den Jahren alles so eingespielt, dass es perfekt funktioniert?
Bachmeier: Wir haben jedes Jahr im Herbst eine Besprechung, in der es darum geht, was man besser machen könnte. Es geht um den Feinschliff, und es werden von Jahr zu Jahr kleine Dinge verbessert.

Nach so einem Rennwochenende ist wohl zu sagen, dass es am besten war, wenn Sie keine Arbeit hatten, oder?
Bachmeier: Ja, natürlich. Wir sind natürlich immer alle froh, wenn so ein Wochenende glimpflich über die Bühne gegangen ist und es keine großen Zwischenfälle gegeben hat.

Aus aktuellem Anlass: Es besteht die Möglichkeit, dass Max Verstappen für Spielberg gesperrt wird. Was sagen Sie dazu?
Bachmeier: Das wäre eine Tragödie! Aber nicht nur für mich, sondern auch für das gesamte holländische Publikum. Es werden etwa 40.000 von ihnen erwartet. Das würde der Stimmung sicher nicht guttun. Aber ich bin guter Hoffnung, dass sich Verstappen heute in Kanada ordentlich verhält.

Abschließende Frage: Ist es ein Traumjob für Sie?
Bachmeier: Voll und ganz. Ich lebe für das. Ich lebe für das Rote Kreuz, ich lebe für den Motorsport. Ich liebe die Atmosphäre und wie das Publikum mitgeht. Ja, ich kann es nicht anders sagen: Ich lebe für das alles.