Saisonstart unter völlig neuen Vorzeichen

Austria Lustenau lud gestern zu einem Pressegespräch nach Lech, wo die Grün-Weißen dieser Tage ihren traditionellen Auftakt in die Sommervorbereitung bestreiten. Bei dem Medientermin wurde klar: In Lustenau bewegt sich was.
Dass die Austria ihre Sommervorbereitung in Lech im Hotel Gotthard bei Clemens Walch beginnt, hat bereits lange Tradition bei den Grün-Weißen. Dass die Lustenauer dieses Mal mit einem praktisch fertigen Kader in die Arlberger Bergwelt anreisten, gab es so wohl noch nie. Unvergessen ist, wie der seinerzeitige Austria-Trainer Helgi Kolvidsson in Lech auf einen Anruf des damaligen Austria-Zampanos Hubert Nagel wartete, in der Hoffnung, Nagel würde die Ankunft eines Stürmers ankündigen. Kolvidsson wünschte sich einen bulligen Brecher als Nummer neun, und siehe da, das Handy des Isländers klingelte. Nagel hatte frohe Kunde, ein Stürmer sei verpflichtet, der neue Mann sei mit ihm unterwegs nach Lech. Eine Stunde später stieß Nagel zur Mannschaft, als Kolvidsson das Mitbringsel des Vereinspräsidenten sah, blieb dem Austria-Trainer der Mund offen: Nagel hatte mit Lukas Kragl einen schmächtigen Burschen verpflichtet, das Wort „Brecher“ traf auf den 22-Jährigen nur insofern zu, als dass Kragl zwei Jahre zuvor bei einem Foul Salzburg-Goalie Eddie Gustafsson das Schien- und Wadenbein brach. Kolvidsson murmelte etwas in seinen nicht vorhandenen Bart, lächelte und konnte nicht glauben, wie ihm geschah.
Klare Vorgaben
So gesehen ist das, was da gerade in Lustenau passiert, die grün-weiße Interpretation eines Schlaraffenlands. Sieben neue Spieler waren gestern bei der Pressekonferenz in Lech dabei, aktuell umfasst der Austria-Kader 21 Feldspieler und vier Torhüter. Lustenaus neuer Sportdirektor Dieter Alge offenbarte, dass man den Kader nicht weiter vergrößern wolle. „Unser Ziel ist, mit 20 Feldspielern und vier Torhütern in die Saison zu gehen“, betonte der 59-Jährige. Das heißt allerdings nicht, dass weitere Neuzugänge auszuschließen sind. Weil: „Es kann sein, dass uns der ein oder andere Spieler noch verlässt, der aktuell noch Vertrag hat.“ Austria-Trainer Markus Mader jedenfalls ist voll des Lobes über die Arbeit des Vereins: „Wir haben schon im Laufe des Frühjahrs mit der Kaderanalyse begonnen, als noch Mirco Papaleo unser Sportdirektor war. Dabei haben wir ganz klar festgelegt, was uns in der Saison 2024/25 gefehlt hat, und haben uns gezielt verstärkt.“ Auf eine Journalisten-Nachfrage, ob er bei den Transfers Mitspracherecht gehabt hätte, lächelte der Vorarlberger und fügte an: „Selbstverständlich. Ich bin der Trainer.“

Aus Fehlern gelernt
Dass das mit der Trainereinbindung früher nicht selbstverständlich in Lustenau war, zeigt die Episode mit Kragl und ließe sich mit vielen weiteren Schmunzetten belegen, die aktuelle Arbeitsweise bei der Austria zeugt jedoch davon, dass man aus Fehlern gelernt hat. Für solche Fehler muss man auch gar nicht so tief ins Archiv steigen, da reicht ein Blick zurück in den Sommer 2023, als auf dem Mannschaftsfoto der Lustenauer mehr Betreuer als Spieler abgelichtet waren.
Auch das kam gestern in Lech freilich zur Sprache. „Ich wusste, dass dieses Thema aufkommt“, sagte ein gutgelaunter Stephan Muxel, der wie immer den Bregenzerwälder Dialekt pflegte und frisch, fromm, fröhlich, frei von der Leber weg plauderte. „Wir wollten unbedingt bei der Kaderzusammenstellung früh dran sein“, erklärte der Austria-Sportvorstand aus Au offenherzig. „Valentin Drexel hat dabei das Zepter in die Hand genommen. Uns war aber auch wichtig, dass wir einen Sportdirektor bekommen, der sich intensiv mit der Mannschaft beschäftigt, in die Mannschaft hineinhorcht und so ein bisschen eine Vaterfigur für die Spieler ist. Das hat uns gefehlt, mit Dieter Alge haben wir jetzt so einen Sportlichen Leiter.“ Bei der Austria wollen sie eine Spielphilosophie etablieren, wie genau die aussieht, wollte Alge, der seinen Dienst diese Woche angetreten hat, gestern nicht verraten. „Das hier ist der falsche Ort und der falsche Zeitpunkt, über unsere Spielphilosophie zu sprechen. Ich möchte das alles zuerst mit Markus besprechen.“
Drei Schlagworte
Ein bisschen was war Alge dann doch zu entlocken: „Markus hat schon gezeigt, dass er für einen klaren Fußball mit einem klaren Plan steht. Er hat auch schon in der Bundesliga bewiesen, dass er offensiven Fußball spielen lässt. Aber aktuell sind wir alle noch in der Kennenlernphase.“ Mader nannte drei Schlagworte, die prägend für die neue Mannschaft werden sollen: „Wir brauchen Mentalität, Intensität und Effektivität“. Nicht ganz so deutlich wurde Austrias Aufstiegstrainer der Saison 2021/22, was die Ziele angeht: „Aktuell wollen wir noch nicht zu weit nach vorne schauen. Unser erstes Ziel ist, dass wir uns als Team schnell finden, die Neuzugänge integrieren und die Spieler auf ein hohes Level bringen, damit wir von Anfang an besser performen als im Vorjahr. Und wir sind zu 100 Prozent überzeugt davon, dass wir das schaffen.“
Als die sieben Neuzugänge zu Wort kamen, fiel immer wieder die Schilderung, dass sie vom „Projekt Austria Lustenau“ überzeugt seien. Das neue Stadion sei ein Teil davon, meinte zum Beispiel Mario Vucenovic, aber nicht als unmittelbarer Anreiz, sondern als Sinnbild dessen, dass der Verein Ziele hat: „Im Laufe dieses Pressegesprächs ist öfters das Wort „Druck“ gefallen, so als ob Druck eine Last wäre. Für mich ist Druck ein Ausdruck von Ambitionen, wenn du keine Ambitionen hast, dann fehlt dir auf dem Platz der letzte Antrieb und du spielst du einfach nur.“

Neuer Weg
Ja, es gibt wahrlich schlechtere Ausgangspositionen als die der Grün-Weißen. Sportlich können sich die Lustenauer im Vergleich zur Vorsaison nur verbessern, am 19. Juli zieht man ins neue Reichshofstadion ein, das Muxel gestern mit Fug und Recht ein Schmuckkästchen nannte und bei der Kaderplanung ist man eben auch schon fast am Ziel. Zur Kaderzusammenstellung verriet Mader noch: „Ich war auch in früheren Austria-Jahren bei der Kaderplanung weitgehend involviert. Aber da wurden mir Spieler aus dem CSC-Netzwerk präsentiert, die ich teilweise überhaupt gar nicht kannte, wie etwa junge Spieler aus der vierten französischen Liga. Dieses Mal haben wir mehrheitlich Spieler verpflichtet, die wir aus der Bundesliga oder 2. Liga kennen. Auch damit sind wir einen neuen Weg gegangen.“ Man darf gespannt sein, wohin der Weg der Austria führt. Die Grün-Weißen gehen jedenfalls unter neuen Vorzeichen in die Saison 2025/26.