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“Werner, wir werden dich nie vergessen”

27.12.2025 • 22:37 Uhr
"Werner, wir werden dich nie vergessen"
Herbert Oberscheider und Werner Alfare vor fast auf den Tag genau vor 20 Jahren in der Rheinhalle. NEUE-Archiv

Nachruf. Am 4. September 2025 ist der legendäre Eishockeyfunktionär Werner Alfare mit 75 Jahren verstorben. In einem Gastbeitrag erinnert Herbert Oberscheider an Alfare, mit dem er fast 50 Jahre beim EHC Lustenau gewirkt hat.

Wenn ich meinen Lebensfreund Werner Alfare beschreiben soll, dann kann ich das nicht besser als mit folgender Geschichte: Vorweihnachtszeit 1983, genauer 19. Dezember 1983: Seine Frau Kathi war im Entbindungsheim Lustenau, die gemeinsame Tochter vor der Geburt. Für Werner war das kein Grund, nicht in der Rheinhalle zu sein, denn es war Spieltag seines geliebten EHC Lustenau. Werner parkte sein Auto so vor der Halle, dass er ohne Probleme losfahren konnte, aber erst, wenn der Anruf kam. Er könnte ja was verpassen. Gegen Ende des ersten Drittels kam der Anruf. Werner verließ wie ein Blitz die Eishalle, doch zu Beginn des dritten Drittels stand er wieder an der Bande. Gerade eben hatte er seine neugeborene Tochter in den Armen gehalten, jetzt war er wieder bei seinem EHC. So war Werner. Ein Vereinsmeier par excellence.
Nach dem Spiel stieg in der Kabine eine Partie, wie ich sie selten erlebt habe. Vielleicht, als wir am Ende der Saison als Nationalliga-Meister in die Bundesliga aufstiegen, vielleicht wie im Frühjahr 1985, als wir nach der Finalrunde Erster in der Bundesliga waren und in den Play-offs auf den KAC trafen. Werner war so eng mit dem EHC Lustenau verbunden, das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen.

EHC Lustenau 1984
Alfare war bereits in den 1980er-Jahren Sportlicher Leiter beim EHC. NEUE-Archiv

Da blieb mir der Mund offen
Legendär ist auch die Anekdote, wie Werner mit seiner Frau in Südtirol auf Urlaub war. Kathi wäre am Abend gerne irgendwohin essen gegangen, aber der EHC bestritt in der Nähe ein Testspiel, da musste er in die Eishalle. Da gab es überhaupt keine Diskussion. Ich erinnere mich an eine Situation, als beim EHC Lustenau ein Hauptsponsor ausfiel. Der Verein stand vor dem Aus. Da hat mich Werner mit zu unserer Hausbank gezerrt und eine Haftung für eine Million Schilling unterschrieben. Ich weiß noch, wie ich zu Werner gesagt habe: „Du spinnst, das kannst du nicht machen. Das kann dein Ruin sein.“ Aber Werner meinte, der Hauptsponsor hätte ihm in die Hand versprochen, dass er das Geld nachreicht. Ich bin mit offenem Mund neben ihm gesessen. Der Sponsor hat den ausgefallenen Betrag mit Zinsen zurückgezahlt und Werner mal wieder recht behalten.
Ich kann mich an eine andere Begebenheit erinnern. Da ging es um den Jahresbeitrag für die Parkgebühr vor der Halle. Werner machte es wahnsinnig, dass wir eine Nachzahlung leisten mussten. Auf Nachfrage sagte er mir, dass es um 600 Euro geht. Ich sagte wieder mal zu ihm: „Du bist doch verrückt, wegen so einem Betrag gehst du uns allen seit Wochen so auf die Nerven? Ich übernehme die 600 Euro, nur, damit Ruhe ist.“ Werner lehnte lächelnd ab. Und fand einen Weg, wie wir die 600 Euro nicht zahlen mussten. Ich bin seit 53 Jahren beim EHC Lustenau, Werner war 49 Jahre dabei. Als Betreuer, Manager, Präsident, Finanzreferent.

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So war er, der Werner Alfare: Immer geschäftig, “all dra”. NEUE-Archiv

Das ganz besondere Versprechen
Werner war die Seele des EHC. Wirklich nie vergessen werde ich, wie er Verhandlungen mit einer Frau eines Importspielers führte. Wir wollten den Spieler unbedingt, aber die Frau hat keinen Millimeter nachgegeben. Sie hat verlangt, dass ihr Mann der Bestverdiener beim EHC werden müsste, was Groschenfuchser Werner die Schweißperlen auf die Stirn trieb: Was, wenn der Spieler doch nicht so gut war?
Die Ehefrau hatte die passende Antwort parat und sagte: Wenn mein Mann nicht der beste Spieler ist, gibt es keine Kuscheleinheiten. Werner dachte an einen Scherz, aber der Spielerfrau war das ernst. Werner überzeugte das Druckmittel, er gab dem Spieler das geforderte Gehalt. Der Spieler hat die höchsten Erwartungen übertroffen. Werner hat immer nur das Beste für den Verein im Sinn gehabt. Als der EHC nach der Saison 1989/90 in ein Konkursverfahren schlitterte und den Ausgleich anmelden musste, wollte mehr oder weniger keiner mehr was vom EHC Lustenau wissen. Werner war noch da, und Präsident wurde Kurt „Moschtar“ Riedmann. Zu zweit haben sie es geschafft, dass der EHC wieder in ruhige Fahrwasser kam. In der Saison 1991/92 wurden wir sogar wieder Nationalliga-Meister, verzichteten aber auf den Aufstieg in die Bundesliga. Ohne Werner und ohne Kurt Riedmann wäre das unmöglich gewesen.
Legendär waren auch Werners E-Mails. Ich habe von keinem Menschen so hart formulierte und unerbittliche Nachrichten bekommen wie von Werner. Wenn mehrere Leute im Verteiler waren, habe ich zu allen immer gesagt: Ihr antwortet nicht auf die E-Mail! Wir warten ab, bis sich Werner telefonisch meldet. Denn am Telefon klang er schon wieder viel versöhnlicher. Aber bei seinen E-Mails hat es einem teilweise die Haare aufgestellt. Ich weiß noch, wie Werner auf mich zugekommen ist und gesagt hat, dass er einem der führenden Funktionäre des österreichischen Eishockeyverbands eine E-Mail schreiben wird, aber bei der Anrede nicht dessen Namen verwenden würde, und die Nachricht schon gar nicht per Du verfassen würde, obwohl sie sich schon seit vielen Jahren kannten, sondern in der Anrede nach „Sehr geehrter Herr“ den Namen eines Diktators verwenden würde. Ich sagte zu Werner: „Das machst du nicht! Auf keinen Fall!“ Werner lächelte nur, er schrieb die E-Mail mit der völlig unverfrorenen Anrede und meinte danach nur zu mir: „Das musste gesagt werden!“ Der ÖEHV-Funktionär lächelte, sagte danach, dass die nächste Flasche Wein auf Werner gehen würde, und gab ihm recht.

Ein Mann mit einem Credo
Werner war hoch angesehen im österreichischen Eishockey, weil er, wenn es um das große Ganze ging, immer die Interessen des Eishockeys über denen des EHC stellte. Wie oft habe ich Werner gesagt: „Das, was du da vorschlägst, steht im Fall entgegen den Interessen deines geliebten EHC Lustenau.“ Werners Antwort war immer dieselbe und entwaffnend: „Aber es ist gut für das österreichische Eishockey.“ Werner war einer der Väter der Alps Hockey League, er war maßgeblich daran beteiligt, dass sich der italienische, der slowenische und der österreichische Verband auf einen semiprofessionellen Spielbetrieb als Unterbau für die seinerzeitige EBEL einigen konnten.
Trotzdem war Werner sich aber nicht zu fein einzugestehen, dass sich seine Idee in die falsche Richtung entwickelt hatte, als sich die Budgets der AlpsHL-Top-Teams immer mehr den Nachzüglern der ICE Hockey League angenähert haben. Werner hat den Rückzug aus der Alps Hockey League voll mitgetragen. Denn sein Credo war: Wir müssen in der Liga spielen, in der der überwiegende Teil unserer Mannschaft aus Eigenbauspieler besteht.
Sind wir uns ehrlich, wenn man einen Nachruf auf einen verstorbenen Freund verfasst, der fast ein halbes Jahrhundert Seite an Seite mit einem für dasselbe Ziel, für den EHC Lustenau gekämpft hat, dann neigt man dazu, alles nur rosarot zu sehen. Das will ich nicht. Werner war einer, der die Vergangenheit nicht loslassen konnte. Wenn er manchmal bei Präsidiumssitzungen eine Wortmeldung mit „früher“ begann, haben einige schon die Augen verdreht, weil er wieder mit einer Anekdote aus dem Jahre Schnee kam, die einfach nicht mehr auf die heutigen Zeiten übertragbar war. Früher, und ja, ich fang’ den Satz bewusst auch mit dem Wort an, traf sich die gesamte EHC-Mannschaft nach Spielen noch beim Präsidenten, beim Trainer oder bei einem Spieler und festete die halbe Nacht durch. So gefiel das Werner: Der EHC als Familie. Dass die Zeiten anders wurden, konnte er nicht akzeptieren. Wobei er schon Recht hatte: Früher hat es mehr Spaß gemacht. Weil noch ein bisschen Raum für das Miteinander blieb.

"Werner, wir werden dich nie vergessen"
Zwar nicht aus dem Jahre Schnee, aber zumindest verdammt lang her: Der EHC Lustenau 1998 gegen den DEK Klagenfurt. Dietmar Stiplovsek

Die Suche nach dem Vollidioten
Eine Geschichte, die mir da auf Stichwort aus Bundesliga-Zeiten in den 1980er-Jahren einfällt: Ein Spieler hat an einem Nachmittag zwei Autos gekauft, eins beim Autohaus Lingg und das andere beim Auto Hollenstein. Ich nenne jetzt nicht den Namen des Spielers, auch nicht den des Mitspielers, den er im Schlepptau mitgenommen hat, gut angekommen ist die Aktion nicht bei den Autohäusern, die natürlich auch Sponsoren waren beim EHC. Werner bekam noch am selben Tag einen Anruf von einem Autohaus, ob denn die Spieler bei uns so viel verdienen würden? Werner kam zum Training und fragte, welcher Vollidiot sich das geleistet hätte?
Es stellte sich heraus, dass der betreffende Spieler natürlich nicht das Geld für zwei Neuwagen hatte, also regelte Werner die Angelegenheit. Wenn Importspieler zum EHC kamen, haben wir immer ausgezeichnete Standards gesetzt: Die Wohnung musste top sein, das bereitgestellte Auto ebenfalls, weil das, wie Werner zu recht der Meinung war, in Spielerkreisen die beste Werbung für den EHC war. Viele der ehemaligen Legionäre kommen noch heute zu Besuch nach Lustenau und schwärmen von ihrer Zeit beim EHC, und damit wir uns nicht falsch verstehen, da waren Spieler dabei, die es danach zu viel größeren Vereinen schafften. Werner war auch immer sehr stolz darauf, dass der EHC Lustenau neben dem KAC und Villach der einzige Verein in Österreich ist, der in der Bundesliga gespielt hat und immer noch besteht seit der Gründung.
Nicht jeder Spieler mochte Werners Art, weil er sehr direkt und unverblümt war. Aber er hatte ein Fachwissen wie kaum ein anderer im österreichischen Eishockey und hat nicht selten Entscheidungen forciert, die gut für den Sport waren. Er war Ansprechpartner für Michi Lampert bei der VEU oder Alexander Kutzer beim Dornbirner EC. Ich kann mich daran erinnern, wie wir und ein anderer Vorarlberger Verein an einem sehr guten Verteidiger dran waren. Irgendwann entschied Werner, dass wir aus den Verhandlungen aussteigen, und sagte: Es bringt uns mehr, wenn der Spieler zur Konkurrenz wechselt und die Derbys sportlich brisant sind.

EHC Lustenau 1984 Hauptbild
Jetzt aber ein Bild aus dem Jahre Schnee: Der EHC in der Erfolgssaison 1984/85. Hier am 22. September 1984 beim Jubel über das 5:0 gegen die VEU Feldkirch. NEUE-Archiv

Er ließ uns singen
Werner konnte auch seinen EHC nicht loslassen. Er sagte zwar schon vor vielen Jahren, dass ihm langsam alles zu viel würde, aber bei den Standards, die er setzte, hat sich kein Normalsterblicher auf seine Nachfolge als Finanzreferent eingelassen. Im Mai 2025 hat er mich dann dann aber informiert, dass er nicht mehr die Kraft hat, um weiterzumachen. Wir hatten seine Verabschiedung für das erste Saisonderby geplant, doch dazu ist es nicht mehr gekommen. Er ist am 4. September verstorben.
Wir haben Werner unter dem Hallendach der Rheinhalle verewigt, ich werde ihn als Freund und EHC-Wegbegleiter immer in meinem Herzen tragen. Als ich als junger Spieler zum EHC gekommen bin, hat er eingeführt, dass wir auf der Busfahrt zu den Spielen ein Lied singen, „Old MacDonald had a farm“ hieß das Lied, jeder Spieler hatte eine eigene Strophe. So war er, der Werner. Ein Original, das am Ende so ein bisschen die Zeit anhalten wollte, aber einer, dessen Platz nie mehr jemand ausfüllen können wird beim EHC, weil er sich für alles zuständig fühlte, um seinem EHC zu dienen.

EHC Lustenau
September 2001: Ein EHC-Teamfoto mit Alfare ganz rechts der anderen Art – die Dressen waren noch nicht da. NEUE-Archiv

Jeder Sieg ist auch ein Sieg für dich
Nach Werners Tod habe ich voller Sorge die Bücher geöffnet und mich darauf eingestellt, viel Zeit investieren zu müssen, um die Finanzlage des EHC zu durchblicken. Aber Werner hat alles so klar und penibel aufgelistet, dass sich die Ehefrau von Ex-Spieler Pipo Eiler, die Buchhalterin Caroline Eiler, sofort einen Überblick verschaffen konnte und mich beruhigte: Alles ist bis auf den letzten Cent nachvollziehbar.
Da wäre Werner das Herz aufgegangen: Nicht nur, dass seine Buchhaltung stimmte, sondern auch, dass der EHC so eng zusammensteht: Dass Pipo Eilers Frau sich für den Verein engagiert, Pipo inzwischen als Trainer beim EHC tätig ist und deren Kinder im EHC-Nachwuchs spielen – so hat Werner den EHC Lustenau gesehen: als große Familie. Werner hat auch schon eine Nachfolgerin, Birgit Dietrich, aufgebaut für alle organisatorischen Elemente, um es kurz und knapp auszudrücken, auch so ein Vereinsmeier wie Werner. Und doch: Der Mensch Werner Alfare wird unersetzbar für den EHC Lustenau bleiben. Danke Werner für alles, was du für den EHC Lustenau in fast fünf Jahrzehnten geleistet hast, danke für deinen Weitblick, deinen Mut, deine Beharrlichkeit, dein Feuer – und danke für deine Freundschaft. Ruhe in Frieden, lieber Werner. Wir werden dich nie vergessen. Jeder Sieg ist auch ein Sieg für dich.