Denkmalschutz-Streit in Feldkirch: Schwere Kritik an Gutachterin

04.08.2023 • 11:34 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Das Café Feurstein wurde Anfang 2022 behutsam renoviert. <span class="copyright">Sams</span>
Das Café Feurstein wurde Anfang 2022 behutsam renoviert. Sams

Amtssachverständige im Verfahren Café Feurstein habe „Boden der Objektivität verloren“ – Stadt beantragte einen neuen Gutachter.

Wie die NEUE mehrfach berichtete, befindet sich die Stadt Feldkirch in einem Rechtsstreit mit dem Bundesdenkmalamt (BDA). Es geht um das 1949 eröffnete Café Feurstein. Die Stadt als Eigentümerin der Liegenschaft wehrt sich gegen die Unterschutzstellung des fremden Kaffeehausinventars. Die politisch Verantwortlichen sprechen von einer „kalten Enteignung“ und befürchten Nutzungseinschränkungen.


Bis vor Kurzem schien die Unterschutzstellung so gut wie einzementiert. Der Stadt blieb nur noch der Gang zum Verfassungsgerichtshof. Doch dann tauchte plötzlich eine alte Ansichtskarte auf und ließ Zweifel an der Schlüssigkeit des BDA-Gutachtens aufkommen. Auf der Postkarte mit Stempel aus dem Jahr 1953 ist das Feurstein-Mobiliar ohne die prägnanten roten Kunstlederbezüge zu sehen (siehe kleines Foto). Die Amtssachverständige hatte jedoch in ihrem Gutachten festgestellt, dass diese für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg charakteris­tisch seien und es sich beim Café Feurstein um das einzig ­authentisch erhaltene Kaffeehaus aus dieser Zeit in Vorarlberg handle.

Gutachterin nahm Stellung.

Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) entschied, das Verfahren wieder aufzunehmen. Es sei nicht gänzlich auszuschließen, dass aufgrund des neuen Beweismittels die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht doch für die Antragstellerin ausgegangen wäre, heißt es in der Entscheidung.
Mittlerweile hat besagte Amtssachverständige zum neuen Sachverhalt Stellung genommen. Das Schreiben liegt der NEUE vor. Für die Gutachterin ist die geschichtliche, kulturelle und künstlerische Bedeutung des Traditionskaffeehauses nach wie vor gegeben. „Die meisten Baudenkmale haben im Laufe der Zeit größere oder kleinere Veränderungen erfahren, die zum Bestandteil der geschichtlichen Überlieferung geworden sind“, heißt es in der Stellungnahme. Selten, so die Amtssachverständige weiter, sei der Werkcharakter unverändert, da er in der Regel Nutzungstraditionen mit Anpassungen an neue Erfordernisse, der Mode und dem Zeitgeist und natürlich dem Verschleiß von Material unterworfen sei.„Durch die hervorgebrachten Veränderungen entsteht schluss­endlich ein ‚gewachsener Zustand‘ der dann, zum Zeitpunkt des Gutachtens betrachtet, eine ganz spezifische historisch-ästhetische Qualität im Erscheinungsbild mit sich bringt.“

Finanzstadtrat Benedikt König spricht von einer "undifferenzierten Stellungnahme". <span class="copyright">Hartinger</span>
Finanzstadtrat Benedikt König spricht von einer "undifferenzierten Stellungnahme". Hartinger

“Wertschätzend angepasst”

Wann die eher rustikalen Polsterbezüge mit dem roten Kunstleder ausgetauscht wurden, brachte die Amtssachverständige offenbar erst vor Kurzem in einem Gespräch mit der Lebensgefährtin des verstorbenen, früheren Wirts in Erfahrung. Demnach wurden die fest eingebauten Sitzmöbel sowie Stühle erst in den 1970er-Jahren neu bezogen. Die Ausstattung selbst habe sich „im Wesentlichen nicht verändert“, so die Gutachterin. Man habe die bestehenden Möbel nicht entsorgt, sondern wertschätzend dem Geschmack der Zeit angepasst.

Barbara Keiler, Leiterin der Vorarlberg-Abteilung des Bundesdenkmalamts. <span class="copyright">Hartinger</span>
Barbara Keiler, Leiterin der Vorarlberg-Abteilung des Bundesdenkmalamts. Hartinger

Neuer Gutachter beantragt

Die Stellungnahme sorgt in Feldkirch für Kopfschütteln und reichlich Kritik. Für Finanzstadtrat Benedikt König (ÖVP) hat die Sachverständige „den Boden der Objektivität und der geforderten Sachlichkeit verlassen“. Es stehe einer Bundesbehörde nicht gut an, sich im Nachgang die – im Übrigen weder kunsthistorisch noch rechtlich fundierten – Argumente aus den Fingern saugen zu müssen, so der Stadtrat auf NEUE-Anfrage. Er hält die Gutachterin aufgrund ihrer „undifferenzierten Stellungnahme“ für ungeeignet. Die Stadt beantragte beim BVwG vor zwei Wochen einen ­neuen Gutachter, eine Entscheidung liegt noch nicht vor. Barbara Keiler, Leiterin der Vorarlberg-Abteilung des BDA, wollte Königs Aussagen auf Anfrage nicht kommentieren, sagte nur so viel: „Die Hinzuziehung und fachliche Beurteilung von Amtssachverständigen oder auch anderen Sachverständigen obliegt dem unabhängigen Gericht.“