Sport

Die globale Tanzelite hinter sich gelassen

29.07.2025 • 12:29 Uhr
Die globale Tanzelite hinter sich gelassen
Dietmar Stiplovsek

Vom 3. bis 12. Juli fand im spanischen Burgos das Finale des Dance World Cup statt. Der Akrobatik und Showtanzverein Walgau ist mit seiner Truppe „aCREWbatics“ Vizeweltmeister geworden. Und im nächsten Jahr soll den jungen Akrobatinnen und Akrobaten um Trainerin Nicole Tschabrun der ganz große Wurf gelingen.

Seit dem Jahr 2011 gibt es den Akrobatik- und Showtanzverein (ASTV) Walgau. Und vor etwas mehr als zwei Wochen hat man den größten Erfolg der Vereinsgeschichte für sich verbuchen können: den Titel des Vizeweltmeisters. Bei den Tanzweltmeisterschaften in Burgos, Spanien, haben die „aCrewbatics“, so der Name der jungen Akrobatikgruppe aus dem Oberland, mit ihrer Aufführung in der Kategorie „Acro Dance“ professionelle Tanzschulen hinter sich gelassen. Die 35 Mädchen und Burschen im Alter von 10 bis 22 Jahren haben die Jury überzeugt und 99 Prozentpunkte erhalten: „Normalerweise wird man mit so einem Ergebnis Weltmeister, diese Wertung gibt es nicht sehr oft. Aber die Gewinner haben 99,2 Prozentpunkte bekommen“, erzählt Trainerin Nicole Tschabrun. Sie wirkt dabei keineswegs verärgert, lacht, während sie von dem äußerst knappen Ergebnis berichtet. „Es ist Wahnsinn, dass wir Vizeweltmeister geworden sind. Unglaublich“, so Tschabrun weiter.

Die globale Tanzelite hinter sich gelassen
Trainerin Nicole Tschabrun, Theresa Grass, Lina Pfeffer und Valentin Fitsch (v.l.) Dietmar Stiplovsek

Noch nicht ganz realisiert

Dass man sich Vizeweltmeister nennen darf, ist auch für die Protagonisten selbst noch nicht ganz greifbar: „Ich kann es irgendwie noch nicht richtig greifen und habe es noch nicht ganz realisiert. Als man uns bei der Siegerehrung aufgerufen hat, konnte ich es zuerst gar nicht glauben“, erzählt die zwölfjährige Theresa Grass. Ihre Teamkollegen Lina Pfeffer und Valentin Fitsch pflichten ihr bei. Valentin ergänzt: „Wir sind alle unglaublich stolz, weil wir das ganze Jahr dafür trainiert haben“, so der 22-jährige.
Neben den 35 Hauptdarstellern sind etliche Eltern mit nach Spanien gereist, um die akrobatische Darbietung ihres Nachwuchses live auf der Bühne zu sehen. „Insgesamt waren wir etwa 80 Personen. Es war dann umso schöner, weil die Eltern dabei waren. Ich meine, wir Trainer hätten natürlich auch gefeiert“, sagt Nicole Tschabrun. Und dass es hilft und mehr Sicherheit gibt, wenn Mama und Papa im Publikum sitzen, da sind sich alle einig. Außer Valentin: „Das kann ich nicht sagen, meine Eltern waren nicht dabei (lacht). Aber es ist großartig, wenn Leute zuschauen, die man kennt. Da kannst du mal zeigen, was du machst, wenn du das ganze Jahr sagst, ich kann heute nicht, ich muss aufs Training“, erklärt der ausgebildete Rettungssanitäter. Mit dabei war Christine Grass, die Mutter von Theresa. Auch sie bestätigt, dass ihre Anwesenheit auf jeden Fall einen positiven Effekt hatte. Und sie erzählt, sichtlich stolz auf ihre Tochter und ihre Freunde, vom Erlebten: „Ich glaube das war eine zusätzliche Motivation, ja. Nach der Verkündung des Ergebnisses sind bei uns Eltern alle Dämme gebrochen, auch die Papas haben ein paar Freudentränen vergossen“, erinnert sie sich. Und die, die nicht dabei sein konnten, wie Omas, Opas, Tanten, Onkel und Freunde, haben alles gemeinsam zu Hause auf den Bildschirmen verfolgt.

Vizeweltmeiser Spanien 2025
“Acro Dance” enthält Elemente aus dem Kunstturnen, Akrobatik und Tanz. Verein

Viel Zeit und Arbeit

Bis eine bühnenreife Tanzeinlage steht, dauert es eine Weile und erfordert sehr viel Training. Neun bis zwölf Stunden in der Woche, das ganze Jahr lang. Denn die Anforderungen sind hoch. „Es heißt ja Acro Dance. Das heißt, man muss schauen, dass man die Akrobatik in den Tanz integriert. Es ist ganz genau vorgeschrieben, wie viel Prozent von was die Performance beinhalten muss. Zudem braucht es Drehungen, Sprünge, Bodenakrobatik, Tanzschritte. Es gibt zum Beispiel eine eigene Bewertung für Technik, die aber Tanz- und Hebetechnik beinhaltet. Also ist es nicht von großem Nutzen, wenn ich nur Doppelsaltos mache und keine Tanztechnik zeige. Das muss alles kombiniert werden“, führt Trainerin Tschabrun aus. Und das alles muss zur Musik passen und umgekehrt, es gilt, ein Thema zu finden und die Kostüme zu organisieren. Das erfordert viel Herzblut und auch Verzicht von allen Beteiligten.
Wie in den meisten Randsportarten sieht es auch beim ASTV Walgau mit finanziellen Förderungen nicht gerade rosig aus. Auch die Reise nach Spanien wurde zum größten Teil von den Eltern und Sponsoren ermög­licht. Denn eine Saison mit den ganzen Qualifikationsturnieren ist nicht gerade billig. „Als wir in Spanien gesehen haben, wie professionell alles abläuft, waren wir uns sicher, dass wir die einzigen unbezahlten Trainer bei diesem Turnier sind“, sagt die 50-Jährige lachend. Und vor diesem Hintergrund fast die ganze Weltelite hinter sich zu lassen – da bedarf es nicht mehr vieler Worte. Die Arbeit, die im Verein gemacht wird, spricht für sich.

Vizeweltmeiser Spanien 2025
Die Performance die dem ASTV Walgau den Vizeweltmeistertitel einbrachte. verein

Einen Anlauf auf jeden Fall

Die Weltmeisterschaften finden in diesem Sport jährlich statt, nächstes Jahr in Dublin, Irland. Und dort, da sind sich alle einig, wird ein Anlauf unternommen, um das Vize vor dem Wort Weltmeister zu streichen. Die Voraussetzungen jedenfalls könnten besser nicht sein. Denn auch im Team selbst wird es laut Nicole Tschabrun keine personellen Veränderungen geben. Alle sind motiviert, der Zusammenhalt ist groß. „Mein Freundeskreis besteht fast nur aus Leuten vom Verein. Mir gefällt das, ich fühle mich sehr wohl“, erzählt Lina Pfeffer, die seit 2019 mit dabei ist. „Das Team ist für mich wie eine zweite Familie. Und jedes Mal, wenn ich Stress mit der Schule oder so habe, geht das mit dem Training weg“, sagt Theresa Grass, seit 2020 mit an Bord. Auch Mama Christine ist überzeugt, dass es gerade in Zeiten von Smartphone und Internet für Eltern ein Geschenk ist, ein Kind zu haben, das sich sinnvoll beschäftigt.

Drangebelieben

Das der ASTV Walgau einmal an der Weltspitze mitmischen würde, hätte man sich bei der Gründung niemals träumen lassen. „Im Jahr 2011 haben wir noch im Gasthaus Krone in Bludesch in einem kleinen Raum trainiert. Mittlerweile haben wir über 80 Kinder und Jugendliche im Verein, dazu kommen noch 15 bis 20 Erwachsene als Betreuer“, berichtet die ehemalige Kunstturnerin Tschabrun. Man ist eben drangeblieben und hat mit viel Engagement ein Herzensprojekt vorangetrieben, das Jahre später mit dem Vizeweltmeistertitel belohnt wurde.

Vizeweltmeiser Spanien 2025
Die Zahl 42 ist die Antwort auf die Frage „nach dem Leben, dem Universum und allem“. In Anlehnung an dieses Zitat aus der Romanreihe „Per Anhalter durch die Galaxis“ von Douglas Adams wurde die Performance des ASTV Walgau bei der Tanzweltmeisterschaft ausgerichtet. Verein

Fürs Leben lernen

Dass Sport und körperliche Ertüchtigung, nicht nur in jungen Jahren, wesentlich zur körperlichen Gesundheit beitragen, ist kein Geheimnis. Was bei den „aCREWbatics“ aber noch viel wichtiger ist: „Die Kinder haben etwas gefunden, was sie glücklich macht. Diese Freude kann man nicht erziehen. Sie lernen, sich Ziele zu stecken und diese mit viel Arbeit und Ehrgeiz zu erreichen. Und das ist wichtig für ihr späteres Leben“, erklärt Trainerin Tschabrun abschließend. Und der Wunsch aller ist auf jeden Fall der Weltmeistertitel in Dublin im nächsten Jahr.

Vizeweltmeiser Spanien 2025
Die “aCREWbatics” bei der Siegerehrung in Spanien. Verein