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“Wurzel der Teuerung liegt nicht im Supermarktregal”

06.08.2025 • 14:02 Uhr
"Wurzel der Teuerung liegt nicht im Supermarktregal"
Im ersten Beitrag der NEUE-Serie „Was kostet das Leben in Vorarlberg?“ zeigte sich, wie viel für eine Familie der wöchentliche Einkauf kostet. Hartinger, WKV, ÖGB

SPÖ und ÖGB fordern staatliche Maßnahmen gegen Teuerung bei Lebensmitteln. Der Handel sieht die Ursachen anderswo.

Angesichts der anhaltend hohen Inflation fordern SPÖ und ÖGB konkrete Maßnahmen zur Senkung der Lebensmittelpreise, insbesondere eine staatliche Preisdämpfung bei Grundnahrungsmitteln. Finanzminister Markus Marterbauer hatte kürzlich einen entsprechenden Vorschlag eingebracht. Unterstützung kommt vom Vorarlberger SPÖ-Klubobmann Mario Leiter: „Die Inflation lag im Juli erneut bei 3,5 Prozent, bei Lebensmitteln sogar bei 4,4 Prozent. Diese Belastung ist für viele Menschen schlicht nicht mehr tragbar.“

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Besonders Haushalte mit mittleren und niedrigen Einkommen seien betroffen. Leiter plädiert daher für gezielte staatliche Eingriffe, etwa durch die Aussetzung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel. „In einem reichen Land wie Österreich sollte sich niemand Sorgen machen müssen, ob er sich den täglichen Lebensmitteleinkauf noch leisten kann“, so der SPÖ-Klubobmann.

ÖGB: „Längst überfälliger Schritt“

Rückendeckung kommt auch von Gewerkschaftsseite. Der ÖGB Vorarlberg begrüßt die Vorschläge des Finanzministers ausdrücklich. Landesvorsitzender Reinhard Stemmer kritisiert, dass während der Teuerungskrise rund um Corona nicht rechtzeitig gegengesteuert wurde: „Man ließ die Inflation einfach durchrauschen, mit dramatischen Folgen für die arbeitenden Menschen.“ Nun sei es „höchste Zeit, dass Worten auch Taten folgen“.

Spar warnt vor falscher Debatte

Auf NEUE-Anfrage erklärte Spar Vorarlberg, man verwehre sich entschieden gegen staatliche Eingriffe in die Preisgestaltung im Handel. „Es ist interessant, dass der erste Reflex ist, bei dieser Diskussion sofort auf den Handel zu zeigen. Faktum ist: Die Preisbildung bei Lebensmitteln beginnt nicht im Supermarkt, sondern in vorgelagerten Stufen wie Landwirtschaft, Verarbeitung, Logistik und auf den internationalen Rohstoffmärkten“, heißt es in der Stellungnahme. Der Handel sei von der Entwicklung betroffen, aber nicht deren Verursacher.

Gerade deshalb fordert Spar, die Teuerung „an der Wurzel“ zu bekämpfen, nicht an der Supermarktkasse. „Die Ursachen für Preissteigerungen sind vielfältig und komplex. Einfache Lösungen führen selten zu nachhaltiger Entlastung“, betont das Unternehmen.

Wirtschaft: Symbolpolitik hilft nicht weiter

Ähnlich argumentiert Fachgruppen-Obmann Daniel Drechsel: „Staatliche Eingriffe in die Preisgestaltung im Lebensmittelhandel wie sie Finanzminister Marterbauer vorschlägt, sind entschieden zu verhindern.“ Stattdessen brauche es eine sachliche Auseinandersetzung mit den Ursachen – von globalen Rohstoffpreisen über Energie bis hin zu Löhnen und Logistik.

Drechsel verweist auf massive Preisanstiege bei importierten Produkten wie Kaffee oder Kakao, bedingt durch Klimaphänomene wie Dürreperioden in Brasilien oder Hitzewellen in Vietnam. Gleichzeitig seien auch im Inland die Produktionskosten bei Energie, Rohstoffen, Personal und Transport deutlich gestiegen.

Der Vergleich mit Spanien, wo laut Marterbauer die Teuerung durch eine Steuerbefreiung bei Lebensmitteln gebremst wurde, greife laut Drechsel zu kurz. „Entlastungen in Spanien kamen hauptsächlich durch Eingriffe im Energiesektor zustande, nicht durch Preiskontrollen im Handel.“

Vorarlberg besonders betroffen

In Vorarlberg sind die Lebenshaltungskosten österreichweit mit am höchsten. Das spiegelt sich auch im Alltag vieler Haushalte wider. Der Einkaufstourismus in die benachbarte Bodenseeregion nimmt zu, weil viele Produkte dort deutlich günstiger zu haben sind. Während Politik, Gewerkschaft und Handel über Ursachen und Lösungen streiten, bleibt die Frage weiterhin offen, wie und wann die Bevölkerung tatsächlich entlastet wird.