„Wenn du eine Chance bekommst, ergreif sie!“

Interview. Verena Eugster, neue Bundesvorsitzende der Jungen Wirtschaft, über ihren Weg, Netzwerke, Herausforderungen für junge Unternehmen und warum Optimismus entscheidend für die Zukunft ist.
Sie sind die erste Vorarlbergerin an der Spitze der Jungen Wirtschaft Österreich. Was bedeutet Ihnen diese Funktion persönlich?
Verena Eugster: Den Bundesvorsitz innezuhaben, ist für mich etwas sehr Besonderes. Eigentlich war ich mir unsicher, ob ich zusagen sollte, aber dann hatte ich ein prägendes Gespräch mit einer Unternehmerin. Sie sagte zu mir: „Verdammt noch mal, wenn du eine Chance bekommst, dann ergreif sie!“ So bin ich dann auch zur Jungen Wirtschaft gekommen. Dann kam die Anfrage für den Bundesvorstand. Als es schließlich um die Wahl zum Bundesvorsitz ging, habe ich mir gedacht: Schaffe ich das neben dem Unternehmen? Da meinte meine Schwester: „Du hast so viel Unterstützung durch dein Netzwerk, jetzt ist es Zeit, etwas zurückzugeben.“ Und da hat sie recht. Mir bedeutet es viel, weil ich immer gerne Neues lerne und Herausforderungen suche. Dass ich nun als erste Vertreterin aus Vorarlberg diese Aufgabe übernehmen darf – ja, ehrlich, das ehrt mich sehr.

Welche Ziele verfolgen Sie als neue Bundesvorsitzende? Was wollen Sie bewegen?
Eugster: Mein Job in der Jungen Wirtschaft Österrreich ist es, Chancen aufzuzeigen. Wer mich kennt, weiß: Ich bin jemand, der nach vorne geht, positiv denkt, aber dabei nie die Realität aus den Augen verliert. Wir stehen wirtschaftlich und gesellschaftlich vor großen Herausforderungen. Gerade deshalb möchte ich für junge Unternehmer Türen öffnen. Die nachkommende Generation soll die Chance haben, ihre Ideen umzusetzen. Es geht mir um mehr Mut, weniger Bürokratie und darum, dass Gründungen einfacher werden. Ein Unternehmen zu gründen soll so einfach sein wie eine Bestellung beim Onlineshopping: schnell, unkompliziert und digital.
Welche Rolle spielen Frauen in der Wirtschaft und wie kann ihr Anteil in Führungspositionen gestärkt werden?
Eugster: Das ist ein Herzensthema von mir. Frauen sind heute so gut ausgebildet wie nie zuvor. Dieses Potenzial darf nicht verschenkt werden. Natürlich gibt es Brüche im Lebenslauf, wenn es um Familiengründung geht, aber wir müssen die Rahmenbedingungen so gestalten, dass Frauen Beruf und Familie verbinden können. Das heißt: echte Wahlmöglichkeiten, gute Kinderbetreuung und Strukturen, die Flexibilität erlauben. Ich sage nicht, jede Frau soll Vollzeit arbeiten, das muss jede Familie selbst entscheiden. Aber die Möglichkeit muss da sein. Und Frauen müssen öfter Ja sagen. Der Weg ist nicht bequem, es wird kein roter Teppich ausgerollt. Aber Vielfalt in Führungsgremien verändert alles: Gesprächskultur, Entscheidungen, Innovation. Ich habe es selbst erlebt: Sobald Frauen im Vorstand vertreten waren, wurde die Dynamik komplett anders. Diversität ist kein Selbstzweck, sie ist wirtschaftlich erfolgreich.

Der Fachkräftemangel ist ein Dauerthema. Was kann die Junge Wirtschaft beitragen?
Eugster: Wir brauchen Talente und wir müssen Österreich als attraktiven Standort positionieren. Lebensqualität haben wir, aber wir müssen aktiver junge Menschen aus dem Ausland ansprechen und ihnen zeigen: Hier könnt ihr leben und arbeiten. Vorarlberg hat da eine besondere Lage, aber auch Konkurrenz durch die Nachbarländer. Wenn die Schweiz mit niedrigeren Steuern lockt, ist das eine Herausforderung. Wir dürfen aber nicht vergessen, was wir hier an Infrastruktur, Ausbildung und Lebensqualität zu bieten haben. Dieses Gesamtpaket gilt es zu stärken und sichtbar zu machen.
Österreich ist laut EU-Prognose 2025 das einzige Land mit schrumpfender Wirtschaft. Wie beurteilen Sie das?
Eugster: Wir stecken seit Jahren in schwierigen Zeiten. Der Schuldenberg wächst, die Wirtschaft erholt sich nur schleppend. Das ist belastend, aber ich glaube fest daran, dass wir mit realistischem Optimismus weiterkommen. Jammern bringt nichts. Es ist anstrengend, positiv nach vorne zu gehen, aber notwendig. Ich sehe es als Verantwortung gegenüber der nächsten Generation. Wir dürfen nicht in Resignation verharren, sondern müssen mit Zuversicht und Mut handeln.
Energiepreise bleiben ein Standortfaktor. Wo sehen Sie Handlungsbedarf?
Eugster: Energiepreise sind für produzierende Betriebe eine enorme Belastung. Dazu kommen die hohen Steuern und Abgaben. Österreich ist in Europa Spitzenreiter. Und dann kommt auch noch die Bürokratie dazu. Diese Faktoren nehmen Menschen die Lust am Unternehmertum. Hier braucht es dringend Entlastung: weniger Hürden, mehr Anreize, damit Ideen umgesetzt werden.

Viele Start-ups klagen über schwierige Finanzierungsbedingungen. Was braucht es, um Gründungen besser zu fördern?
Eugster: Am Anfang gibt es oft Förderungen, aber in der Wachstumsphase wird es richtig schwierig. Wir brauchen bessere Finanzierungsinstrumente – das sogenannte Dachfonds-Modell ist ein Schritt in die richtige Richtung. Ich sehe auch, dass Investoren vorsichtiger geworden sind, aber gerade in Krisenzeiten liegt eine Chance. Wer jetzt investiert, schafft die Basis für den nächsten Aufschwung.
Digitalisierung ist Chance und Herausforderung zugleich. Was wünschen Sie sich von der Politik?
Eugster: Wir müssen schneller werden. Wenn wir bei neuen Technologien wie KI zu lange zögern, verlieren wir den Anschluss. Ich verstehe die Bedenken, gerade beim Datenschutz. Aber wir brauchen weniger Angst und weniger Bürokratie, dafür mehr Mut zur Umsetzung. Österreich hat großes Potenzial als Standort, aber nur, wenn wir offen bleiben für Neues und Prozesse so gestalten, dass digitale Lösungen rasch und unkompliziert eingesetzt werden können.

Welche konkreten Projekte der Jungen Wirtschaft stehen an?
Eugster: Wir haben die Kampagne „Du bist das junge Wirtschaftswunder“ gestartet. Wir wollen zeigen, dass Zuversicht und Gestaltungswille stärker sind als die aktuelle Krise. Dazu gehört unsere Nachfolgestrategie, weil viele Familienunternehmen Übernehmer suchen. Wir arbeiten außerdem an einer Start-up-Strategie, auch im Bereich Impact Innovation. Wir wollen jungen Unternehmern Werkzeuge geben, damit sie schneller gründen, übernehmen und wachsen können, und setzen uns für weniger Bürokratie und bessere Finanzierungsmöglichkeiten ein.
Woher nehmen Sie Ihre Energie?
Eugster: Energie hole ich mir in der Natur – im Bregenzerwald, wo ich aufgewachsen bin. Außerdem durch meinen engen Freundeskreis, meine Familie und mein Team. Ich meditiere jeden Tag, um bei mir zu bleiben. Natürlich gibt es Tage, an denen ich müde bin. Aber insgesamt gibt mir die Arbeit mit der Jungen Wirtschaft und auch mein Unternehmen Kraft, weil ich sehe, dass wir wirklich etwas bewegen können.
Zur Person
Verena Eugster (Jg. 1986) ist Unternehmerin und seit rund einer Woche als erste Vorarlbergerin die Bundesvorsitzende der Jungen Wirtschaft Österreich. Gemeinsam mit ihrer Schwester Patricia Eugster-Zupan führt sie die Dornbirner Agentur w3 create, bekannt für Formate wie den Vorarlberger Frauenlauf und das Female Future Festival. Seit mehr als acht Jahren engagiert sie sich ehrenamtlich in der Jungen Wirtschaft.