Die Weltelite war zu Gast am Bodensee

Beim 21. mtu-Cup in Friedrichshafen triumphierte nicht PSG, der FC Bayern oder der FC Barcelona, sondern ein Außenseiter. Kult-Talentförderer Hermann Gerland sprach Klartext.
Von Jochen Dedeleit
Nicht eins der beiden Teams des FC Barcelona, der Nachwuchs des deutschen Rekordmeisters Bayern München oder etwa die U15 des amtierenden Champions-League-Siegers Paris St. Germain, der das erste Mal in Friedrichshafen seine Visitenkarte abgab, sah kurz vor Schluss der 21. Auflage des mtu-Cups wie der sichere Turniersieger aus, sondern Orlando City. Der MLS-Klub aus den USA führte gegen Borussia Dortmund kurz vor Ende der Spielzeit 1:0, um dann doch noch den Schwarz-Gelben aus dem Ruhrpott mit 2:1 den Vortritt lassen zu müssen. „Nur“ im kleinen Finale standen sich Titelverteidiger VfB Stuttgart mit Goalgetter Adin Delic (zwölf Treffer) und die Bayern gegenüber (2:0), die eingangs erwähnten Spanier, Franzosen oder auch die Engländer von Chelsea und ManUnited waren im Viertelfinale nicht mehr vertreten – wie wieder einmal auch die acht lokalen Teams aus Friedrichshafen und der näheren Umgebung.
Ausverkauft
Zwei überaus achtbare Ergebnisse gab es für die Underdogs am ersten Turniertag dennoch: Sudeva Dehli setzte sich gerade einmal 1:0 gegen das mtu-Leistungszentrum durch und Paris behielt mit dem gleichen knappen Resultat gegen den VfB Friedrichshafen II die Oberhand.
Vor 6000 Zuschauern (wie 2024 bei der Jubiläumsausgabe trotz erhöhter Hallenkapazität ausverkauft) waren die Favoriten in der Messehalle A1 dann unter sich, „wir haben unser Ziel so klar formuliert, auch wenn uns Orlando City (die mit Luan Silva auch den besten Goalie gestellt haben; Anm.) alles abverlangt hat“, antwortete BVB-Chefcoach Tim Kübel (32) auf die Frage, ob er den Ausgang des wohl weltweit bestbesetzten U15-Turniers so für möglich gehalten hätte. Und auch über die Tatsache, dass seine Nummer elf zum besten Spieler des Turniers gewählt wurde, zeigte sich der gebürtige Böblinger wenig überrascht.

Ausnahmetalent
„Hamzath Mohamadou ist ein Ausnahmetalent, aber er hat es begriffen, dass er sich nicht so gibt“, so Kübel, der natürlich hofft, dass die Nummer elf lange bei „seiner“ Borussia spielt. Die Frage, wie viel Millionen schon für ihn ausgerufen wurden oder werden, wollte der Sportwissenschaftler gar nicht hören, „wir reden hier von einem Menschen, einem Kind, nicht von einer Ware“.
Nicht nur Tim Kübel sprach erneut von einem „super organisierten“ Turnier, „wir kommen wieder“, auch wenn der Rückweg schon wenige Minuten nach der Siegerehrung angetreten werden musste, um den Zug gen Ruhrgebiet noch zu erreichen. Mehr Zeit zu packen hatte da RB Leipzig, das nicht unter die besten Acht gekommen war. Wie 2024 beim Jubiläum war auch wieder Tim Sebastian (41) der Trainer der U15 der Ostdeutschen, was in dieser Altersklasse nun wirklich nicht die Regel ist („Ich habe jetzt den 2011er-Jahrgang übernommen.“). Nach dem schon feststehenden Aus in der Hauptrunde und vor dem letzten Auftritt in der Messehalle gegen den FC Barcelona „Grana“ (2:2) versammelte Sebastian seine Schützlinge um den Tisch und ging in die Analyse.
„Wir haben immer unsere Kameras dabei, mit denen wir unser Potenzial und natürlich auch unsere Fehler aufdecken können. Das Spiel ist der beste Lehrer“, so der gebürtige Leipziger, der erst am Ende des ersten Tages mit der Haltung seiner Spieler zufrieden war. Und am Finaltag sei es die Aufmerksamkeit gewesen, „die ausbaufähig war“. An Sao Paulo (5:1 gegen Leipzig) hat dem 41-Jährigen die technische Sauberkeit beim ersten Kontakt gefallen, im Liga-Alltag in Ostdeutschland sind die Hertha und Union den Leipzigern enteilt. Mit RB Salzburg sei man des Öfteren in Kontakt, „wie das bei Partnervereinen so ist“, meint Tim Sebastian, der etwa ein Mal im Jahr in Österreich weilt.
Karl spielte vor
Einer, der nicht mehr als Trainer in Friedrichshafen erschien, war Alexander Moj. 2024 noch für die U15 der Bayern zuständig, macht der 37-Jährige zu Beginn des nächsten Jahres aus familiären Gründen („Ich hatte bei den Bayern einen unbefristeten Vertrag und war knapp zehn Jahre dort.“) mit einem Partner eine Spielerberateragentur im Sauerland auf. Die Planungen seien weit vorangeschritten, noch wolle Moj aber nicht alles preisgeben. „Wir wollen gezielt junge Toptalente suchen, dabei viel auf die Familie und das Umfeld schauen und sie in den Profibereich begleiten. Hier wollen viele schnell ins Geld kommen, darum heißt es bei uns auch nicht Spieler en masse zu verpflichten, ganz nach dem Motto: einer wird schon durchkommen“, lässt der Augsburger wissen. 2022 war er demzufolge noch Bayern-Coach, just in dem Jahr, in dem die Münchner mit einem gewissen Lennart Karl mtu-Cup-Sieger wurden.
„Ich war sein erster Trainer bei Bayern, als er von Viktoria Aschaffenburg kam. Schon damals musste man sagen: Es bedarf keines guten Auges, um zu sehen, dass er extrem begabt ist. Es war nur die Frage, wie er es körperlich, athletisch schafft. Aber er hat brutal zugelegt, weil er brutal ehrgeizig ist.“

Anekdoten von Gerland
Einer, der mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg hält, ist auch Hermann Gerland, den Cup-Initiator Klaus Segelbacher mit dem ehemaligen Kicker-Reporter Karlheinz Wild an den Bodensee gelockt hat. Der Bochumer, der über 200 Spiele für den VfL absolviert hat, besser bekannt jedoch als Bayerns ewiger „Co“ , wartete auch mit einigen Erinnerungen an Lennart Karl auf.
„Er war im Nachwuchs mit Abstand immer der Beste auf dem Feld, und dies zeigt er heute bei den Profis“, meinte der 71-Jährige, der sich beim Thema Thomas Müller weniger charmant zeigte: „Er hatte permanent etwas zu erzählen, so dass ich nicht nur ein Mal sagen musste: Halt endlich mal die Klappe! Aber er hat meistens etwas Gutes von sich gegeben.“
Lahm, Schweinsteiger und Alaba seien außergewöhnlich gewesen, Kimmich sei von Ehrgeiz zerfressen und Süle wäre viel besser, wenn er mehr auf sein Gewicht achten würde. Musiala und Wirtz seien unvorstellbar gut, „meine Enkel haben nicht ganz so viel Talent, aber das sage ich ihnen auch“. Talent sei sicherlich von Nöten. „Wobei: Stefan Maierhofer, der jetzt Fußballlehrer ist, war sicher nicht damit gesegnet, aber er hat unheimlich an sich gearbeitet“, weiß Hermann Gerland („Meine Frau sagt immer, ich soll diplomatischer werden. Aber warum, ich bin so ja durch’s Leben gekommen.“), der in Unterhaching noch nach dem Nachwuchs schaut.
„Eigentlich ist es nicht mehr zu toppen, aber das habe ich glaub’ schon 2024 gesagt“, so Klaus Segelbacher über das Niveau des diesjährigen Turniers und über nunmehr 10.000 Zuschauer insgesamt. „Es ist unglaublich, was für Massen wir bewegen. Heuer haben wir 120 Teamtickets auch nach Vorarlberg verkauft. Und wir sind schon in der größten Halle Friedrichshafens“, so der Häfler, der doch zugibt, langsam an Grenzen zu stoßen.

Fairness-Preis
Dass der fünfmalige Cup-Sieger Barcelona kein Team ins Viertelfinale bringen konnte, sah Segelbacher darin geschuldet, dass die vier besten U15-Akteure zu einem U16-Spiel der Katalanen abgezogen wurden und somit beim mtu-Cup nicht zur Verfügung standen. Und Paris sei mit dem Hallenfußball nicht warm geworden. Den Fairness-Preis bekam der FC Dallas zugesprochen. Dazu passt die Aussage eines Teammitglieds, der sich wunderte, dass „alle hier alles nur liegenlassen. Das geht bei uns disziplinierter zu“.