Vorarlberg

Vorarlberger waren 2020 Vorsorgemuffel

11.08.2021 • 19:41 Uhr

Pandemiebedingt gab es weniger Vorsorgeuntersuchungen im Jahr 2020.

Die Corona-Pandemie hat zu einem deutlichen Rückgang der Vorsorgeuntersuchungen geführt, das zeigen die vorläufigen Daten aus der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage des Vorarlberger Abgeordneten Gerald Loacker durch den zuständigen Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne).

So nahmen im Vorjahr nur noch 4180 Vorarlberger das Basisprogramm der Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch, 11,6 Prozent weniger als noch 2019. Bei den Zahlen der Sozialversicherungen handelt es sich großteils noch um Rohdaten, deren Qualitätssicherung noch aussteht. Am negativen Trend in der Vorsorge wird sich aber auch durch die Bereinigung der Datensätze nichts mehr ändern.
In Tirol ging die Zahl der Basisuntersuchungen, die jeder Hausarzt durchführt und die etwa Blutabnahmen und das Ausfüllen eines Fragebogens beinhalten, nur um 3,7 Prozent zurück. Den höchsten Rückgang hatte Wien mit 14 Prozent zu verzeichnen. Besonders deutlich zeigt sich die geschwundene Bereitschaft zur Vorsorge während des Lockdowns im Frühjahr 2020. Im April ließen sich österreich­weit nur 2951 Menschen im Basisprogramm untersuchen, im selben Monat waren es 2019 noch 9008 gewesen.

Rückgang wegen Pandemie

Die Versicherten zeigten sich beim Gang zum Arzt jedoch zurückhaltend, auch wenn Vorsorgeuntersuchungen trotz Lockdowns möglich waren. Der Rückgang an Untersuchungswilligen wurde in den Monaten Juni bis September zwar leicht aufgeholt, dennoch blieb im Jahresschnitt ein deutliches Minus. In absoluten Zahlen verzeichnete Vorarlberg 2020 die wenigsten Untersuchungen im Basisprogramm. Im Burgenland nahmen fast doppelt so viele Menschen daran teil.

Rechnet man die Zahl der Basisuntersuchungen auf die Wohnbevölkerung um, liegt das Ländle mit 1,1 Prozent an untersuchten Einwohnern an sechster Stelle unter den Ländern. Am schlechtesten schnitt Oberösterreich ab, wo nur 0,5 Prozent der Bevölkerung im Basisprogramm untersucht wurden. In Kärnten waren es hingegen 2,3 Prozent.

Der Gesundheitssprecher der Neos im Nationalrat, Gerald Loacker, sieht neben den Auswirkungen der Pandemie auch langjährige Versäumnisse der Versicherungen als Ursache für die geringe Beteiligung an den angebotenen Vorsorgeuntersuchungen. Es fehle an Anreizen für die Versicherten. Nur die Versicherungsanstalt der Selbständigen (SVS), bietet ihren Mitgliedern gewisse Vorteile, wenn sie an den Untersuchungen teilnehmen.
Generell hätten die heimischen Pflichtversicherungen aber keine langfristige Perspektive, so Loacker. Durch die jährliche Haushaltsführung lebe man im Hier und Jetzt, betreibe aber kein Risikomanagement, wie es bei privaten Versicherern üblich sei.

Datenchaos bei Versicherungen

Die Informationslage bei den Vorsorgeuntersuchungen offenbart auch eine Datenkrise im Gesundheitssystem. Am 18. Juni hatte Mückstein in einer anderen Anfragebeantwortung die Zahl der Vorsorgeuntersuchungen noch nicht nennen können, weil die Daten der Versicherer „erst bis Ende Mai“ eingemeldet worden waren und man sie innerhalb von zwei Wochen nicht auswerten konnte. Einen Monat später war man kaum weitergekommen. Für 2020 lagen nach wie vor keine qualitätsgesicherten Daten vor.
Außerdem musste das Gesundheitsressort eingestehen, dass die ÖGK innerhalb der acht Wochen, die für Anfragebeantwortungen zur Verfügung stehen, es nur geschafft hatte, die Zahl der versendeten Erinnerungsschreiben zur Brustkrebsfrüherkennung auszuwerten. Eine Aufschlüsselung der Daten nach Bezirken hatten man innerhalb von zwei Monaten ebenfalls nicht zustande gebracht. Die ehemalige Beamtenversicherung BVAEB konnte die Zahl der Einladungen, die sie verschickt hatte, überhaupt nur schätzen. Sie hat auch keine Pläne, wie sie die Zahl der ­Vorsorgeuntersuchungen erhöhen könnte.

Unbekannter Erfolg

Unklar ist auch, wie effektiv die Vorsorgeuntersuchungen überhaupt sind. Entsprechende Zahlen werden laut Gesundheitsminister Mückstein überhaupt nicht erhoben: „Weder den Krankenversicherungsträgern und dem Dachverband noch meinem Ressort stehen diesbezügliche Informationen zur Verfügung.“ Eine elektronisch auswertbare Diagnosecodierung sei in diesem Bereich nicht vorgesehen „und damit auch nicht vorhanden“. Die Anfragebeantwortung offenbarte mehrere Informationsdefizite der Behörden. So gab das Gesundheitsministerium auch an, nicht zu wissen, wie viele Menschen in Österreich wegen chronischer Krankheiten wie Arteriosklerose, Asthma oder Diabetes in Behandlung sind.