Vorarlberg

Wird der ORF bald unabhängiger?

03.04.2023 • 12:53 Uhr
VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter und Vizepräsidentin Verena Madner.<br><span class="copyright">apa/hochmuth</span>
VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter und Vizepräsidentin Verena Madner.
apa/hochmuth

Jüngste VfGH-Entscheidungen bringen den Gesetzgeber beim Medienrecht unter Zugzwang, eine weitere steht bevor.

Dass der Verfassungsgerichtshof (VfGH) kein Freund von pauschalen Ausnahmen ist, hat er in seiner Judikatur immer wieder bewiesen, im Jänner hatte er entschieden, dass das sogenannte Medienprivileg, das eine großzügige Ausnahme von Medienunternehmen vom Datenschutz vorsieht, verfassungswidrig ist. Ausnahmen seien zulässig, so der Sukkus, aber nicht so weitreichende. Eine wesentlich schwerwiegendere Entscheidung zum ORF steht noch bevor.

Gegendarstellungen zu teuer

Der Gesetzgeber muss bis Ende Juni nächsten Jahres die entsprechende Bestimmung im Mediengesetz reparieren. Würde er es nicht tun, wäre der Datenschutz auf alle Medien voll anwendbar, mit der Konsequenz, dass beispielsweise korruptionsverdächtige Amtsträger sich jederzeit über den Stand von Investigativrecherchen gegen Sie informieren könnten.

Am Montag eröffnete der VfGH eine weitere Baustelle im Mediengesetz: Wer Gegenstand von falschen Medienberichten wird, kann eine Gegendarstellung verlangen. Waren die Berichte aber doch richtig, muss der Betroffene die Gegendarstellung nach den geltenden Inseratetarifen bezahlen. Die Wiener Stadträtin Ulrike Sima (SPÖ) hatte nach einem Bericht der Gratiszeitung „oe 24 Österreich“ zu hohen Personalkosten bei der Kontrolle des damals beschlossenen Rauchverbotes in der Gastronomie eine Gegendarstellung verlangt. Die Zeitung hatte sich zunächst geweigert, diese zu veröffentlichen, war vom Straflandesgericht Wien aber dazu verpflichtet worden, dessen Urteil in der Folge aber aufgehoben wurde. Deswegen hatte wiederum der Zeitungsverlag Sima die rechtswidrige Gegendarstellung in Rechnung gestellt.

Gegen Rechnung zum Gericht

Diese wiederum wollte Sima nicht akzeptieren und zog vor den Verfassungsgerichtshof. Der hat nun festgestellt, dass die Kosten so hoch seien, dass sich in Zukunft Betroffene fürchten könnten, ihr Recht auf Gegendarstellung einzufordern. Die entsprechende Bestimmung wurde daher mit Verweis auf das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf Meinungsfreiheit und entsprechende Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) aufgehoben. Der Gesetzgeber bekam dafür dieselbe Reparaturfrist wie bei der ersten Entscheidung zum Mediengesetz. Die zuständige Medienministerin Susanne Raab wird also vermutlich einen Entwurf für ein Reparaturgesetz für beide Aufhebungen vorlegen.

Der VfGH winkte Raab noch in eine andere Richtung mit einem Zaunpfahl: Dem Gesetzgeber stehe es frei, die Dauer von Veröffentlichungen von Gegendarstellungen im Internet „anders zu gestalten“, merkte er im jüngsten Erkenntnis an. Derzeit müssen die Mitteilungen einen Monat lang abrufbar sein, was die Kosten bei ungerechtfertigten Gegendarstellungen zusätzlich erhöhte. Durch kürzere Veröffentlichungen könnte also auch die finanzielle Ausgewogenheit wieder hergestellt werden. Ob die Ministerin diesen verfassungsrechtlich nicht gebotenen aber durchaus zweckmäßigen Reparaturbedarf aufnimmt, wird sich zeigen.

Es ist aber durchaus möglich, dass diese Entscheidung zum Mediengesetz nicht die letzte Aufhebung im Medienrecht für heuer bleiben wird, denn es liegt ein weiterer brisanter Antrag beim Höchstgericht.

Besetzung der ORF-Gremien

Die burgenländische Landesregierung hat einen Antrag auf Aufhebung von Bestimmungen des ORF-Gesetzes gestellt. Konkret geht es um die Besetzung des Publikums- sowie des Stiftungsrates. „Die verfassungsmäßige Unabhängigkeit der beiden Kollegialorgane liege wegen des maßgeblichen Einflusses der Bundes- und Landesregierungen nicht vor“, heißt es in einer Aussendung des VfGH zu den Argumenten des Burgenlandes. An der Verfassungsmäßigkeit der politischen Besetzung dieser Gremien gibt es seit längerem Zweifel.

Eine Aufhebung würde die Regierungskoalition aus ÖVP und Grünen zum wiederholten Mal zu Reparaturen nötigen. Bereits die nun beschlossene Haushaltsabgabe war auf eine Entscheidung des VfGH zurückgegangen. Dieser hatte die gesamte ORF-Finanzierung gekippt, da sie Online-Nutzer nicht einschloss.

Wenn nun der Verfassungsgerichtshof die Bestellung der zentralen ORF-Gremien kassiert, könnten die politischen Parteien deutlich an Einfluss im öffentlichen Rundfunkt verlieren. Die Bundesverfassung schreibt vor, dass „die Unabhängigkeit der Personen und Organe“, die für den öffentlichen Rundfunkt verantwortlich sind, gesichert sein muss. Die Stiftungsräte werden zum Teil von der Bundesregierung auf Vorschlag der Parlamentsparteien ernannt. Kommt der Verfassungsgerichtshof in den nächsten Wochen zu dem Schluss, dass das ORF-Gesetz damit gegen die Verfassung verstößt, würde er die wohl größte Rundfunkreform der vergangenen Jahrzehnte auslösen.