Leere Auftragsbücher bei den Vorarlberger Wohnbauträgern

Die Nachfrage nach Wohnraum-Neubau ist im letzten Jahr stark gesunken. Ein Grund dafür sind die Finanzierungshürden.
Nicht nur für Kaufinteressenten ist die derzeitige Lage auf dem Immobilienmarkt schwierig. Auch die Wohnbauträger müssen nach starken Jahren jetzt herbe Rückschläge hinnehmen. Die neuen Vergaberichtlinien für Kredite, die mit 1. August 2022 in Kraft getreten sind, haben es potenziellen Käufern schwer gemacht, den Wunsch vom Eigenheim zur Realität werden zu lassen.
Die Bauträger in Vorarlberg spüren diesen Trend der Zurückhaltung deutlich. Gemäß einer Umfrage der Wirtschaftskammer Vorarlberg unter den heimischen Betrieben wurde die Auftragslage Ende 2022 mit minus neun Prozent angegeben, was sich mit den Erhebungen der Bundesinnung für ganz Österreich deckt. Laufende Projekte werden zwar in den meisten Fällen beendet, wenn jedoch nicht eine Mindestzahl an Wohnungen in einer Wohnanlage verkauft wurden, pausiert das Projekt vorerst. Die Bauträger möchten mehrheitlich nicht namentlich genannt werden, zu groß scheint die Sorge zu sein, es könnte bei der Konkurrenz besser laufen, und man schaue in die eigentlich eh schon offenen eigenen Bücher. Trotzdem zeichnete sich in der Recherche ein klares Bild ab: Neue Projekte werden nur mit großer Vorsicht geplant.

Auch große Unternehmen planen
Von der Situation sind aber nicht nur die kleinen Unternehmen betroffen. Auch große Konzerne wie etwa Hilti & Jehle kämpfen mit abnehmenden Verkaufszahlen. Direkte Folgen spürt die Vorarlberger Firma aber noch nicht. Den Grund für den Einbruch sieht Geschäftsführer Alexander Stroppa bei den immer größer werdenden Finanzierungshürden. Mit Corona habe es begonnen, durch den Krieg habe sich die Gesamtsituation nochmals verschlechtert. „Teuerung, Verknappung, all diese Dinge, die wir in der letzten Zeit diskutieren, haben zu einem extremen Preisanstieg geführt, insbesondere bei Materialien. Hinzu kommt, dass die hohe Inflation auch hohe Lohnabschlüsse bedingt. Das alles muss bezahlt werden“, so Stroppa.
Diese Preisentwicklungen gepaart mit der Zinssteigerung und den erschwerten Finanzierungsrichtlinien hätten dazu geführt, dass die Leistbarkeit des Wohnungsneukaufs schlicht nicht mehr gegeben sei. „Die Wohnbauträger haben natürlich dann reagiert und gesagt, ‚wenn ich niemanden hab, der mir die Wohnungen abkauft, fange ich gar nicht erst an zu bauen‘.“

Weniger Neubau-Projekte
In der Tat: Bei der NEUE-Recherche zeigte sich ein deutlicher Trend der Zurückhaltung seitens der Bauträger. Eine Firma berichtet beispielsweise, man warte bis zum Frühling und hoffe aufgrund der sinkenden Inflation, neue Kaufinteressenten zu finden. Ein anderes Bauunternehmen macht deutlich, es gäbe nur so viele Projekte, wie dem Unternehmen kein zu großes finanzielles Risiko entstehe. Zwar müsse man alle Mitarbieter beschäftigen, abwarten sei aber vorerst das wirtschaftlich sinnvollere Handeln.
„Ich glaube nicht, dass die Immobilienpreise noch mal sinken werden.“
Alexander Stoppa, Geschäftsführer bei Hilti und Jehle
Doch die Lage für die Wohnbauträger war nicht immer so. „Die letzten Jahre waren extrem gut, die Nachfrage war höher als das Angebot“, meint eine Sprecherin eines Vorarlberger Wohnbauunternehmens. Der Einbruch sei daher zwar schmerzlich, man jammere aber auf hohem Niveau. Auch Stroppa schätzt die Lage ähnlich ein. Er stimmt zu, die Baubranche hätte in den vergangenen Jahren gut von ihren Aufträgen leben können. Er beteuert jedoch: „In Vorarlberg gab es zu keinem Zeitpunkt die Situation, dass über den Bedarf gebaut wurde.“ Alle Bauprojekte, die beispielsweise Hilti & Jehle in der vergangenen Zeit gebaut habe, seien auch verkauft worden. Für die sinkende Nachfrage macht er keinesfalls das mangelnde Interesse der Vorarlberger am Immobilienkauf verantwortlich. Viel mehr sieht er die Schuld bei den Finanzierungshürden.
Die Sprecherin eines anderen Unternehmens appelierte gegenüber der NEUE an die Politik, es bedürfe einer weiteren Anpassung der Gehaltsgrenze für die Bauförderung. Wenn auch Gutverdiener Zugang zu Fördermitteln hätten, würde das sicherlich den Vorarlberger Wohnbau wieder ankurbeln, ist sie sicher. Ein erster Schritt in diese Richtung wurde mit der vorsichtigen Lockerung der Immobilienkredit-Vergabe per 1. April getan. Da diese jedoch nur die Zwischenfinanzierung betrifft, bleibt die Hürde für den Querschnitt der Bevölkerung groß. Johannes Wilhelm, Innungsmeister und Wohnbausprecher, sagte im Dezember gegenüber der Wirtschaftskammer Vorarlberg: „Die Menschen im Land sind immer weniger in der Lage, Wohnungseigentum zu erwerben. Wir wollen kein Land der Mieter werden, was ohnehin auch problematisch ist, da die Mietpreise ebenfalls ständig steigen“.
Keine Preissenkungen
Ein Grund, der häufig für die Zurückhaltung der Käufer genannt wird, ist das Hoffen auf sinkende Immobilienpreise, denn wenn Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen, müsste dieser bei sinkender Nachfrage einstürzen. Stroppa hält das für sehr unwahrscheinlich. „Ich glaube nicht, dass sich die Immobilienpreise noch mal verändern und sinken. Eine Seitwärtsbewegung halte ich für möglich, und die ist auch wichtig. Aber, dass wir wieder zu Vorkrisenpreisen gelangen, bezweifle ich.“
Wie also nun aus der Krise herausfinden? Diese Frage stellt sich für die Unternehmen zunehmend. Eine der möglichen Lösungen ist, sich statt auf Neubauten auf Sanierungen zu fokussieren. Bei vielen Vorarlberger Bauträgern gehören Instandsetzungen oder Modernisierungsarbeiten bislang nicht ins Portfolio. „Wir können uns aber vorstellen, das Projekt in nächster Zeit anzugehen. Das ist sicherlich ein spannender Geschäftszweig“, so ein kleines Wohnbauunternehmen. Hilti & Jehle geht diesen Schritt bereits. Sanierungen und insbesondere Nachverdichtungen nehmen einen immer größeren Anteil der täglichen Arbeit für die Firma ein. Sanierungsarbeiten sind vor allem im Hinblick auf Energieeffizienz lukrativ. Arbeiten wie beispielsweise das Dämmen des obersten Geschosses werden im Jahr 2023 vom Land Vorarlberg gefördert. Neben einer Basisförderung gibt es weitere Boni, die auch für die Nachverdichtung ausgeschüttet werden. Pro Quadratmeter gibt es für Gesamtsanierungs- oder Nachverdichtungsarbeiten beispielsweise 100 Euro vom Land. Wer zusätzlich CO2-Emissionen spart, erhält weitere Förderungsgelder. Über die Möglichkeiten informiert das Energieinstitut Vorarlberg.
Wohnbauträger
Entwicklungen am Markt
Nach einem Jahrzehnt des stetigen Wachstums musste die Vorarlberger Baubranche besonders im letzten Jahr einen Einbruch der Verkaufszahlen hinnehmen. Die Schuld sehen die Verantwortlichen vor allem bei den Finanzierungshürden. Die Nachfrage bestehe weiter, die finanziellen Möglichkeiten seien aber nicht gegeben. Immobilienpreissenkungen erwartet die Branche nicht.