Bücher, die es sich zu lesen lohnt

Die Redaktion der NEUE am Sonntag hat für die Weihnachtszeit noch ein paar Buchtipps parat. Zum Verschenken oder Selberlesen.
Eine düstere alternative Welt
Deutschland 1964: Die Nazis haben den 2. Weltkrieg gewonnen und fast ganz Europa steht unter ihrer Herrschaft. Kripo-Sturmbannführer Xaver March ermittelt in einem Mord an einem Staatssekretär, doch schnell wird er wieder vom Fall abgezogen. Als er auf eigene Faust weiterermittelt, gerät er an ein Geheimnis, welches das ganze Deutsche Reich zum Untergang bringen könnte. Robert Harris hat in „Vaterland“ (Heyne, 1994) eine bedrohliche alternative Welt geschaffen, in der man nicht leben will und dennoch am liebsten dabei wäre, wenn der Protagonist immer weiter in die dunklen Geheimnisse des Regimes vordringt. Eine Erinnerung daran, wie froh man sein muss, in einer Demokratie zu leben, und ein fesselnder Thriller, nicht nur für Geschichtsinterssierte.
Tobias Holzer
Das Tagebuch einer von Erfolg gekrönten Saison
Einen Blick hinter die Kulissen eines Profi-Fußballvereins gewährt Pepijn „Pep“ Lijnders mit seinem Buch „Inside Liverpool FC – Intensität ist unsere Identität“ (Verlag Edel Sports, 2023). Der 40-jährige Niederländer ist einer von zwei Assistenten von Jürgen Klopp und beschreibt in seinem Buch ausführlich die Geschehnisse der Saison 2021/22, in der die „Reds“ den FA Cup und den englischen Ligapokal holten, bis zum letzten Spieltag im Meisterschaftsrennen waren und das Finale der Champions League erreichten. Brisante Geheimnisse zu Taktik und Training werden zwar nicht enthüllt, aber der Blick über die Schulter des Trainerteams lohnt sich – nicht nur für Fans des Liverpool FC.
Michael Steinlechner
Ein dramatischer Blick in die Zukunft ohne Wasser
Mit gefrorenem Gletschereis in Kisten segelt eine 70-jährige Aktivistin von Norwegen nach Frankreich, um ihre Jugendliebe zur Rede zu stellen. Über zwanzig Jahre später versucht ein junger Vater nach katastrophalen Bränden, sich und seine Tochter auf der Flucht vorm Verdursten zu bewahren. Im dystopischen Roman „Die Geschichte des Wassers“ (btb Verlag, 2019) zeigt die Autorin Maja Lunde aus zwei zeitlichen Perspektiven, was der Wassermangel in Europa anrichten kann. Während sie einerseits die Profitgier und das eigennützige Handeln der Menschen in die Geschichten integriert, legt Lunde den Fokus auf die einzelnen Lebens- und Beziehungsgeschichten der Figuren, die sich mit ihren zerrissenen Familien in der zukunftslosen Welt wiederfinden. Ein spannendes und berührendes Buch, das zum Nachdenken anregt, weil es die drohenden Lebensumstände beschreibt, mit welchen auch heute schon viele Menschen konfrontiert sind.
Sieglinde Wöhrer
Ein rührendes Loblied auf die innere Stärke
Gegen Ende der russischen Revolution wird ein junger Graf und Hedonist zu lebenslangem Hausarrest verurteilt – in einem Hotel, wo er künftig als Kellner arbeiten wird. Das „Metropol“ und dessen Personal werden zum neuen Kosmos des Grafen, welcher in scheinbarer Gleichmut mit Stil, Eleganz und guten Manieren weiterlebt, bis ihm Jahrzehnte später überraschend das Kind einer Freundin anvertraut wird – und für dieses stellt er sein Leben einmal mehr auf den Kopf. Der Amerikaner Amor Towles hat mit „Ein Gentleman in Moskau“ (List Verlag, 2018) ein wundervolles Kammerspiel geschaffen, zu jeder Zeit anrührend, aber niemals kitschig. Der Roman, den man immer wieder gerne zur Hand nimmt, ist nichts anderes als ein Loblied auf die Kraft der eigenen Contenance, moralischen Stärke und des inneren Widerstands gegen alle äußeren Umstände.
Melanie Renner
Über das Weiterleben ohne den anderen
Der Lebensgefährte der in Wien lebenden Übersetzerin Renata Spaziani ist Anfang sechzig, als er unerwartet stirbt. 25 Jahre hatte das Paar zusammengelebt. Renata muss sich nun nicht nur mit dem eigenen Schock über die plötzliche Abwesenheit des Partners auseinandersetzen, sondern auch mit seiner Herkunftsfamilie, die die rechtlichen Erben sind. Die in Wien lebende gebürtige Südtiroler Autorin Sabine Gruber – sie war die Lebensgefährtin des 2016 verstorbenen Vorarlberger Künstlers Karl-Heinz-Ströhle – erzählt in „Die Dauer der Liebe“ (Verlag C.H. Beck 2023) eine berührende Geschichte, unsentimental, präzise und differenziert. Es ist der Versuch, mit dem Tod eines geliebten Menschen umzugehen, ein Versuch, der von Verzweiflung und Wut ebenso gekennzeichnet ist wie von Wärme und Melancholie. Ein leises Buch über das Leben danach.
Brigitte Kompatscher