Vorarlberg

“Einen Monatsverdienst müsste ich an die Kammer abführen”

05.06.2024 • 19:46 Uhr
Dietmar hat ein 1-Personen-Unternehmen und arbeitet geringfügig in der Pension. Er darf max. 500€ verdienen, aber müsste 495€ Kammerumlage zahlen. Jetzt kämpft er für Ermäßigungen
Dietmar Gasser hat ein EPU im Bereich der Bauabdichtungen. Hartinger

Kleinunternehmer Dietmar Gasser kämpft dafür, in der Pension nicht mehr die volle Grundumlage an die Wirtschaftskammer abführen zu müssen.

Dietmar Gasser liegt sein Unternehmen am Herz. Der Wolfurter betreibt ein sogenanntes Einzelunternehmen – kurz EPU – für Bauabdichtungen. Im vergangenen Oktober trat der heute 61-Jährige nach 45 Jahren in den Ruhestand. Sein EPU führt er aber weiter. “Solange die Gesundheit es zulässt, möchte ich geringfügig weiterarbeiten”, sagt der gelernte Maurer. Deshalb ist auch seine Gewerbeberechtigung noch intakt. Das bedeutet, dass Gasser jährlich die Grundumlage in Höhe von 495 Euro an die Wirtschaftskammer abführen muss.

Herabsetzungsanträge

Bereits vor rund zehn Jahren stellte Gasser zum ersten Mal einen Antrag auf die Herabsetzung seiner Umlage. “Sobald ich die Zahlungsaufforderung mit der Post bekommen habe, stellte ich den Antrag”, berichtet der 61-Jährige. Das habe funktioniert, bis zu 50 Prozent Ermäßigung habe er erhalten – bis zum Jahr 2020. “Da hat mir Innungsmeister Franz Kopf mitgeteilt, dass es keine Herabsetzung gibt. Das war das Corona-Jahr, in dem man eine Weile nicht arbeiten konnte und keinen Umsatz machte”, berichtet der Unternehmer von einem wirtschaftlich für ihn sehr schwierigen Jahr.

Dietmar hat ein 1-Personen-Unternehmen und arbeitet geringfügig in der Pension. Er darf max. 500€ verdienen, aber müsste 495€ Kammerumlage zahlen. Jetzt kämpft er für Ermäßigungen
Gasser zeigt der NEUE den Mailverlauf mit der Wirtschaftskammer. Hartinger

“Dann habe ich nachgehakt und die Ermäßigung schließlich durchgesetzt. Das brauchte Nerven, Zeit und eine Menge E-Mails und Telefongespräche”, erinnert sich Gasser und legt der NEUE einen Mailverlauf mit der Wirtschaftskammer vor, in dem er sehr intensiv für sein Anliegen kämpfte.

“Letztmalige” Ermäßigung

In den folgenden Jahren, berichtet der Wolfurter, habe es keine Probleme mehr mit den Anträgen gegeben – bis er im Herbst in den Ruhestand trat. Abermals zeigt Gasser ein Mail von einer Mitarbeiterin der Wirtschaftskammer. “Wir haben Ihr Grundumlagen-Ansuchen bearbeitet und ich kann Ihnen mitteilen, dass wir Ihnen 2024 letztmalig die Grundumlage in der Höhe von 495 Euro auf 247,50 Euro ermäßigen”, liest man darin.

"Einen Monatsverdienst müsste ich an die Kammer abführen"
Franz Kopf ist als Innungsobmann für Bauhilfsgewerbe dafür zuständig, über die Herabsetzungsanträge für die Grundumlage in seiner Gewerbesparte zu entscheiden. Hartinger

Innungsobmann Franz Kopf erklärte auf NEUE-Nachfrage zum Thema: “Mehrere Jahre sind wir ihm (Gasser, Anm. d. Red.) entgegengekommen. Auch als er schrieb, er wolle nur 100 Euro Umlage zahlen, sagten wir, dass das passt und haben nicht interveniert.” Den Begriff “letztmalig” wolle er nicht stehen lassen. “Wir haben als Wirtschaftskammer immer ein offenes Ohr und arbeiten lösungsorientiert. Mit einer Begründung kann man natürlich jedes Jahr einen Antrag auf Herabsetzung stellen”, betont der Innungsobmann des Bauhilfsgewerbes.

Hopfner unterstützt Anliegen

Gasser wünscht sich eine Veränderung, auch für weitere EPU in seiner Situation. Für ihn als geringfügigen Kleinunternehmer in der Pension gilt nämlich eine entscheidende Regel: Maximal 500 Euro darf er monatlich laut Pensionsgesetz dazuverdienen. Die Höhe der jährlichen Grundumlage ärgert ihn: “Einen Monatsverdienst müsste ich fast eins zu eins an die Wirtschaftskammer abführen.”

Dietmar hat ein 1-Personen-Unternehmen und arbeitet geringfügig in der Pension. Er darf max. 500€ verdienen, aber müsste 495€ Kammerumlage zahlen. Jetzt kämpft er für Ermäßigungen
Gasser wünscht sich auch für andere Kleinunternehmer in seiner Situation eine Verbesserung. Hartinger

Bei Wirtschaftskammer-Präsident Wilfried Hopfner, den Gasser “menschlich sehr schätzt”, fand er mit seinem Anliegen ein offenes Ohr. Dieser sicherte dem Kleinunternehmer Anfang dieser Woche per Mail seine Unterstützung in der Sache zu. Auf Nachfrage der NEUE meinte der WKV-Präsident: “Es ist meiner Meinung nach nicht richtig, dass ein Pensionist in dieser Situation die gesamte Grundumlage abführen muss. Deshalb habe ich eine Empfehlung an die entsprechende Fachgruppe ausgesprochen und mich für das Anliegen eingesetzt.”

Wilfried Hopfner, Banken-BashingWilfried Hopfner, Banken-Bashing
WKV-Präsident Wilfried Hopfner will sich in der Sache einsetzen. Steurer

Dietmar Gasser fordert selbst gar drastischere Schritte. Wie auch in den Mails ersichtlich ist, die er der NEUE vorlegte, wünscht der Wolfurter sich die Abschaffung der verpflichtenden Grundumlage an die Wirtschaftskammer. Vorerst aber steht für ihn sein Kernanliegen im Zentrum: “Wer in der Pension arbeitet, sollte nur mehr eine stark herabgesetzte Grundumlage bezahlen müssen.”

Dietmar hat ein 1-Personen-Unternehmen und arbeitet geringfügig in der Pension. Er darf max. 500€ verdienen, aber müsste 495€ Kammerumlage zahlen. Jetzt kämpft er für Ermäßigungen
Geht es nach Gasser, soll die Kammerumlage ganz abgeschafft werden. Hartinger

Die finale Entscheidung über den Fall Gasser liegt laut Wilfried Hopfner allerdings bei der Fachgruppe für Bauhilfsgewerbe, da diese die Höhe der Umlage festlegt: “Ich kann das nicht entscheiden, nur Empfehlungen aussprechen.”

EPU

Ein-Personen-Unternehmen, kurz EPU genannt, sind Unternehmen, bei denen nur eine Person tätig ist. Zum Anfang des Vorjahrs gab es in Vorarlberg rund 14.000 EPUs. Sie machen einen Anteil von 57,5 Prozent und damit mehr als die Hälfte aller gewerblichen Unternehmen im Land aus.