Warum die Zahlen zum Lehrermangel mit Vorsicht zu genießen sind
![ABD0061_20190215 – WIEN –
STERREICH: ++ ARCHIVBILD/THEMENBILD ++ Illustration zum Thema “Lehrer / Lehrerbedarf”: Der vor allem durch Pensionierungen entstehende Bedarf an Lehrern erreicht 2019 seinen Hhepunkt. Knapp 3.900 Planstellen (von knapp 110.000) mssen heuer nachbesetzt werden. Im Bild wischt ein Lehrer whrend des Mathematik-Unterrichts die Tafel sauber, aufgenommen am 12.10.2004 in Frankfurt am Main. […]](/2024/05/ABD0061-20190215-1-768x512.jpg)
Vor dem Schulstart präsentierten Land und Bildungsdirektion die Zahlen zum Lehrermangel. Diese können nicht allein stehen gelassen werden – von einer “dynamischen Angelegenheit” spricht Schöbi-Fink.
Das neue Schuljahr steht vor der Tür. Wenn am Montag 55.906 Schüler in Vorarlberg wieder oder erstmals in die Klassen eintreten, ist auch ein leidiges Thema wieder in aller Munde: der Lehrermangel. Darüber und zu weiteren Schulthemen lieferten Bildungslandesrätin Barbara Schöbi-Fink (ÖVP) und Bildungsdirektor Heiko Richter Einblicke in einer Pressekonferenz.
Zahlen sind nicht gleich Zahlen
Dabei ist ein Blick auf die nackten Zahlen beim Lehrermangel gar nicht so leicht, wie man denkt. Bei den offenen Stellen muss nämlich zwischen Teil- und Vollzeitstellen differenziert werden, dazu gibt es Schulen, die dem Land und andere, die dem Bund unterstehen. Außerdem können sich die Zahlen täglich ändern, wenn eine Stelle neu besetzt wird oder es einen spontanen Abgang gibt. „Wir wissen auf die Person genau noch nicht, wie es am Montag ausschauen wird“, spricht Schöbi-Fink von einer „dynamischen Angelegenheit“.

Zu den Landesschulen zählen die Pflicht- und Berufsschulen. Hier treten 234 Lehrpersonen neu in den Dienst, während – Stand Donnerstag – noch eine Vollzeit- sowie 26 Teilzeitstellen offen sind. In Vollzeitäquivalente umgerechnet entspricht das 13 Stellen. Während in der Volksschule noch eine Klassenführung fehle, seien in den Mittelschulen vor allem noch Stunden in Deutsch und Englisch offen, erklärte Bildungsdirektor Heiko Richter An den allgemeinbildenden höheren Schulen (AHS) und den berufsbildenden mittleren und höheren Schulen (BMHS) sind 87 neue Lehrer dabei, am Donnerstag waren fünf Teilzeitstellen im Umfang von 2,3 Vollzeitäquivalenten offen. Heiko Richter sprach seinen Dank an alle Lehrkräfte aus, die zur Kompensation des Personalmangels zusätzliche Stunden übernehmen.

Willi Witzemann, Personalvertreter der Pflichtschullehrer, blickt im Telefonat mit der NEUE zurück: „In guten Zeiten hatten wir eine Personalreserve, nun haben wir Lehrermangel.“ Auch er befindet, die Zahlen allein zu nennen sei „unseriös“. Selbst nach Beginn des Schuljahrs könne es Ab- und Zugänge bei Lehrpersonen geben, etwa im Falle einer Schwangerschaft.
Mehr als 300 neue Lehrkräfte
Insgesamt 321 neue Lehrkräfte treten laut den Zahlen vom Donnerstag ihren Dienst in Vorarlberg im kommenden Schuljahr an. 146 haben das Lehramt abgeschlossen, 119 sind per Sondervertrag angestellt und 56 Quereinsteiger sind dabei. Um den Lehrberuf attraktiver zu gestalten, setzten Land und Bildungsdirektion eine Reihe von Maßnahmen um. So soll der Einsatz von Schulassistenzkräften zur Entlastung der Lehrpersonen künftig ausgebaut werden, ebenso will man die Schulsozialarbeit auf das ganze Land ausrollen. Dazu locken Prämien für Lehrer außerhalb Vorarlbergs und mit dem Start des neuen Schuljahres das „Jobticket“ für alle vom Land beschäftigten Lehrpersonen, die weiter als zwei Kilometer von ihrer Dienstschule entfernt wohnen.

An letzterer Maßnahme äußert Witzemann Kritik: „Es ist ein Desaster, dass man das Jobticket nur bekommt, wenn man zwei Kilometer von der Schule entfernt lebt. Es fehlt die Wertschätzung für die, die weniger weit weg leben.“
Dazu schlägt Witzemann weitere Bonusmodelle vor, die die Landespolitik umsetzen könne und bei denen die Wertschöpfung in Vorarlberg bleibe. „Man könnte neue Lehrkräfte etwa mit der V-Card unterstützen. So lernen sie das Land kennen.“ [Anm.: Die V-Card ermöglicht einmaligen Eintritt in zahlreiche Vorarlberger Ausflugsziele und kostet für Erwachsene ohne Ermäßigung 88 Euro.]
Konkurrenz der Nachbarländer
Bei der Rekrutierung von Lehrern erschwert der Standort dem Land Vorarlberg einiges. „Wir haben die Konkurrenz von Liechtenstein und St. Gallen, die ihren Lehrermangel mit Vorarlberger Lehrkräften bekämpfen“, bringt es Barbara Schöbi-Fink auf den Punkt. Sie wünscht sich – sowohl im Hinblick auf die Rekrutierung von Lehrern, als auch von Direktoren – Unterstützung vom Bund in Form von einer Zulage. Auf Nachfrage verweist die Bildungslandesrätin auf einen Landtagsbeschluss, nachdem das Land sich dafür einsetzen will. „Die Antwort aus dem Beamtenministerium war abschlägig, weil sie hier kein Fass auftun wollen. Nicht nur Lehrer, sondern alle Bundesbediensteten haben das Thema.“ Dennoch wolle sie sich weiter dafür einsetzen, zeigt sich Schöbi-Fink kämpferisch.
Thema Teilzeit
Willi Witzemann regt noch einen weiteren Punkt an: „Immer wird auf Teilzeitlehrer eingehackt, sie sollen doch mehr arbeiten, um den Lehrermangel zu bekämpfen. Es sollte umgekehrt sein: Teilzeitkräfte müssen respektiert werden, denn sonst werden sie in ein Eck gedrängt und gehen auch.“ Schöbi-Fink benennt die hohe Teilzeitquote (43 Prozent an Pflichtschulen, und 47 Prozent an den AHS und BHMS) als herausfordernd, insbesondere bei der Suche nach Lehrpersonal bei der Klassenführung. Die Landesstatthalterin stellt aber auch fest: „Ich mache keiner Lehrperson einen Vorwurf daraus. Es gibt immer gute Gründe, warum jemand keine volle Lehrverpflichtung übernehmen möchte.“