Vorarlberg

Ein Blick in Österreichs Bücherei des Jahres 2025

04.01.2025 • 18:00 Uhr
Ein Blick in Österreichs Bücherei des Jahres 2025
Spannende Geschichten warten in der Stadtbiblio­thek Dornbirn. stiplovsek

Die Dornbirner Stadtbibliothek wurde im vergangenen November mit dem ­Österreichischen Büchereipreis ausgezeichnet. Die NEUE hat sich in dem 2020 eröffneten Neubau umgeschaut.

Das runde Gebäude steht inzwischen seit fünf Jahren. Es gibt nicht nur Bücherfans Grund zur Freude. Auch Architekturinteressierte pilgern regelmäßig hin, um den Bau näher in Augenschein zu nehmen. Anfangs war es nur eine große Grube hinter dem altehrwürdigen Gebäude der bisherigen Bibliothek. Aber seit 2020 erstrahlt das unkonventionelle Rund, das aus vier verbundenen Parabeln besteht, in seinem Glanz. Bücher aus beigefarbener Keramik sind es, in umlaufenden Reihen, handgefertigt. Was für eine stimmige Idee, was für eine stimmige Ausführung.

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Das runde Gebäude, in dem die Stadtbibliothek untergebracht ist.

„Eiche“, sagt eine Fremdenführerin zu ihrer Gruppe, die im Erdgeschoss des Innenraums steht und staunend schaut. Die Ortskundige zeigt auf den Parkettboden und erklärt dann die Architektur. Innerhalb von einer halben Stunde kommen drei ähnliche Gruppen und lauschen ähnlichen Erklärungen. Die Bibliotheksmitarbeiter erscheinen nicht genervt. Sie freuen sich, dass sie einen wunderbaren Arbeitsplatz mit Menschen teilen können, die ihn ähnlich empfinden. Heidi Hämmerle zum Beispiel sagt: „Wir haben hier Kinder, Schüler, Erwachsene und Senioren. Das macht es sehr vielfältig. Dass mein Job ein Traumjob ist, macht auch das Gebäude aus. Es ist offen mit viel Platz, den wir gestalten können, mit sehr vielen Möglichkeiten, uns zu entfalten. Die Atmosphäre ist sehr gut, das Team harmoniert. Jede und jeder ist für einen Bereich zuständig, wir bringen uns ein, wir sind ein Team.“

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Wer hier arbeitet, liebt Bücher. Stiplovsek

Bereiche sind Medienpädagogik, Literaturvermittlung, Erwachsenenbildung, Veranstaltungen und Jugend. Das Team besteht aus 15 Mitarbeitenden, es gibt eine Auszubildende, die die Lehre zur Verwaltungsassistentin macht und eine Spanierin aus einem Austauschprogramm. Das aktuelle Lieblingsbuch von Hämmerle ist „Der Bademeister ohne Himmel“. „Da wird eine 24-Stunden-Betreuung beschrieben, einfach, aber treffend.“ Wer hier arbeitet, liebt Bücher und ihre Möglichkeiten.

Schüler auf Lesereise

An der Innentür der Bibliothek klebt ein buntes kleines Schild: „Bibliothek 2025“. Intern wurde dieser Titel bereits mehrmals gefeiert. Die Besucher wissen meist nichts von der Auszeichnung, sind aber auch nicht erstaunt, denn sie lieben diesen Ort. Zwischen der Außen- und Innentür befindet sich die Garderobe, in der die Kinder und Erwachsenen ihre Jacken und teilweise auch ihre Schuhe ausziehen. Es ist ein Nachhausekommen, die Vorwegnahme eines Geborgenheitsgefühls, das sich gleich einstellen wird.

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Auf Lesereise. Stiplovsek

Heute sind Acht-, Neun- und Zehnjährige aus der Volksschule Wallenmahd zu Besuch. Jeden Dienstag gehen sie in der Bibliothek auf Lesereise. „Ein cooler Schulausflug“, meint ein Knirps. Dem anderen gefällts, weil „es so schön ruhig ist“. „Hier gibt es Roboter“, „Ich liebe Lesen“, „der Gaming Room, die Spiele sind cool“, freuen sich andere.Innen stehen oder liegen ab und zu Zettel oder Flyer, die auf Spielregeln oder unentdeckte Möglichkeiten hinweisen: „Lesezeichen gestalten und Freude schenken“, „Zeitungen online lesen“, „Veranstaltung mit der Autorin Chris­tine Wessely“, „Diese Bibliothek unterstützt die Nachhaltigkeitsziele“. „Alle Spiele sind zum Spielen da. Wenn ihr fertig seid, räumt bitte alles wieder in die Verpackung und zurück ins Regal“. Der Ton ist freundlich, alle sind willkommen. Neben der Empfangstheke steht ein offener Kühlschrank, in dem häufig Sandwiches oder andere Lebensmittel hart am Ablaufdatum darauf warten, dass jemand sie ästimiert und kostenlos mitnimmt.

Für Groß und Klein

Eine Oma ist mit ihrer Enkelin mit dem Stadtbus zur Bibliothek gefahren. Auf die Frage an das kleine Mädchen, was ihr Lieblingsbuch sei, sagt sie „alle!“ Eine Ecke weiter liest ein Vater seinem Sohn „Zwei kleine Ritter“ vor und möchte eigentlich nicht gestört werden. Er liest ein bisschen schneller, weil sie gleich den Bruder vom Fußballtraining abholen. Eine Frau blickt sich suchend um. Die alte Bibliothek fand sie schöner, übersichtlicher. Könnte auch daran liegen, dass sie zum ersten Mal im neuen Bau ist. Sie sucht mit ihrer Tochter Harry Potter und fragt schließlich eine Mitarbeiterin. Ihre Tochter mag Bücher – sofern sie ihr vorgelesen werden. Das ist der erste Schritt, wissen die Mitarbeiterinnen. Ein anheimelnder Ort tut sein Übriges.

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In der Stadtbibliothek finden sich Bücher für Groß und Klein, auch deshalb wurde sie ausgezeichnet. stiplovsek

Unten sind viele Spiele und Bücher für Kinder. Oben stehen Graphic Novels, Biografien, man kann Filme wie Folgen von „Die Toten vom Bodensee“ ausleihen, Hörbücher, zum Beispiel mit gesprochenen Büchern von Isabel Allende, es gibt Ratgeber wie „Wenn Kinder anders fühlen“ und außerdem eine Café-Seite. Hier sitzen zwei in die Jahre gekommene Freunde zusammen bei Kaffee und heiterem Austausch. Wenn sie über die Bibliothek sprechen, kommen ihnen nur Komplimente über die Lippen: „Hier gibt es ein breites Spektrum, ein großes Angebot. Wir lesen hier zum Beispiel intensiv Zeitungen. Man lernt Leute kennen, es ist eine Wohnzimmeratmosphäre. Die Bibliothekarinnen und der Bibliothekar sind sehr freundlich und sorgen immer wieder für Neuanschaffungen, für neue Bücher, die wir noch nicht kennen. Es ist sozusagen eine Feinschmeckerbibliothek.“

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Eine Feinschmeckerbibliothek. Stiplovsek

Die Bücher würden nicht versteckt und unattraktiv Rücken an Rücken stehen, sondern ansprechend präsentiert. Außerdem loben die Besucher die attraktive Architektur und die Öffnungszeiten. „Außer Sonntag und Montag ist immer offen, sogar zwischen Weihnachten und Neujahr. „Diese Bibliothek zählt zu den größten österreichweit. Sie ist nicht nur spannend für uns Senioren, sondern für jeden ab dem Kleinkindalter.“

“Ein schöner Prozess”

Johanna Baumgartner arbeitet seit 2018 in der Bibliothek. Sie hat die Bauphase mitbekommen. Seit das Schmuckstück steht, bringt sie ihre Ideen und Expertise ein, inzwischen als Leiterin. „Die Besucherströme lassen sich auch steuern, in dem, wie man Medien präsentiert, hat man neue Sachen? Wir haben zum Beispiel Robotikelemente und Coding-Materialien für Kinder, die so die Basics lernen können. Zu uns kommen Eltern und Kindergartengruppen, um Lesen als Abenteuer zu entdecken.“

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Johanna Baumgartner (42) erzählt von „ihrer“ Bibliothek des Jahres 2025.stiplovsek

Inzwischen bietet die Bibliothek auch chorisches Vorlesen an, weil dann der Einzelne, der vielleicht noch Schwierigkeiten hat, nicht vorgeführt wird. Es gibt Comic­lesungen, weil hier nicht über fehlendes Interesse an Hochkultur gejammert, sondern geschaut wird, wie Kinder am besten abgeholt werden können. Es gibt Workshops für Schulklassen und Autorenlesungen. Es gibt partizipative Formate wie Literaturkreise, den English Book Club oder die Maschenprobe, wo eben nicht nur gestrickt und gehäkelt wird.

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Baumgartner im Gespräch mit der NEUE. Stiplovsek

Das niederschwellige Sofa der Stadt zu sein, ohne Konsumzwang, ein Lernort mit unterstützenden Materialien, dieser Bedarf nehme zu, beobachtet Baumgartner. „Wir stellen Laptops, Lineale, Zirkel und so weiter zur Verfügung.“
Dass die Bibliothek gut angenommen wird, zeigen auch die Zahlen. 17 Prozent der Dornbirner besitzen einen Bibliotheksausweis, das ist österreichischer Spitzenwert. Die Bücherei-des Jahres-Jury urteilte, die Dornbirner Bibliothek sei vorbildlich. Baumgartner kommentiert, „eine Bibliothek ist ein Prozess“. Wahrscheinlich meint die Jury genau das.