Vorarlberg

„Hohe Lohnkosten sind hausgemacht“

11.01.2025 • 09:00 Uhr
„Hohe Lohnkosten sind hausgemacht“
Der neue WKV-Präsident sieht die ökologische Transformation nicht nur als Verpflichtung, sondern auch als wirtschaftliche Chance. Stiplovsek

Interview. Karlheinz Kopf, neuer Präsident der Wirtschaftskammer Vorarlberg, über die Herausforderungen in Bauwirtschaft und Industrie sowie seine Pläne zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts.

Sie treten Ihr neues Amt in einer herausfordernden Zeit an. Was sind Ihre ersten Prioritäten?
Karlheinz Kopf: Wir befinden uns tatsächlich in einer äußerst angespannten wirtschaftlichen Lage. Besonders Branchen wie die Industrie und die Bauwirtschaft spüren die Auswirkungen der Rezession stark. Meine erste Priorität ist es, Wege zu finden, wie wir die Wettbewerbsfähigkeit der Vorarlberger Wirtschaft wieder stärken können. Das bedeutet unter anderem, dass wir uns für eine Entlastung der Arbeitskosten einsetzen und die Energiekosten in den Griff bekommen müssen.

Welche Lösungen sehen Sie bei den hohen Energiekosten?
Kopf: Ein großes Problem ist, dass die Energiekosten in Vorarlberg und ganz Österreich durch die Energiewende weiter steigen werden. Diese Transformation ist notwendig, aber sie bringt hohe Investitionskosten mit sich – sowohl für Erzeugungs- als auch für Netzkapazitäten. Es wäre sinnvoll, steuerliche Erleichterungen wie die Energiesteuersenkung noch für ein bis zwei Jahre zu verlängern. Das würde Unternehmen helfen, die Belastungen abzufedern.

Ein weiterer Faktor, der oft diskutiert wird, ist der Fachkräftemangel. Wie wollen Sie hier gegensteuern?
Kopf: Der Fachkräftemangel bleibt eine zentrale Herausforderung. Einerseits müssen wir mehr Menschen aktivieren, die bereits in Teilzeit arbeiten, und sie dazu ermutigen, mehr Stunden zu übernehmen. Das gelingt aber nur, wenn es sich auch finanziell lohnt. Andererseits brauchen wir eine Erleichterung der Zuwanderung, um den Arbeitskräftebedarf zu decken. Das betrifft vor allem gut ausgebildete Fachkräfte, die hier in Vorarlberg dringend gebraucht werden.

„Hohe Lohnkosten sind hausgemacht“
Kopf betont die Innovationskraft Vorarlbergs als zentralen Erfolgsfaktor der Region. Stiplovsek

Viele Unternehmen beklagen auch die steigenden Lohnstückkosten. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?
Kopf: Tatsächlich ist das ein hausgemachtes Problem. In Österreich sind die Lohnstückkosten zwischen 2021 und 2024 um 30 Prozent gestiegen, während sie in Deutschland nur um 14 Prozent und in der Schweiz um 6 Prozent zugenommen haben. Diese Entwicklung gefährdet unsere Wettbewerbsfähigkeit massiv. Es braucht dringend Entlastungsmaßnahmen auf Bundesebene, etwa durch Senkung der Lohnnebenkosten.

Wie wollen Sie sicherstellen, dass die Wirtschaftskammer als Interessenvertretung unabhängig und glaubwürdig bleibt?
Kopf: Die Wirtschaftskammer muss klar eigenständig bleiben und die Interessen der Wirtschaft artikulieren. Das heißt aber nicht, dass wir gegen die Politik arbeiten. Im Gegenteil: Eine enge Zusammenarbeit ist entscheidend, um gemeinsam Lösungen zu finden. Wir sind eine Interessenvertretung und kein politisches Organ. Diese Rollenaufteilung muss klar bleiben.

Die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Politik wird oft kritisch gesehen. Wie begegnen Sie diesem Vorwurf?
Kopf: Kritik ist legitim, aber ich denke, dass kurze Wege zwischen Wirtschaft und Politik in einem kleinen Land wie Vorarlberg eher ein Vorteil sind. Wir sitzen im selben Boot, denn eine erfolgreiche Wirtschaft sorgt für Arbeitsplätze und Wohlstand. Dennoch ist es unsere Aufgabe, auch unbequeme Themen klar anzusprechen und konstruktiv zu bleiben.

„Hohe Lohnkosten sind hausgemacht“

Ein Thema, das immer wieder auftaucht, ist die Rolle der Ausbildung. Wie bewerten Sie die Situation in Vorarlberg?
Kopf: Vorarlberg hat in Sachen Ausbildung einige Stärken, insbesondere durch das duale System und die Fachhochschule. Diese Assets heben uns von anderen Regionen ab. Dennoch gibt es Herausforderungen, vor allem im Bereich der Grundbildung. Es ist inakzeptabel, dass Kinder – und da spreche nicht nicht nur von jenen mit Migrationshintergrund – mit unzureichenden Deutschkenntnissen eingeschult werden. Hier müssen wir dringend investieren, damit alle Kinder gleiche Chancen auf eine gute Ausbildung haben.

Wie wichtig ist die Weiterbildung für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen?
Kopf: Weiterbildung ist entscheidend. Die Wirtschaftskammer ist der größte nichtstaatliche Bildungsanbieter in Österreich. Mit unseren WIFIs bieten wir zahlreiche Möglichkeiten, um Fachkräfte weiterzubilden und Unternehmen zu unterstützen. Lebenslanges Lernen wird immer wichtiger, insbesondere in Zeiten der digitalen Transformation.

Wie können Vorarlberger Unternehmen von der digitalen Transformation profitieren?
Kopf: Die digitale Transformation ist sowohl eine Herausforderung als auch eine Chance. Gerade bei knappen Personalressourcen können Technologien Effizienzsteigerungen bringen. Unsere Unternehmen sind in diesem Bereich bereits gut aufgestellt, aber es gilt, diesen Vorsprung weiter auszubauen. Kooperationen mit Bildungseinrichtungen wie der FH Vorarlberg sind hier essenziell.

Welche Rolle spielt das Thema Nachhaltigkeit in der Wirtschaftspolitik?
Kopf:
Nachhaltigkeit ist ein Muss. Es geht darum, nicht nur ökologische Verantwortung zu übernehmen, sondern auch wirtschaftlich davon zu profitieren. Viele Unternehmen haben bereits erkannt, dass nachhaltige Praktiken nicht nur gut für die Umwelt, sondern auch für die Wettbewerbsfähigkeit sind. Wir müssen diesen Trend auf jeden Fall weiter fördern.

Welche Vision haben Sie für den Standort Vorarlberg?
Kopf:
Vorarlberg hat sich in der Vergangenheit immer wieder neu erfunden – von der Textilregion hin zum Technikland. Meine Vision ist, dass wir diesen Innovationsgeist beibehalten. Die digitale und ökologische Transformation bieten enorme Chancen. Dabei setze ich auf eine enge Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Politik und Bildung. Wir müssen sicherstellen, dass Vorarlberg ein attraktiver Standort bleibt, sowohl für Unternehmen als auch für Fachkräfte. Das bedeutet, dass wir in die Infrastruktur investieren, die duale Ausbildung weiter stärken und unsere Innovationskraft gezielt fördern. Zudem ist es wichtig, dass wir als Region nachhaltig agieren und gleichzeitig wirtschaftlich wettbewerbsfähig bleiben. Mein Ziel ist es, Vorarlberg zu einem Vorreiter für technologische, ökologische und soziale Innovationen zu machen, um langfristig Wohlstand und Lebensqualität zu sichern.

Was motiviert Sie persönlich in Ihrer neuen Rolle?
Kopf:
Mich motiviert die Vielfalt der Aufgaben und die Möglichkeit, aktiv zur Weiterentwicklung unseres Wirtschaftsstandorts beizutragen. Ich sehe Vorarlberg als eine Region mit enormem Potenzial, und ich freue mich darauf, dieses Potenzial gemeinsam mit den Wirtschaftstreibenden zu heben.

„Hohe Lohnkosten sind hausgemacht“

Zur Person

Karlheinz Kopf

1957 in Hohenems geboren, ist Kopf seit Jänner 2025 Präsident der Wirtschaftskammer Vorarlberg. Zuvor war er Generalsekretär der WKO und blickt auf eine lange politische Karriere in der ÖVP zurück. Von 2006 bis 2017 war er Zweiter Präsident des Nationalrats. Kopf gilt über die Partei­grenzen hinaus als erfahrene Stimme in wirtschaftspolitischen Fragen.