Klare Forderungen und deutliche Kritik

Vertreter zentraler Institutionen Vorarlbergs äußern sich zur Regierungsbildung im Bund. Ihre Anliegen reichen von Standortpolitik über soziale Gerechtigkeit bis hin zu kulturellen Werten.
Die Vertreterinnen und Vertreter zentraler Institutionen in Vorarlberg betonen zur Regierungsbildung im Bund unterschiedliche Schwerpunkte, die die Herausforderungen und Prioritäten ihrer jeweiligen Bereiche widerspiegeln.
Für Wisto-Geschäftsführer Jimmy Heinzl ist eine aktive Standortpolitik entscheidend, um Wertschöpfung und Beschäftigung zu fördern. Ähnlich sieht es Karlheinz Kopf, Präsident der Wirtschaftskammer Vorarlberg. Er mahnt dringend Bürokratieabbau und die Senkung der Lohnnebenkosten an, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Arbeitsmarktintegration, Energiepreise und steuerliche Anreize für Überstunden spielen hier eine zentrale Rolle.
AK-Präsident Bernhard Heinzle kritisiert vergangene schwarz-blaue Regierungen, deren Maßnahmen oft auf Kosten der Beschäftigten gegangen seien. Heinzle fordert stattdessen eine Sozialpolitik, die die Gesundheitssysteme stärkt und Arbeitsplätze altersgerecht gestaltet.
Soziale Gerechtigkeit
Auch im Sozialbereich gibt es Bedenken: Caritas-Direktor Walter Schmolly warnt vor einer Asylpolitik, die nicht nur rechtliche Grundsätze, sondern auch Empathie und Solidarität in der Gesellschaft gefährdet. Für Patrick Breuss, Geschäftsführer von Integra, ist die Förderung von Arbeitsmarktintegration zentral, um soziale Ungleichheiten zu verhindern.
Vielfältige Erwartungen
Die kulturelle Perspektive bringt Landestheater-Intendantin Stephanie Gräve ein. Sie unterstreicht, dass Theater für Offenheit, Diversität und Kritik steht – wichtige Werte in Zeiten gesellschaftlicher Spaltung. Die verschiedenen Stimmen zeigen die vielfältigen Erwartungen an eine neue Bundesregierung – mit klaren Forderungen, aber auch deutlichen Sorgen.

“Aktive Standortpolitik”
Unabhängig von der Regierungszusammensetzung erhoffen wir uns eine aktive Standortpolitik, die Wertschöpfung und Beschäftigung fördert. KMU benötigen Investitionsförderungen, um Wachstum zu sichern. Diese Maßnahmen setzen Impulse für Beschäftigung, Bauwirtschaft und andere Branchen. Angesichts des demographischen Wandels ist es entscheidend, Fachkräfte zu gewinnen, die Erwerbsquote durch Kinderbetreuung zu erhöhen und steuerliche Anreize für Mehrarbeit zu schaffen. Bürokratieabbau ist essenziell, um Unternehmen Freiräume für Entwicklung zu geben. Vorarlbergs Wirtschaft, stark exportorientiert, braucht weiterhin Maßnahmen zur Senkung der Energiekosten, bei gleichzeitiger Sicherung von Nachhaltigkeit und Versorgungssicherheit. Ebenso zentral sind Investitionen in die Qualifizierung der Arbeitskräfte und in Forschungs- sowie Innovationsförderungen. Eine starke FHV ist unerlässlich, um die Wettbewerbsfähigkeit Vorarlbergs zu erhalten und die regionale Wirtschaft langfristig zu stärken.
Jimmy Heinzl, Wisto-Geschäftsführer

„Für die Beschäftigten“
Das Wahlprogramm der FPÖ sieht Entlastungen für Großkonzerne und Vermögende vor. Eine Regierung, die das Rekorddefizit sanieren muss, darf dies nicht nur durch Einsparungen bewältigen. Wir vertreten vier Millionen Beschäftigte und bewerten jede Regierung danach, was sie für die arbeitenden Menschen tut. Sparpakete, die vor allem die Beschäftigten treffen, lehnen wir ab. Frühere schwarz-blaue Regierungen haben mit der Zerschlagung der Gesundheitskasse oder dem 12-Stunden-Tag gezeigt, dass solche Koalitionen oft Nachteile für Arbeitnehmer bringen. Wir fordern Maßnahmen gegen Sozialbetrug und die missbräuchliche Nutzung von Insolvenzen, die redliche Betriebe und Steuerzahlende belasten. Ein zentrales Anliegen ist die Reform des Gesundheitssystems, ohne Kürzungen der Lohnnebenkosten, wie bei der AUVA. Altersgerechte Arbeitsplätze, Prävention und Sanktionen gegen Unternehmen, die ältere Menschen diskriminieren, sind ebenso notwendig, damit mehr Beschäftigte bis zum Pensionsantrittsalter gesund im Job bleiben können.
Bernhard Heinzle, AK-Präsident

“Ausgabenproblem”
Unser Fokus liegt auf dem Abbau von Bürokratie, der Beschleunigung von Verfahren und einer breiten Kostenentlastung für heimische Unternehmen. Österreich hat kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem und benötigt keine neuen Steuern. Im Arbeitsmarkt sind wir mit einer wachsenden Lücke konfrontiert: In den nächsten 15 Jahren fehlen 250.000 Arbeitskräfte. Notwendig ist daher eine gezielte Zuwanderung in den Arbeitsmarkt, nicht ins Sozialsystem. Zudem ist ein starker Binnenmarkt sowie der internationale Handel, mit fairen Handelsabkommen, essenziell für unsere exportabhängige Wirtschaft. Um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, brauchen wir eine Senkung der Lohnnebenkosten sowie steuerliche Anreize, die Überstunden und längeres Arbeiten attraktiver machen. Energiepreise müssen wettbewerbsfähig sein, und Investitionsanreize für private Investitionen sind entscheidend. Ohne Wirtschaftswachstum gibt es weder Wohlstand noch ein stabiles Sozialsystem – das muss das Ziel der neuen Regierung sein.
Karlheinz Kopf, WKV-Präsident

„Zusammenhalt sichern“
Bisher sind nur die Wahlprogramme der Parteien bekannt, entscheidend wird das Regierungsprogramm und die darin festgelegten Kompromisse sein. Die Asylpolitik ist im FPÖ-Wahlprogramm dominierend, allerdings fehlt es darin an Verständnis und Solidarität gegenüber verfolgten und geflüchteten Menschen. Einige Forderungen widersprechen sogar internationalem Recht. Eine solche Politik richtet nicht nur direkten Schaden an, sondern untergräbt auch die Empathie und Solidarität in unserer Gesellschaft. Wir hoffen, dass sich die neue Bundesregierung auf eine Migrations- und Asylpolitik verständigt, die der humanitären Tradition und Verantwortung Österreichs gerecht wird. Besonders wichtig ist, dass die in Vorarlberg erfolgreich entwickelten Lösungen im Asyl- und Integrationsbereich durch die Bundespolitik nicht behindert werden.
Walter Schmolly, Caritas-Direktor
In Vorarlberg sind soziale Fragen überwiegend Ländersache. Allerdings stehen auch hier knappe öffentliche Budgets bevor, wodurch sich die Verteilungsfragen verschärfen. Eine nachhaltige gesellschaftliche Entwicklung ist nur möglich, wenn Klimaschutz, soziale Sicherheit und wirtschaftlicher Fortschritt miteinander im Einklang stehen. Unsere Sorge ist, dass bundespolitische Entwicklungen diese Ausgewogenheit gefährden und soziale sowie ökologische Themen nachrangig behandelt werden.
Wir fordern die Bundesregierung auf, die soziale Sicherheit und den Zusammenhalt zu stärken. Eine funktionierende Gesellschaft misst sich daran, wie sie mit jenen umgeht, die auf Unterstützung angewiesen sind. In Zeiten großer gesellschaftlicher Veränderungen gibt es immer noch Menschen, die unter den sozialen Folgen der Corona- und Teuerungskrise leiden und drohen, den Anschluss zu verlieren. Die schrumpfenden öffentlichen Budgets dürfen nicht zu Lasten der Schwächsten gehen. Sparmaßnahmen müssen sozial ausgewogen sein, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sichern und Armut zu bekämpfen.

„Perspektiven schaffen“
Als sozialökonomischer Betrieb fördern wir durch geschützte Arbeitsplätze die berufliche Integration. Sparmaßnahmen, die Arbeitsmarktintegration betreffen, gefährden unsere Arbeit direkt: Weniger Arbeitsplätze bedeuten weniger Angebote für Gemeinden, Unternehmen und Privathaushalte, steigende Arbeitslosigkeit und mehr Menschen, die in Passivität gedrängt werden. Für eine gerechte Gesellschaft sind Arbeitsplätze und Maßnahmen zur Integration essenziell. Wir fordern stabile Förderstrukturen, um unser Angebot aufrechtzuerhalten und Menschen von der sozialen Unterstützung in eine angepasste Beschäftigung zu führen. Arbeitsmarktintegration ist eine Investition in den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Einschränkungen verstärken Ungleichheiten, gefährden den sozialen Frieden und führen zu Armut und Ausgrenzung. Integration, Bildung und Arbeit sind die Schlüssel für eine zukunftsfähige Gesellschaft. Wir setzen uns weiter dafür ein, Menschen in schwierigen Lebenslagen zu stärken und Perspektiven zu schaffen.
Patrick Breuss, Integra-Geschäftsführer

„Fähigkeit zu Empathie“
Theater ist ja die Gemeinschaftskunstform par excellence und somit seinem Wesen nach ein Gegenentwurf zu Konzepten von Ausgrenzung und Intoleranz, Spaltung und Verächtlichmachung.
Stephanie Gräve, Landestheater-Intendantin
Theater entsteht notwendig in einer Gemeinschaft, der auf der Bühne, und für eine Gemeinschaft, für das Publikum – mit dem sich dann temporär eine neue, dritte Gemeinschaft bildet.
Theater funktioniert nur mittels der menschlichen Fähigkeit zur Empathie, auf der Bühne und davor.
Theater ist offen und diskursfreudig, divers und international, hinterfragt die Gesellschaft und ihre (Macht)Strukturen, ist kritisch und politisch – auch widerständig, wenn es Not tut.
Das ist der Wesenskern von Theater, das ist unsere Haltung. Es wird sich weisen, ob und wie eine mögliche FPÖ/ÖVP-Regierung, so sie zustande kommt, dies schätzt und fördert.