Vorarlberg

50 Cent-Aufpreis für Bustickets: “Das ist für mich unsozial”

29.01.2025 • 18:51 Uhr
50 Cent-Aufpreis für Bustickets: "Das ist für mich unsozial"
Günther Mähr an einer Bushaltestelle in Satteins. Symbolisch für die Preiserhöhung hält hält er ein 50 Cent-Stück in die Höhe. hartinger

Seit dem 1. Jänner bezahlen Busfahrgäste 50 Cent mehr, wenn sie ihre Fahrkarte beim Ticketautomaten oder beim Busfahrer erwerben. Pensionist Günther Mähr kritisiert diese Neuerung – und er ist nicht der einzige.

Günther Mähr ist Pensionist und häufig unterwegs. Der Satteinser besitzt zwar ein Auto und ein Fahrrad, verwendet aber bei weiteren Strecken gerne Bus und Bahn. „Etwa einmal pro Woche bin ich mit den Öffis unterwegs – mal mehr, mal weniger“, erklärt der 80-Jährige. „Für weitere Wege nach Bayern oder in die Schweiz nehme ich den Zug. Wenn ich nach Feldkirch in die Stadt muss und das Wetter schlecht ist, gehe ich mit dem Bus. Und zum Skifahren ins Montafon fahre ich bis Bludenz mit dem Auto und steige dann auf Bus oder Zug um.“

50 Cent-Aufpreis für Bustickets: "Das ist für mich unsozial"
Günther Mähr hat eine Bushaltestelle direkt vor seinem Haus. Hartinger

Eine Neuerung stört Mähr allerdings: Seit 1. Jänner zahlen Fahrgäste im Bus 50 Cent mehr für ihre Fahrkarte, wenn sie diese beim Fahrer oder beim Automaten im Bus lösen. „Ich sehe die Preiserhöhung als Signal. Ältere, langsame Leute und Einzelfahrer, die wollen wir nicht mehr. Alles ist auf die Dauerfahrer ausgerichtet und das finde ich falsch. Diejenigen, die den Bus am meisten in Anspruch nehmen, zahlen am wenigsten. Das Geld holt man von den Gelegenheitsfahrern.“

Begründung für Aufpreis

Die Begründung für die Preiserhöhung kann man einer Medienmitteilung entnehmen, die der Vorarlberger Verkehrsverbund (VVV) Ende Oktober aussendete. Die Preiserhöhung an den Automaten liege demnach an den hohen Kosten in der Anschaffung und der zurückgehenden Nutzung. Beim Fahrer gekaufte Tickets würden dagegen Verspätungen verursachen, die sich nicht aufholen lassen. „Wir wollen die Buslenker entlasten, damit sie sich voll und ganz auf das Fahren konzentrieren können“, wurde VVV-Geschäftsführer Christian Hillbrand in der Aussendung zitiert.

50 Cent-Aufpreis für Bustickets: "Das ist für mich unsozial"
Christian Hillbrand ist Geschäftsführer des Vorarlberger Verkehrsverbund. hartinger

Dieses Argument könne er verstehen, erklärt Günther Mähr: „Ich war selbst schon in einer Situation, in der ich den Bus beim Ticketkauf aufgehalten habe.“ Doch deswegen die Preise zu erhöhen, befürwortet der Satteinser nicht. Stattdessen schlägt er eine Lösung vor, wie sie zum Beispiel in Mailand existiert: „Ein Zeitticket wäre viel sozialer und gerechter. Wenn man zum Beispiel ein Ticket für eine Stunde löst, kann man in dieser Zeit fahren, wohin man will.“ So könne man die komplizierte Situation mit den verschiedenen Zonen, die aktuell den Preis der Fahrkarte bestimmen, vereinfachen, erklärt der Pensionist.

Für Senioren zu kompliziert?

Selbst hat sich Günther Mähr die App „Fairtiq“ heruntergeladen und kann so die Preiserhöhung umgehen. In seinem Freundeskreis haben das aber nicht alle getan: „Schon vor der Preiserhöhung haben manche aus meiner Seniorengruppe erzählt, sie kaufen das Busticket immer beim Fahrer, weil ihnen sogar der Automat zu kompliziert ist.“ Das führt ihn zu seinem Fazit: „Man signalisiert den Menschen, die das System leicht aufhalten: Dafür, dass ihr zu ungeschickt seid, müssen wir 50 Cent verlangen. Das ist für mich unsozial.“

Auch im Landtag ein Thema

Auch im Landtag ein Thema. Die Ticketpreiserhöhung ist nicht nur in der Bevölkerung ein Thema. Im Kontrollausschuss des Landtags, der letzte Woche am Mittwoch zusammentraf, brachte die SPÖ das Thema bei der Besprechung des Rechnungshofberichts zum VVV ein. Klubobmann Mario Leiter brachte einen Antrag an den Landtag ein, mit dem er die Abschaffung der „Strafgebühr“, wie die SPÖ es nennt, erwirken will.

50 Cent-Aufpreis für Bustickets: "Das ist für mich unsozial"
SPÖ-Klubobmann Mario Leiter will mit einem Antrag im Landtag den Preisaufschlag abschaffen. hartinger

„Die Strafgebühr von 50 Cent ist ungerecht und unsozial. Sie trifft insbesondere jene Personengruppe, die auf den öffentlichen Verkehr angewiesen ist und nicht über das notwendige digitale Know-how verfügt. Der öffentliche Verkehr wird von der Öffentlichkeit bezahlt und gehört der Öffentlichkeit, darum muss er auch für die Öffentlichkeit ohne Barrieren zugänglich sein“, erklärt Leiter. Behandelt wird der SPÖ-Antrag voraussichtlich in der Landtagssitzung am 5. März.

50 Cent-Aufpreis für Bustickets: "Das ist für mich unsozial"
Anton Schäfer von der Volkshilfe Vorarlberg sieht die Preiserhöhung ebenfalls kritisch. paulitsch

Auch die Volkshilfe Vorarlberg kritisiert den Aufpreis und kündigt „politische Aktionen“ an Bahnhöfen dagegen an. Zudem will man eine unabhängige „Beschwerdestelle VVV“ einrichten und den Landtag über die Erkenntnisse daraus informieren.

3 Fragen an Christian Hillbrand (VVV-Geschäftsführer)

Womit begründen Sie die Preiserhöhung von 50 Cent für jene Fahrgäste, die ihr Busticket beim Ticketautomaten oder beim Fahrer kaufen?Christian Hillbrand: Unsere Buslenker sollen sich voll auf das Fahren und auf die Straße konzentrieren können, damit die Busse auch pünktlich ans Ziel kommen. Zusätzlich belasten die laufenden Kosten der Ticketautomaten von rund 1,4 Millionen Euro pro Jahr die Verkehrsunternehmen und den Verkehrsverbund bei rückläufigen Nutzungszahlen auf diesem Kanal. Deshalb ist es unser Ziel, dass die Fahrgäste bereits vor dem Einsteigen in den Bus ihr Ticket kaufen: entweder langfristig entspannt mit dem Klimaticket oder spontan mit der Fairtiq-App, im Vorverkauf in den Servicestellen, Trafiken, Automaten oder Bahnhofsschaltern. Was wir auch klar sagen können: Die weitaus überwiegende Mehrheit unserer Fahrgäste ist bereit und dazu in der Lage, ihr Ticket vor Fahrtantritt zu kaufen. Diese große Zielgruppe wollen wir nicht unnötig ausbremsen und erachten deshalb eine Reduktion der Bordverkäufe ihnen gegenüber als geboten.

Welche Alternative gibt es für ältere oder nicht technikaffine Personen, die kein Smartphone und keine Dauerfahrkarte besitzen?
Hillbrand: Öffi-Tickets (Einzel-, Tages-, Wochen- und Monatskarten) können bei allen Bahnhöfen und bei allen Fahrscheinautomaten (auch bei jenen der ÖBB) gekauft werden. Dieses Angebot steht auch bei den VMOBIL Service- und Verkaufsstellen (Feldkirch, Bludenz, Schruns, Dornbirn, Hohenems, Bregenz, Egg) als auch im BOTTA Shop Lustenau sowie in den Bahnhofstrafiken Götzis und Rankweil zur Verfügung. Nebenbei bemerkt: Vorarlberg leistet sich einen der umfassendsten analogen Vertriebskanäle im weiteren Umfeld. In vielen Städten und Regionen wurde der Kauf von Fahrscheinen im Linienbus bereits vor einigen Jahren vollständig eingestellt.

Wie reagieren Sie auf die Kritik, wonach die Preiserhöhung älteren und armen Personen ohne Smartphone gegenüber unsozial und benachteiligend sei?
Hillbrand: Wir haben bereits seit 2014 ein Modell, bei dem bedürftige oder armutsgefährdete Personen mit der FAIRcard unter die Arme gegriffen wird. Sie bezahlen für eine Monatskarte (maximo) nur 19 Euro, eine Jahreskarte liegt bei 196 Euro, die selbstverständlich in Raten bezahlt werden kann. Die Zahlen sprechen für sich, das Modell wird sehr gut angenommen. Es kann natürlich sein, dass trotzdem einige wenige Härtefälle auch vom Ausgabeaufschlag betroffen sind. Genau dafür haben wir Gespräche mit Sozialinstitutionen – unter anderem auch mit der Volkshilfe – aufgenommen, um hier treffsichere Lösungen zu finden. Die nächste Runde ist Ende Februar.