Vorarlberg

Ein Bauer klagt an: TBC bei Wild gefährdet unsere Landwirtschaft

08.02.2025 • 16:00 Uhr
Ein Bauer klagt an: TBC bei Wild gefährdet unsere Landwirtschaft

Reinhard Bär ist Bio-Bauer in Andelsbuch und Mitbesitzer an der Alpe Weißenbach in Schnepfau. Eines seiner trächtigen Jungrinder musste wegen TBC-Verdacht getötet werden.

Von Kurt Bereuter
neue-redaktion@neue.at

Auf der Alpe Weißenbach verbringen neben den Kühen von Reinhard Bär 48 Kühe und zwölf Rinder den Sommer. TBC ist auch dort ein Thema. Landesveterinär Norbert Greber schickte im Jänner 2025 an die „Hegemänner“, also die Jäger in diesem Gebiet, eine WhatsApp-Nachricht, dass im Jagdgebiet Au-Sonnenseite ein positiver Befund vorliege: „Also eine unerfreuliche Entwicklung im Gebiet Bezau-Schönebach und Umgebung, … Wir werden zeitnah mit den Jagdverantwortlichen der Region zusammenkommen und beraten, ob und welche Maßnahmen ad hoc zu treffen sind“, so Greber.

Ein Bauer klagt an: TBC bei Wild gefährdet unsere Landwirtschaft
Tierarzt Hannes Kohler (li.) und Reinhard Bär fordern endlich rigoroses Eingreifen beim Rotwildbestand, sonst werde es mit der TBC in den Ställen jedes Jahr schlimmer.

Reinhard Bär musste zwischenzeitlich mit seinem trächtigen Rind mit TBC-Verdacht in die Tierkadaververwertungsstelle in Koblach fahren, wo es getötet wurde. Das sei auch für einen Bauern schmerzhaft, wenn ein gesundes Tier, wegen eines Verdachtes, getötet werden muss. Das Ergebnis erhielt er knapp eine Woche später: Es war nicht infiziert. Trotzdem musste es sterben.

TBC-Verdacht ist ein Todesurteil

Tierarzt Hannes Kohler ist in die TBC-Problematik direkt involviert. Leider sei TBC nun auch im Bregenzerwald „explodiert“, was aber schon länger erwartet wurde. Die Tötung von 107 Rindern eines Schwarzenberger Hofes war bei dieser Durchseuchung im Stall alternativlos, ist auch er überzeugt. Aber, es wird damit nur eine Folge bekämpft und nicht die Ursache. Ursache sei nämlich der viel zu hohe Rotwildbestand und die Rotwildfütterung. Der Vorwurf an die Behörde lässt nicht auf sich warten: „Die Bestandsreduzierung ist alternativlos, die Abschusszahlen sind viel zu niedrig und die Behörden wollen keine Verantwortung übernehmen.“

Ein Bauer klagt an: TBC bei Wild gefährdet unsere Landwirtschaft

„So kann es nicht mehr weitergehen, Schwarzenberg zeigt, dass die Situation bereits explodiert ist.“

Hannes Kohler, Tierarzt

Die diagnostische Tötung schon bei bloßem unsicherem Verdacht, heiße für einen Landwirt „die Hölle durchleben“. Auf das Ergebnis warten, der Hof wird gesperrt, der Ruf leidet und mitunter muss dann der ganze Stall gekeult werden. Tierarzt Kohler wird deutlich: „So kann das nicht mehr weitergehen, das Thema haben wir seit vielen Jahren und jedes Jahr wird es schlimmer. Da sind nicht nur die Jäger und die jagdverpachtenden Grundbesitzer schuld, sondern es handelt sich auch um ein Behördenversagen. “ Hier würde öffentliches Geld für Jagdtrophäen von einigen Wenigen „verbrannt“, macht er deutlich.

Und dass der hohe Wildbestand nicht nur für die Land- und Alpwirtschaft ein Problem ist, darauf hätte schon der Waldverein und die Wildbach- und Lawinenverbauung mehr als deutlich hingewiesen. Durch die Fütterung würde einerseits die natürliche Selektion unterbunden, die Bestände hochgehalten und das Vieh angesteckt. Kleinere Bestände seien viel resilienter, brauchten keine Fütterung und die Ansteckungsgefahr auf das Vieh wäre minimiert. Also es müsse jetzt etwas geschehen, sonst werde es jedes Jahr schlimmer.

Enorme Futtermengen zum Schaden

Laut Reinhard Bär werden jährlich etwa 95 Tonnen Gras- und Maissilage für die Wildfütterung allein auf ihre Alpe geführt. Da sei das Kraftfutter und das Heu noch gar nicht mitgezählt. Das reiche gut und gerne für 200 Stück Rotwild, obwohl es dort „offiziell“ nur 70 Stück geben soll. Den 200 Tieren entspreche dann auch viel eher die Futtermenge. Und das alles sei keine Notfütterung, sondern eine „Anfütterung“ um sogenannte Erntehirsche mit einer großen Trophäe schießen zu können. Hier sei mit Behördenversagen ein Hobby mehr wert als die Land- und Alpwirtschaft. Während bei einem Bauern die Kontrollen schon überbordend seien, agiere die Jagd fast gänzlich außerhalb von Behördenkontrollen, da werde einfach akzeptiert, wenn die Behördenauflagen – wie Abschusspläne, die sowieso zu niedrig angesetzt seien – nicht erfüllt würden. Es sei klar, dass Jagdpächter, die jährlich mehrere 10.000 Euro Jagdpacht und Aufwände zahlten, einen hohen Wildbestand mit Trophäenträgern wollen.

Ein Bauer klagt an: TBC bei Wild gefährdet unsere Landwirtschaft

„Es geht um die Zukunft unserer Landwirtschaft, wir brauchen gesunde Tiere, von denen wir ja leben – mitsamt der Bevölkerung. Warum eine kleine Gruppe von Jägern uns Landwirte hier in Geiselhaft nehmen kann, verstehe ich nicht.“

Reinhard Bär, Bio-Bauer

Dass den Alpbesitzern, die oftmals keine Landwirte mehr seien, ein hoher Jagdpacht wichtiger sei als eine funktionierende Alpwirtschaft, kann der Bauer aber nicht verstehen. Dass sich der Alpwirtschaftsverein, der Bauernbund und die Landwirtschaftskammer hier nicht vehement einbringen, versteht er auch nicht. Es sei auch der Tourismus von den gepflegten Alpflächen abhängig, auch der rege sich nicht, angesichts der Riesenproblematik, die wir hätten.
Gantner beschwichtigt nicht. Die Jagdaufseher sind der Behörde verpflichtet, sind aber oft beim Jäger angestellt und die seien „ihre Herren“, obwohl sie eine gesetzliche Aufsichtspflicht wahrnehmen müssten, ließ der Bauer Reinhard Bär wissen.

Dem entgegnet der zuständige Landesrat Christian Gantner, selbst Landwirt, dass der Jagdaufseher auch Behördenorgan sei und dieser Verantwortung nachkommen würde, bei manchmal unterschiedlichen Zielen. Aber ja, es sei schwierig, den Beweis zu führen, warum eine Abschussquote nicht erfüllt wurde. Es würden immer wieder – auch heuer – die Abschusszeiten verlängert, um die Quote erfüllen zu können und die wirkten auch. Überdies seien die Abschusszahlen im betroffenen Gebiet um 20 Prozent erhöht worden, was schon enorm sei. Heute wissen wir, dass das vielleicht schon früher hätte passieren sollen, gibt sich der Landesrat selbstkritisch. Und auch die Wildfütterung sei bei der TBC-Ausbreitung ein Problem, auf der anderen Seite diene sie der Lenkung des Wildbestandes, denn die Lebensräume seien immer kleiner geworden. Aber ja, der Wildbestand an den einzelnen Fütterungen müsse weniger werden. Es würden viele merken, „die Axt ist am Baum“ und es müssten jetzt alle Instrumente genutzt werden, um den Bestand zu reduzieren. Und dazu brauche es die Jäger im Boot. Aber ein Entnahmegatter zu errichten und den gesamten Bestand zu erlegen – wie im Lechtal schon geschehen – sei im Bregenzerwald aktuell nicht angedacht. Das wäre dann eine Maßnahme der Seuchenbekämpfung und nicht mehr Jagd. Die Situation im Bregenzerwald werde jedenfalls sehr kritisch beobachtet.

Ist die Jagd wichtiger als die Alpwirtschaft?

Dass die Lobby der Jägerschaft zwar nicht groß, dafür aber einflussreich ist, ist unbestritten. Dass das Land Vorarlberg hier aber nicht stärker eingreift, verstehen der Bauer und der Tierarzt nicht. Wenn die heimische Landwirtschaft, die Alpwirtschaft, die Forstwirtschaft, aber auch die Lawinen- und Wildbachverbauung, die sich massiv um den Schutzwald sorgt, in dieser Thematik laut aufschreien, und sogar der Tourismus in unseren Alpregionen gefährdet ist, wenn die Alpwirtschaft nicht mehr funktioniert, dann sei Handlungs- und Entscheidungsbedarf nicht mehr von der Hand zu weisen. Es liege nun an der Politik und den Behörden, wie es weitergeht und ob es doch zu einer massiven Bestandreduktion kommt. Die Oppositionsparteien Neos und Grüne fordern ihrerseits endlich Maßnahmen, um TBC bei Wild und Vieh in den Griff zu bekommen. Der nächste Sommer kommt, und damit wahrscheinlich im Herbst auch wieder die TBC-Krankheit in unseren Ställen, sind der Bauer und der Tierarzt überzeugt.