Weltparkinsontag: Helmut Schatz trotzt seiner Erkrankung

Helmut Schatz (70) leidet seit mehr als 20 Jahren an Parkinson. Anlässlich des Weltparkinsontags spricht er über die Krankheit und warum es darum geht, trotzdem nicht die Lebensfreude zu verlieren.
Der 11. April, der Weltparkinsontag, wird jedes Jahr dazu genützt, um auf die Krankheit Parkinson aufmerksam zu machen und um darüber aufzuklären. Das Datum geht auf den Geburtstag von James Parkinson zurück, einem britischen Arzt, der im Jahr 1817 erstmals die Symptome der später nach ihm benannten Erkrankung in seiner medizinischen Abhandlung „An Essay on the Shaking Palsy“ (Eine Abhandlung über die Schüttellähmung) beschrieb.
Die Initiative zur Schaffung eines weltweiten Gedenk- und Aktionstags geht auf das Jahr 1997 zurück. Damals wurde der Weltparkinsontag erstmals von der European Parkinson’s Disease Association (EPDA) in Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ausgerufen. Ziel war es, Parkinson stärker ins öffentliche Bewusstsein zu rücken, Vorurteile abzubauen und über die komplexen Auswirkungen der Erkrankung zu informieren. Seither finden rund um den 11. April weltweit Veranstaltungen, Informationskampagnen, Vorträge und Benefizaktionen statt – organisiert von Selbsthilfegruppen, medizinischen Einrichtungen und Fachorganisationen.

Als Symbol für Parkinson gilt die rote Tulpe, die an eine besondere Tulpenzüchtung des niederländischen Gärtners J.W.S. van der Wereld erinnert, der selbst an Parkinson erkrankt war und die Blume James Parkinson widmete.
Obmann der Selbsthilfegruppe
Auch Helmut Schatz (70) ist von der Krankheit betroffen. Der Wolfurter lebt seit über 20 Jahren mit der Diagnose Parkinson. „Natürlich war es ein Schock“, schildert Schatz. Er habe mit dieser Diagnose damals überhaupt nicht gerechnet. Dass etwas mit ihm nicht stimme, habe er jedoch sehr wohl gemerkt. „Die Symptome fangen langsam an. Es beginnt immer einseitig, bei mir war es die linke Seite.“ Nach vielen Arztbesuchen und diversen Untersuchungen stand für die Fachleute fest: Helmut Schatz hat Parkinson. „Für mich war das komplettes Neuland. Ich hatte mich zuvor noch nie mit Parkinson beschäftigt“, erzählt Schatz.
“Für mich war Parkinson komplettes Neuland. Ich hatte mich zuvor noch nie damit beschäftigt.”
Helmut Schatz
Als er die Diagnose bekam, gründete er die Selbsthilfegruppe für Betroffene von Parkinson in Wolfurt. 20 Jahre lang agierte er dann als Obmann des Vereins, ehe seine fortschreitende Krankheit dies nicht mehr zuließ. Selbsthilfegruppen für Parkinson gibt es in ganz Vorarlberg, in Wolfurt gibt es aktuell keine mehr, da sich für Schatz keine Nachfolge findet.

Starke Medikamente
Auch das Arbeiten wurde für Schatz zunehmend schwerer. Seinen Führungsjob bei Migros in der Schweiz musste er aufgeben, da er durch die Erkrankung immer langsamer wurde und auch anderweitig mehr Symptome hinzukamen. Mittlerweile lebt er im Seniorenheim in Wolfurt und benötigt Unterstützung bei alltäglichen Aufgaben. Am meisten zu schaffen machen ihm momentan seine Angstzustände, die durch starke Parkinson-Medikamente hervorgerufen werden. „Diese Medikamente führen außerdem auch zu Lustlosigkeit. Man kann für nichts mehr wirklich Interesse aufbringen.“ Die Rede ist dabei von dem Medikament „Apomorphin“, das zur Behandlung bestimmter Episoden bei Parkinsonpatienten eingesetzt wird. Doch nicht nur bei diesem Medikament haben Betroffene mit heftigen Nebenwirkungen zu kämpfen.

Schatz erzählt, dass auch Spielsucht und Kaufsucht auftreten können. Er war selbst von Kaufsucht betroffen, mittlerweile lässt er sich wöchentlich nur mehr 25 Euro auszahlen, um auf der sicheren Seite zu bleiben. „Viele, die ich kenne, haben ihre Häuser verspielt“, erzählt er. Dieses Medikament sei mittlerweile allerdings verboten, sagt Schatz.
Erklärung
Was ist Parkinson für eine Krankheit?
Parkinson (Morbus Parkinson) ist eine chronische, fortschreitende neurologische Erkrankung, bei der bestimmte Nervenzellen im Gehirn nach und nach absterben. Vor allem jene, die den Botenstoff Dopamin produzieren. Dopamin ist wichtig für die Steuerung von Bewegungen. Fehlt es, kommt es zu den typischen Symptomen:
- Zittern (Tremor) – meist in Ruhe, zum Beispiel zitternde Hände
- Verlangsamte Bewegungen (Bradykinese) – Betroffene brauchen länger für Bewegungsabläufe
- Muskelsteifheit (Rigor) – Muskeln fühlen sich steif an
- Haltungsinstabilität – Unsicherer Gang, Neigung zu Stürzen
Weitere mögliche Symptome sind:
- Sprach- und Schluckprobleme
- Schlafstörungen
- Depressionen
Die genaue Ursache ist bislang noch nicht vollständig geklärt. In den meisten Fällen spricht man von einer sogenannten idiopathischen Parkinson-Erkrankung, was eben bedeutet, dass die Ursache der Erkrankung unbekannt ist. Es gibt zusätzlich aber auch seltene Formen von Parkinson, die erblich bedingt sind oder durch bestimmte Medikamente oder Umweltgifte ausgelöst werden können.
Parkinson Selbsthilfegruppen gibt es über das ganze Land verteilt, organisiert werden diese Gemeinde-intern. In Bregenz beispielsweise finden die Treffen jeden ersten Dienstag im Monat jeweils von 14 bis 16 Uhr statt. Die Treffen dienen dem Austausch und der gegenseitigen Hilfe.
Ein Lebemensch
Doch trotz all der Nebenwirkungen und schwieriger Umstände lässt der 70-Jährige sich nicht unterkriegen. „Man muss aktiv bleiben, weiterhin etwas mit seinem Leben und seinen Tagen anfangen“, sagt er. Es gelte, nicht den Kopf in den Sand zu stecken. „Natürlich gibt es auch einige, die den ganzen Tag nur an der Bettkante sitzen und nichts tun. Man muss den inneren Schweinehund überwinden“, so Schatz. Dank Physio- und Ergotherapie kann sich der 70-Jährige selbstständig bewegen und teilweise sogar kurze Distanzen laufen. Ansonsten fährt Schatz in seinem Rollstuhl. „Ich war schon immer ein Lebemensch, das ist mein Glück“, sagt er. Auch jetzt sitze er jeden Tag im Garten vor dem Seniorenheim in der Sonne und trinke Kaffee. Sein Tablet dient ihm als Hilfestellung und nicht zuletzt auch als Ablenkung. Außerdem hat er immer zwei Bierdeckel dabei, auf denen er sich seine „ToDo’s“ auflistet.

„Ich würde mir wünschen, dass die Leute in die Gesellschaft eingeschlossen, nicht ausgeschlossen werden. Wir würden ja selber gern etwas anderes tun, als nur herumzusitzen. Viele Körperbewegungen laufen unnatürlich langsam ab“, sagt Schatz. Die Bewegungsarmut werde von vielen missverstanden. In Wolfurt fühlt sich der 70-Jährige aber zu Hause. Hier kennt er die Menschen und die Menschen kennen ihn. Das gibt ihm ein Gefühl von Sicherheit. Doch auch so hat man nicht das Gefühl, dass Schatz sich von seiner Krankheit einschränken lässt. Wenn er lacht, und das tut er oft, dann lachen Bewohnerinnen und Bewohner und das Pflegepersonal mit. Es scheint also keine Seltenheit zu sein, dass der lebensfrohe Hubert Schatz, noch immer den ein oder anderen Witz schmeißt.
Behandlung, aber keine heilung möglich
Der aktuelle Stand von Medizin und Wissenschaft lässt eine vollständige Heilung von Parkinson noch nicht zu. Behandelt werden kann die neurologische Erkrankung allerdings schon. Die Therapie zielt darauf ab, Symptome zu lindern, das Fortschreiten zu verlangsamen und die Lebensqualität möglichst lange zu erhalten. Die wichtigste Säule der Behandlung ist die medikamentöse Therapie, wobei vor allem Mittel eingesetzt werden, die den Mangel an Dopamin im Gehirn ausgleichen oder dessen Wirkung verstärken. Dazu gehört insbesondere L-Dopa (Levodopa), ein Wirkstoff, der im Gehirn zu Dopamin umgewandelt wird. Daneben kommen auch sogenannte Dopamin-Agonisten, MAO-B-Hemmer oder COMT-Hemmer zum Einsatz, je nach Verträglichkeit.
Da Parkinson nicht nur Bewegungsstörungen verursacht, sondern auch nicht-motorische Beschwerden wie Depressionen, Schlafprobleme oder Verdauungsbeschwerden mit sich bringen kann, ist oft eine umfassende, interdisziplinäre Betreuung nötig. Eine wichtige Rolle spielen nicht-medikamentöse Therapien, etwa Physiotherapie zur Förderung von Beweglichkeit und Gleichgewicht, Ergotherapie zur Bewältigung von Alltagsaktivitäten oder Logopädie, um Sprech- und Schluckfunktionen zu erhalten.
Auch psychologische Betreuung kann unterstützend wirken – besonders in der Verarbeitung der Diagnose oder bei depressiven Verstimmungen.
In fortgeschrittenen Stadien oder bei schweren Nebenwirkungen der Medikamente kann eine sogenannte Tiefenhirnstimulation infrage kommen: Dabei werden Elektroden ins Gehirn eingesetzt, die gezielt bestimmte Regionen stimulieren und so die Beweglichkeit verbessern.
Ergänzend setzen manche Betroffene auch auf begleitende Maßnahmen wie Sport, Musiktherapie, Achtsamkeitstraining oder individuelle Ernährungskonzepte.