Übertrieben oder dringend nötig? Gemischte Meinungen zur Pride in Bregenz

Kommenden Samstag findet die Pride Parade in Bregenz statt. Für Organisator Emmanuel Wiehl vom Verein CSD Pride Vorarlberg ist noch lange keine Gleichberechtigung in der Gesellschaft gegeben. Die NEUE hat sich in Vorarlberg umgehört.
Der Juni steht jedes Jahr im Zeichen des Regenbogens: Im „Pride Month“ finden auf der ganzen Welt Paraden und Veranstaltungen jeglicher Form statt, um auf die Rechte und Benachteiligungen der LGBTQIA+ Community aufmerksam zu machen. Auch in Vorarlberg findet kommenden Samstag eine solche Pride Parade statt. Zum bereits vierten Mal wird sie heuer vom Verein CSD Pride Vorarlberg unter dem Motto: „Wir alle sind Vorarlberg“, organisiert. „Wir leben alle hier. Wir wollen Teil dieser Gesellschaft sein. Wir sind es. Und wir möchten auch in unseren Bedürfnissen gesehen werden“, erklärt Emmanuel Wiehl, Obperson des CSD Pride Vorarlberg.

Doch bereits seit 2015, noch bevor die Veranstaltung von dieser Vereinsstruktur organisiert wurde, gab es Prides. „Das waren dann aber eher Privatpersonen oder NGOs, die Veranstaltungen organisierten“, erklärt Wiehl.
Drohungen gegen die Community
Dieses Jahr werden laut Wiehl ungefähr 1000 Personen erwartet, diese Besucherzahl habe sich über die letzten Jahre ziemlich konstant gehalten. Die Veranstaltung ist dabei auch heuer wieder wetterunabhängig und wird, egal ob bei sengendem Sonnenschein oder strömendem Regen, durchgeführt. „Vor ein paar Jahren hat es ziemlich geregnet. Das war sehr sinnbildlich: Queere Menschen werden im Regen stehen gelassen“, erinnert sich der Veranstalter.
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Wie der ORF Vorarlberg berichtete, gab es Drohungen gegen die Community der Pride am Samstag. Doch einschüchtern ließe man sich davon nicht, sagt Wiehl. „Online bekommen wir natürlich sehr gemischtes Feedback, da ist nicht nur Zuspruch dabei. Im Vorfeld der Pride sind wir in einer gewissen Alarmbereitschaft, was die Sicherheitslage anbelangt. Eingeschüchtert sind wir aber nicht. Menschen, die so etwas posten, sind feige. Deswegen sind sie auch im Netz unterwegs.“

Hasspostings würden ausnahmslos per Screenshot abfotografiert und zur Anzeige gebracht werden. Im Hinblick auf die Pride am Samstag ließe man sich davon aber nicht abschrecken. „Wir sind im Vorfeld in engem Austausch mit der Landespolizeidirektion. Als Veranstalter sind wir außerdem dazu verpflichtet, selbst einen Ordnungsdienst einzurichten. Das sind Personen, die verfassungstechnisch dazu verpflichtet sind, Demonstrationen zu schützen. Diese Personen werden von uns, von den Veranstaltern, im Vorfeld gebrieft.“ Doch Wiehl zeigt sich positiv gestimmt: „Ich denke, dass ein Großteil der Bevölkerung den Rechtsstaat und das friedliche Miteinander immer noch schätzt.“ Bezirkskommandant Christian Ertl sagte gegenüber dem ORF Vorarlberg, dass man trotz Hasspostings mit keinen größeren Zwischenfällen rechne. Gelegentlich würden Passanten ihren Unmut zum Ausdruck bringen, dieser sei aber nie konkret gegen die Veranstaltung gerichtet. Aus diesem Grund liege das Hauptaugenmerk der Polizei auf dem Verkehr.
Keine Gleichberechtigung
Aber braucht es denn überhaupt noch eine Pride? Nicht selten hört man bei diesem Thema Sätze wie „Das ist total übertrieben“, oder „Der CSD ist eine Überpositionierung. Das trägt nicht zur Gleichberechtigung bei.“
Emmanuel Wiehl sieht das anders. „Ich halte solche Aussagen für eine recht unreflektierte Haltung. Queere Personen sind nicht gleichermaßen berechtigt wie hetero Personen. Es gibt beispielsweise keinen Schutz vor Diskriminierung im Dienstleistungsbereich.“
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Wiehl hat noch mehr Beispiele zur Hand. „In fast allen gesellschaftlichen Bereichen werden ständig heteronormative Standards aufgezeigt. Seien es Hochzeitsinserate in Zeitungen, oder Paare in Filmen. Wir haben kein Bewusstsein dafür, wie sehr heteronormatives Leben ständig präsent ist und gar nicht infrage gestellt wird.“ Das sei auch völlig in Ordnung, sagt Wiehl. „Ich möchte nur nicht so stehen lassen, dass Personen, die voller Privilegien sind, sich daran stören, wenn andere Personen auf Missstände und Unterdrückung und Ungleichheit hinweisen. Manche fühlen sich unwohl dabei, wenn man den Finger auf die Wunde legt.“

Man müsse schlichtweg abwägen, welche Gründe für eine hetero Pride und welche Gründe für eine queere Pride sprechen würden. „Als hetero Person muss man sich beispielsweise keine Gedanken machen, ob es in dem Land, in dem man Urlaub machen will, die Todesstrafe fürs Queer-Sein gibt. Es ist nicht dasselbe und darum werden auch nicht dieselben Maßnahmen gesetzt. Ich würde eine hetero Pride besuchen, wenn man mir klarmacht, welche Form der Unterdrückung hier stattfindet. Der Hinweis darauf, dass man privilegiert ist, ist noch keine Unterdrückung.“
Aufgeschlossen sein
Die NEUE hat sich indes unter den Vorarlbergerinnen und Vorarlbergern umgehört. Wie sehen sie dieses Thema? Braucht es eine solche Veranstaltung nach wie vor? „Ich komme vom Dorf, bei uns ist es so, dass es nur Frauen und Männer gibt. Wenn jemand schwul oder lesbisch ist, ist mir das völlig egal, man kann lieben, wen man will. Aber das ganze Thema mit den verschiedenen Geschlechtern finde ich total übertrieben. Das ist einfach nur ein Hype“, findet die 18-jährige Lisa Gugele aus Hard. Sie ist froh, dass Vorarlberg noch eher „oldschool“ unterwegs sei.

Die 68-jährige Dagmar Neyer sieht das ähnlich. „Jeder soll so leben, wie er möchte. Ich bin allerdings dagegen, dass man das Thema in der Öffentlichkeit so stark zur Schau stellt. Bei meinem Freundeskreis und mir stieß das Thema immer auf Akzeptanz, aber heutzutage ist das Ganze sehr provokant geworden”, sagt sie.

Dass vor ein paar Tagen ein Pride-Regenbogen mit Hakenkreuzen beschmiert wurde, verurteilt die 68-Jährige zutiefst. „Solche Leute gehören zur Verantwortung gezogen.“ Mit der Symbolik des Regenbogens ist Neyer nicht einverstanden. „Der Regenbogen war immer etwas Besonderes für mich. Meine Oma hat mir einmal gesagt, dass es am Ende des Regenbogens einen wunderbaren Schatz gibt. Jetzt finde ich es traurig, dass mir diese Bewegung meinen Regenbogen genommen hat.“ Die 68-Jährige erzählt, dass sie eine Zeit lang in Wien gelebt habe und Vorarlberg in der Thematik „wesentlich engstirniger“ sei.
Der 49-jährige Matthias Böhler aus Buch hingegen ist sehr offen. „Die Parade und der Lärm am Samstag gehören meiner Meinung nach zum normalen Toleranzlevel dazu. Auch Regenbogen-Zebrastreifen gehören toleriert, selbst wenn man anderer Meinung ist. Ich denke, dass man aufgeschlossen sein muss“, sagt der Bucher.

„Es gibt sehr konservative Vorarlberger. Aber im Großen und Ganzen denke ich, dass die meisten Jüngeren aufgeschlossen sind.“
Willi (74) und Elke (70) Kohler aus Au stehen dem Thema ebenfalls offen gegenüber. „Jeder soll tun, was er will“, sind sie sich einig. Sie sind der Meinung, dass die Vorarlbergerinnen und Vorarlberger durchaus offen seien, wenn es um das Thema LGBTQIA+ gehe. „Es gibt aber sicher auch Sturköpfe, die mit dem überhaupt nichts anfangen können.“

Auch der 22-jährige Marvin Wirth-Ender aus Mäder findet, dass jede und jeder für sich entscheiden solle, was sie oder er von dem Thema halte. „Es gibt sicher Personen, die die kritisch sind, weil das Thema schon eher untypisch für Vorarlberg ist. In Wien ist das ganz anders, aber Vorarlberg ist konservativer.“

Forderungen an die Politik
An Vertreterinnen und Vertreter aus der Politik stellt Wiehl indes klare Forderungen: Flächendeckende, fundierte Aufklärung über sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in allen Bildungseinrichtungen und bessere medizinische Versorgung für queere, intergeschlechtliche und trans Personen, angepasst an ihre Bedürfnisse. „Das System macht queere Menschen kaputt. Genau da setzen unsere Forderungen an.“