Vorarlberg

Hier gibt es einen Raum, in dem nur Frauen tätowiert werden

28.06.2025 • 09:00 Uhr
Hier gibt es einen Raum, in dem nur Frauen tätowiert werden
Chiara S. und Janine F. (v.l.) sind ein eingespieltes Team. hartinger

Die beiden Vorarlbergerinnen Janine F. und Chiara S. schaffen in ihrem Tattoostudio „Riverside Ink“ in St. Margrethen einen geschützten Ort für Frauen, während sie sich ­tätowieren lassen.

Girls only“ steht auf dem Schild über dem zugezogenen pinken Vorhang. Dahinter verbirgt sich eine kleine, aber schrille kleine Welt, die nur für Frauen gedacht ist. Im „Riverside“-Tattoostudio in St. Margrethen gibt es neben den klassisch offenen Tattooinseln einen extra für Frauen gestalteten Rückzugsort. Ein Raum, in dem man unter sich ist.

Hier gibt es einen Raum, in dem nur Frauen tätowiert werden
Im Gespräch mit der NEUE. hartinger

Das Tattoostudio gehört Janine F. Die 29-jährige Vorarlbergerin übernahm das Studio im Jänner 2024, seitdem ist sie für alles Organisatorische und den reibungslosen Ablauf zuständig. Im Studio selbst arbeiten, abgesehen von den Gastartisten, die immer wieder Halt in St. Margrethen machen, lediglich drei Personen. Eine von ihnen ist Chiara S. Die 24-Jährige kam nur durch Zufall zum Tätowieren, denn eigentlich sollte sie Studio-Managerin werden. „Ich wollte immer schon in einem Tattoostudio arbeiten“, erzählt sie. Tätowieren konnte sie, da sie bereits mit 13 Jahren anfing, sich selbst Kunst unter die Haut zu stechen.

Aus Erfahrungsberichten entstanden

Als sie sich irgendwann spontan dazu entschied, sich während der Arbeit im Studio selbst zu tätowieren, nahm die Karriere ihren Lauf. „Alle waren total überrascht, dass ich tätowieren konnte. Eine Woche später fing ich als Artist an.“ In der Schweiz brauche man keine klassische Ausbildung zum Tätowieren, lediglich einen Hygienekurs, was ihr den Einstieg wesentlich erleichterte. Ihre Stilrichtungen gehen grundsätzlich in alle Richtungen, extremistische, diskriminierende oder menschenverachtende Motive lehnt sie jedoch konsequent ab. „Wenn du so etwas einmal machst, dann wirst du das Image nie mehr los. Dann stehen ständig neue Leute mit solchen Motivwünschen vor der Türe“, findet sie.

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Hinter diesem Vorhang verbirgt sich der Frauenraum. hartinger


Der „Girlsroom“ entstand aus Erfahrungsberichten von Kundinnen, die von übergriffigem Verhalten in anderen Studios berichteten. So seien sie beispielsweise aufgefordert worden, sich auszuziehen, obwohl sie nur Piercingschmuck kaufen wollten. Auch die Tätowiererin selbst musste bereits unangenehme Erfahrungen in anderen Studios machen. „Ich merke, wenn eine Frau solche Erfahrungen gemacht hat. Ich sage sofort: Ich tätowiere dich. Wir machen das im Girlsroom.“ Viele Frauen würden ihre Geschichte erzählen. „Das passiert nur, wenn sie sich sicher fühlen“, sagt S.

Ein Rückzugsort

Aber auch abseits solcher Erfahrungsberichte, ist das Tätowieren und Piercen eine Arbeit, bei der Körperkontakt meist unumgänglich ist. In dem geschützten Raum sollen die Frauen ihre Erfahrung genießen können. „Das ist dann die sogenannte Therapie-Sitzung“, schmunzeln die beiden Frauen. Doch selbst dann, wenn sich Stammkundinnen gar nicht tätowieren oder piercen lassen, kommen sie hin und wieder auf einen Plausch vorbei.

Hier gibt es einen Raum, in dem nur Frauen tätowiert werden
hartinger

„Sie kommen teilweise nur auf einen Kaffee vorbei und erzählen von ihrem Tag. Das schätzen wir sehr“, sagt S. „Mein Ziel ist, dass man bei uns hereinlaufen, sich wohlfühlen und einfach einmal über Dinge sprechen kann“, erklärt die Tätowiererin. Der „Girlsroom“ ist als Rückzugsort gestaltet, der Raum ist mit Graffitis gestaltet und es finden sich pinke Motive in Bilderrahmen an den Wänden.

Keine Männerdomäne

Dass die Tattoo-Branche noch immer als Männerdomäne angesehen wird, können die beiden Frauen nicht nachvollziehen. „Ich glaube, dass es mittlerweile mehr Frauen als Männer in diesem Bereich gibt.“ Der Wandel sei deutlich sichtbar, denn inzwischen gäbe es viele Studios mit weiblichem Personal, die bewusst darauf setzen, Frauen in der Branche zu repräsentieren. „Die Atmosphäre ist eine andere, wenn Frauen in einem Studio arbeiten.“ Doch auch auf Seiten der Kundschaft werden Stigmata immer mehr gebrochen. „Meine älteste Kundin ist ungefähr 74 Jahre alt. Sie ist mittlerweile komplett voll tätowiert und kommt immer wieder. Erst letztens ließ sie sich die Finger tätowieren“, schildert Chiara S. Sie freut sich, dass Frauen heutzutage sehr selbstbestimmt mit der Körperkunst umgehen würden. Auch die beiden Frauen tragen zahlreiche Motive unter der Haut.

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Bei der Geschäftsführerin stechen besonders die Löwenmotive hervor, die sich gleich an mehreren Stellen finden. Ihr Lieblingstier, wie sie erklärt. Außerdem trägt sie die originalen Fußabdrücke ihrer Tochter unter der Haut. Bei Chiara S. fallen die Automotive auf, die sie in unterschiedlicher Stilrichtung unter der Haut trägt. „Das ist meine große Leidenschaft. Ich habe unter anderem mein allererstes Auto tätowiert.“ Das Bild eines Fuchses ziert ihren Handrücken. Gemeinsam mit ihrem besten Freund erlöste sie einen angefahrenen Jungfuchs, ein sehr prägendes Erlebnis für die 24-Jährige. „Das Motiv war wie ein Abschluss des Erlebten. Man trägt es auf der Haut, aber verarbeitet es im Herzen.“

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Auch Janine ließ sich bereits von Chiara tätowieren. hartinger

Für die Sommermonate gibt es im „Riverside“ eine besondere Aktion. Für Menschen mit kleinem Budget, vor allem für Frauen mit Kindern, die sich keinen Sommerurlaub leisten können, werden „Fineline“-Tattoos zu günstigeren Preisen angeboten. „Das ist als kleine Aufmunterung gedacht. Diese Menschen sollen auch etwas haben, worauf sie sich freuen können.“