Vorarlberg

Taubenschlag: Wo ein unterschätztes Stadttier eine zweite Chance erhält

22.07.2025 • 14:42 Uhr
Taubenschlag: Wo ein unterschätztes Stadttier eine zweite Chance erhält
Mae Hafner ist eine der Tierschützerinnen, die sich für die Feldkircher Tauben engagieren. schäfer/canva

Mitten in Feldkirch, im historischen Mühletor, kümmern sich Tierschützerinnen liebevoll um Tauben. In Dornbirn versuchte man, den Tauben auf andere Weise Herr zu werden – ohne Erfolg.

Von Sarah Karina Schäfer

Oberhalb des Mühletors in Feldkirch gurrt und flattert es pausenlos. Direkt darunter schließt Tierschützerin Mae Hafner eine alte, schmale Eingangstür für uns auf. Über eine knarrende Holztreppe geht es hinauf in die oberen Stockwerke des historischen Gebäudes.

Taubenschlag Feldkirch
Der Taubenschlag ist im historischen Mühletor untergebracht. schäfer

Dort stellt die Stadt Feldkirch Tierschützern seit September 2022 eine für Menschen nicht mehr bewohnbare Wohnung kostenlos zur Verfügung. Der Raum wird genutzt, um kranke Tauben aufzupäppeln und ihnen einen sicheren Unterschlupf zu bieten. Was viele nicht wissen – diese Tiere sind auf den Menschen angewiesen und keine Tiere der Wildnis.

Domestiziert

Nun mag sich manch einer fragen: „Warum macht die Stadt Feldkirch das überhaupt? Stadttauben gelten doch als dumm, dreckig und krankheitsübertragend. Warum kümmert man sich so um sie?“
Um das zu verstehen, lohnt sich ein kurzer Blick in die Geschichtsbücher. Die heutige Stadttaube stammt von der Haustaube ab, welche wiederum eine domestizierte Form der Felsentaube ist, die schon vor Jahrhunderten im Orient als Haustier gehalten wurde.

Taubenschlag Feldkirch
Schon vor Jahrhunderten wurden Tauben im Orient als Haustiere gehalten. schäfer

„Domestiziert“ ist hier das entscheidende Stichwort. Es erklärt, warum Stadttauben so unselbstständig sind und bis heute auf den Menschen angewiesen bleiben. Bis zur Erfindung des Telegrafen war die Brieftaube der schnellste und ein häufig genutzter Weg der Nachrichtenübermittlung. Mit dem technischen Fortschritt verloren die Haustauben jedoch ihre „Arbeitsplätze“. Die Tiere wurden nicht mehr gebraucht und schließlich ausgesetzt. Seither hört man sie gurren – wie Geister der Vergangenheit – von den Hochhäusern der Städte.
Oft nicht willkommen. Wie andere domestizierte Tiere, etwa Hunde oder Katzen, haben auch Tauben verlernt, in der Wildnis eigenständig zu überleben. Ihr Überleben hängt bis heute von uns ab, selbst wenn sie vielerorts nicht mehr willkommen sind.

Wundervolle Wesen

Ein Umstand, den Menschen wie Nicole Wallis als unfair empfinden: „Als ich noch bei der Wildtierhilfe Vorarlberg aktiv war, kam einmal eine verletzte Taube zu uns. Ich war sofort fasziniert von dem wundervollen Wesen dieser Tiere. Einer Freundin und mir ist damals aufgefallen, dass es zwar für andere ausgesetzte Haustiere wie Hunde und Katzen Auffangstationen gibt, jedoch nicht für Tauben. Dabei sind sie ja eigentlich auch nur verwilderte Haustiere“, erzählt Wallis im Gespräch mit der NEUE.

Taubenschlag Feldkirch
Nicole Wallis ist Projektleiterin des Taubenschlags in Feldkirch. schäfer

Genau deswegen gibt es nun den Taubenschlag im Feldkircher Mühletor. Dort werden die Tauben mit Futter, Unterkunft und medizinischer Versorgung unterstützt – alles unter dem Projekt „RespekTaube“, welches vom Verein „RespekTiere“ geleitet wird. Zudem werden auch behinderten und verletzten Tauben im Mühletor dauerhaft Versorgung geboten.

Tauben-Liebespaar

Dazu gehört zum Beispiel Sparky, der Paramyxovirose leidet, die ihn flugunfähig macht. Der kleine Vogel führt dennoch, trotz seiner Behinderung, ein scheinbar angenehmes Leben im Taubenschlag. Seine Zeit verbringt er zusammen mit seiner Gefährtin Rosi, die aufgrund eines gebrochenen Flügels ebenfalls nicht mehr fliegen kann. Sparky selbst vertraut Menschen sogar so weit, dass er in die Hand genommen werden kann.

Taubenschlag Feldkirch
Das Taubenpaar Sparky und Rosi hat sich in der Auffangstation für Tauben kennen und lieben gelernt. schäfer

„Ein riesiges Missverständnis, das sich hartnäckig hält, ist, dass Tauben Überträger von schrecklichen Krankheiten sind. Das stimmt so nicht. Natürlich können sie, wie Straßenhunde oder Straßenkatzen, Krankheiten übertragen, aber dass sie besonders gefährlich wären, entspricht nicht der Wahrheit“, betont Nicole Wallis.

Lila Plastikeier

Gleichzeitig ist den Tierschützern bewusst, dass die Taubenpopulation in Schach gehalten werden muss. Daher werden die Nester regelmäßig auf neue Eier kontrolliert. Wird ein Ei gefunden, tauschen die Helfer es gegen ein bemaltes Kunststoffei aus und vernichten das echte Ei.

Taubenschlag Feldkirch
Mae Hafner mit Plastikeiern, mit denen die Taubenmamas „überlistet“ werden. schäfer

Die Versorgung der rund 300 Tiere, die täglich ein- und ausfliegen, ist für Nicole Wallis und ihre ehrenamtlichen Helfer zwar eine große Aufgabe, doch der Einsatz für die Tiere ist ihnen ein Herzensanliegen.

Taubenschlag Feldkirch
Rund 300 Tauben fliegen im Feldkircher Taubenschlag täglich ein und aus. schäfer

Derzeit finanziert sich der Taubenschlag in Feldkirch großteils durch Spenden. Obwohl die Räumlichkeiten von der Stadt kostenlos zur Verfügung gestellt werden, entstehen monatlich mehrere Hundert Euro an Kosten für Futter, medizinische Versorgung, Plastikeier und vieles mehr.

unterstützung

Wer das Projekt unterstützen möchte, kann dies unter folgender Adresse: www.respektiere.at/spenden-oesterreich, Projekt: „RespekTaube“.

Taubenregulierungsprojekt in Dornbirn

Manch einer erinnert sich vielleicht noch an die Wanderfalken aus dem Martinsturm in Dornbirn – damals ein Versuch, die Taubenpopulation in der Stadt zu reduzieren. Die Jagdvögel wurden als natürliche Feinde der Tauben eingesetzt.

Taubenschlag: Wo ein unterschätztes Stadttier eine zweite Chance erhält
Die Falken eigneten sich nicht wie erhofft zur Regulierung.DPA

Auf Nachfrage der NEUE bei der Stadt Dornbirn erklärt Martin Machnik, Leiter des Amtes für Umwelt-, Land- und Forstwirtschaft: „Die Falken gibt es seit etlichen Jahren nicht mehr. Das Männchen ist damals verstorben, und das Weibchen ist daraufhin weitergezogen. Wir haben auch kein Interesse daran, wieder Falken gegen Tauben einzusetzen.“

Taubenschlag Feldkirch
Martin Machnik stadt dornbirn

Laut Machnik gibt es dafür vor allem zwei Gründe: Zum einen hätten die Falken gerade einmal ungefähr eine Taube pro Woche gefressen. Das sei viel zu wenig, um den Taubenbestand wirklich zu regulieren. Zum anderen würden die Greifvögel die Tauben eher in Randbezirke verdrängen, anstatt sie in die Wildnis zu schicken. Da die Straßentaube ein domestiziertes Tier ist, verteilen sich die Tiere einfach auf andere Stadtgebiete. Aufgrund dessen setzt man inzwischen auf einen Taubenschlag in der Dornbirner Innenstadt, um die Population zu kontrollieren.