Wirtschaft

Großes Netzwerk rund um die Verdächtigen

17.08.2023 • 13:29 Uhr
Die Siemens-Zentrale in Bregenz. <span class="copyright">Stiplovsek</span>
Die Siemens-Zentrale in Bregenz. Stiplovsek

Im Bauskandal um Siemens wird die Liste der Verdächtigen Länger. Ein Blick auf das Netzwerk.

Nicht jedes Netzwerk ist automatisch kriminell. Berufstätige verknüpfen sich besonders gern auf Plattformen wie Xing oder Linkedin. Das tat auch der zentrale Beschuldigte im Bauskandal. Er arbeitete 30 Jahre lang für Siemens Österreich in verschiedenen Funktionen. Entsprechend viele Kontakte weist sein Profil aus. Auch auf Facebook war er mit etlichen befreundet – was bekanntlich nicht viel heißt. Ein Mitglied der Landesregierung und mehrere Landtagsabgeordnete sind unter den Kontakten.

2018 nahm der Beschuldigte mit anderen Siemens-Führungskräften sowie der politischen und wirtschaftlichen Spitze des Landes an der 90-Jahr Feier des Unternehmens im Casino Bregenz teil. Auch in der heimischen Architektenszene ließ er sich blicken. In Vorarlberg ist kennt man sich schnell, wenn auch nicht immer gut.

Skandal weitet sich aus

Das Netzwerk des Siemens-Mitarbeiters reichte aber auch über den Arlberg. Siemens-Kollegen aus Innerösterreich, der Geschäftsführer eines Wiener Vertriebsentwicklers und der Mitarbeiter eines Kärntner Pumpenspezialisten bestätigten auf dem Jobportal seine Fähigkeiten im Verkauf und bei der Geschäftsentwicklung.

Ob es auch Ermittlungen in anderen Bundesländern gibt, ist noch nicht klar. Antworten auf entsprechende Anfragen der NEUE an verschiedene Staatsanwaltschaften stehen aus. In Vorarlberg haben mehrere Unternehmen bereits interne Überprüfungen veranlasst. Als Interessen gab der nun in Untersuchungshaft sitzende Siemens-Mann auf dem Jobportal einen Verpackungsspezialisten und eine Vermietungsfirma an.Während sich die Zahl der Verdächtigen laut ORF Vorarlberg am Mittwoch um drei Personen erweiterte, geht man in der Landespolitik informell von bis zu 50 betroffenen Unternehmen aus.

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Noch kein Verband im Visier

Das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz regelt, unter welchen Umständen Unternehmen für Taten ihrer Mitarbeiter zur Verantwortung gezogen werden können. Eine Voraussetzung ist, dass das Unternehmen „die nach den Umständen gebotene und zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen“ und damit die Tatbegehung ermöglicht oder wesentlich erleichtert hat. Entsprechende Verfahren führt die Staatsanwaltschaft. In die Abwicklungen überhöhter Rechnungen soll unter anderem ein Bauunternehmen aus Sulz verwickelt gewesen sein, das einer der beschuldigten KHBG-Mitarbeiter gemeinsam mit einem anderen Unternehmer führte.

Auf NEUE-Anfrage heißt es aber von der Feldkircher Anklagebehörde, dass derzeit im Zusammenhang mit dem Betrugsskandal gegen keinen Verband ermittelt werde.

Lange Suche

Die Ermittler werden sich noch über Monate mit dem Netzwerk rund um den Siemens-Mitarbeiter beschäftigen müssen, um mögliche strafbare von normalen geschäftlichen Beziehungen zu trennen. Erschwert wird das durch die Vielschichtigkeit der sozialen und ökonomischen Verflechtungen in der Vorarlberger Baubranche. Auftraggeber und -nehmer, Architekten, Lieferanten und Baumeister werden gleichermaßen unter die Lupe genommen werden müssen.

Ein ehemaliger Bregenzer SPÖ-Politiker hat laut VN zwar zugegeben, ein Handy geschenkt bekommen zu haben, streitet aber jede Tatbeteiligung ab und wird auch nicht als Verdächtiger geführt. Wie sich jene verantworten, denen die Staatsanwaltschaft Tathandlungen vorwirft – einer von Ihnen war vormals ÖVP-Gemeindevertreter in Rankweil – ist, abgesehen von den beiden Selbstanzeigern, bisher nicht bekannt.

Im Visier der Ermittler befinden sich mittlerweile auch die Alpenländische Wohnbaugesellschaft und das Bregenzer Festspielhaus als mögliche Geschädigte. Von der fürs Festspielhaus gelieferten Siemens-Technik seien die Mitarbeiter bereits vorab nicht überzeugt gewesen, ist zu hören. Sie sei entgegen der Bedenken dennoch bestellt worden. Just ins derart ausgestattete Festspielhaus lud Siemens 2016 seine Kunden zu einem Event. Zu Gast waren auch mehrere KHBG-Mitarbeiter – darunter einer der Beschuldigten.