“Geld macht den Charakter sichtbar”

Interview. Finanzexpertin Isabella Sonnweber ist Autorin des Buchs „Kohle, Kies & Koks für Frauen“.
Frau Sonnweber, wen möchten Sie mit dem Buchtitel „Kohle, Kies & Koks für Frauen“ provozieren?
Sonnweber: Mit dem Titel möchte ich tatsächlich provozieren, und zwar über das Unterbewusstsein die Frauen – aber auch Männer –, die sich bisher mit dem Thema Geld nicht auseinandergesetzt haben. Dabei ersetze ich die drei Ks „Kinder, Küche, Kirche“, also die traditionell der Frau zugeschriebenen Wirkbereiche, durch „Kohle, Kies, Koks“, also drei Bezeichnungen für Geld. Wobei sich Frauen aus meiner Sicht gar nicht notwendigerweise von den alten Ks lossagen müssen. Wichtig ist, dass sie die anderen Ks nicht aus dem Auge verlieren. Wenn einer Frau die Zeit mit ihren Kindern sehr wichtig ist oder das gemeinsame Zuhause, wenn sie sich engagieren will – „Kirche“ steht für mich für Ehrenamt allgemein: Die ganze Gesellschaft lebt davon. Es ist für die Frauen nur bitter, wenn sie dadurch später finanzielle Nachteile haben.
Wie ist Ihr ganz persönlicher Zugang zum Thema?
Sonnweber: Ich habe in der Vergangenheit bereits eine Arbeitsunfähigkeitspension bezogen. Es gab Zeiten, in denen ich nicht wusste, wie ich in zwei Wochen einkaufen gehen kann, in der unsere Tiefkühltruhe voll mit „-50%“-Artikeln war. Wir haben vier Kinder, da war Geld oft ein Thema. Irgendwann dachte ich: „Das ist kein Leben mehr!“ Meine größte Schule war also tatsächlich die Lebensschule. Ich habe mich dann zur Vorsorgeexpertin fortgebildet und mich auf Finanzmittelaufbau spezialisiert. Regelmäßig besuche ich tolle Weiterbildungen. Aber die Gespräche, die ich selbst geführt habe und meine eigenen Erfahrungen werte ich höher, weil sie mit Emotionen verbunden sind und tiefer gehen.
Was ist Ihnen durch den Austausch mit anderen über Geld klargeworden?
Sonnweber: Es gibt viel versteckte Angst vor dem Thema Geld. Ich sage immer „Sex und Geld sind große Tabuthemen“. Finanzielle Bildung fehlt aber insgesamt in der Gesellschaft. Gerade beim Thema Vorsorge glaube ich, dass die Menschen vielfach nicht hinschauen wollen. Wenn ich sie frage, wie viel sie sich vom Staat als Rente erwarten, sagen sie: „Nix erwarte ich“. Wenn ich ihnen den Betrag dann schwarz auf weiß zeige, staunen sie, wie wenig nix ist. „Geld ist nicht wichtig“, sagen besonders Menschen, die wenig haben und sich damit trösten. Umgekehrt ist es fast verpönt, Geld zu haben, Geld haben zu wollen. Es trauen sich viele gar nicht, von finanzieller Freizeit zu träumen. Es gibt allerdings den Spruch: „Wo der Kopf nicht hinkommt, wird der Körper nie hinkommen.“
Wie lautet ihre Schlussfolgerung?
Sonnweber: Finanzielle Freiheit beginnt im Kopf und benötigt die Verbindung zum Herz. Das fehlt ganz vielen in diesem Zusammenhang. Allein die Tatsache, dass man in der Familie über Geld nicht spricht, erzeugt im Kind Glaubenssätze. Ebenso Aussagen wie „Geld bleibt nie bei mir“. Es ist noch nicht so lange so, dass ich dem Geld sagen kann: „Komm!“ Geld ist nichts Schlechtes. Geld verdirbt nicht den Charakter, Geld macht den Charakter sichtbar.
Wie unterscheiden sich „Frauenfinanzen“ von „Männerfinanzen“?
Sonnweber: Frauen haben grundsätzlich weniger Finanzmittel als Männer. Das kommt daher, dass sie für gleiche Arbeit weniger bezahlt bekommen, dass sie grundsätzlich häufiger teilzeitbeschäftigt sind, das kommt auch von Dingen, die man weniger hört, etwa der ,pink tax‘. Mir hat noch niemand schlüssig erklären können, wieso bei einer Frau ein Kurzhaarschnitt viel mehr kostet als bei einem Mann, dasselbe gilt für Kosmetik. Frauen verzichten außerdem zum Beispiel in einer Scheidungssituation oft um des lieben Friedens willen auf Geld, das ihnen zustehen würde. Und: Es ist noch keine sechs Jahrzehnte her, dass Frauen ein eigenes Konto haben dürfen.
Von diesem Gedankengut steckt noch viel ins uns, sagen Sie. Wie emanzipiert sind wir Frauen in Finanzdingen denn wirklich?
Sonnweber: Noch nicht lange genug, aber wenn ich denke, mit welcher Geschwindigkeit sich der Bereich Finanzen entwickelt hat im Vergleich dazu, wie schnell sich die Frau in Finanzdingen entwickelt hat, dann hat die Frau einiges nachgeholt. Aktien hat es immerhin schon im 15. Jahrhundert gegeben, die finanziell selbständige Frau gibt es gerade sechs Jahrzehnte. Was noch fehlt? Ein Stück weit das Selbstverständnis. Wenn ihr Mann das Geld verwaltet, sollte die Frau zumindest Bescheid wissen, wo er das Geld angelegt hat. Manche Partner sprechen nicht einmal über das, was sie verdienen.
Wie erklären Sie sich das?
Sonnweber: Dahinter kann das Schamgefühl stecken: „Wenn ich wenig Geld verdiene, verdiene ich es nicht, mehr zu bekommen, .“ Da ist man in den USA weiter, da heißt es „to make money“, „Geld machen“, da sind die Menschen stolz drauf. Und noch besser ist es aus dem Türkischen übersetzt, dann heißt es nämlich „Geld gewinnen“, und wenn man genau hinschaut, entdeckt man: Die Menschen dort machen sich viel weniger Gedanken ums Geld.
Wie kann ihr Buch weiterhelfen?
Sonnweber: Der Sinn ist, dass die Leserinnen gar nicht selbst tief fallen müssen, sondern schon vorher Dinge erkennen, mit denen sie ihr Leben verbessern können. Ich wünsche allen ein Leben in Fülle und Freiheit. Ich sage nicht „in Reichtum“, denn Reichtum wird oft mit Geld gleichgesetzt, und das können viele nur schwer annehmen. Viele Menschen mit viel Geld sind unfrei und haben ständig Angst um ihr Geld. Aber wenn genügend Geld da ist, bin ich oft kreativer, lebe gesünder und mit mehr Freude. Geld sollte kein Selbstzweck sein.