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„Manchmal sind wir Sklaven der Effizienz“

13.01.2024 • 23:11 Uhr
Ursula Hillbrand im Gespräch mit der NEUE. <span class="copyright">Hartinger</span>
Ursula Hillbrand im Gespräch mit der NEUE. Hartinger

Coach, Moderatorin und Gastgeberin Ursula Hillbrand sprach mit der NEUE über die Kunst des Gastgebens, Frauen in Führungspositionen und Dinge, die wir alle besser machen können.

Frau Hillbrand, die Methode, mit der Sie arbeiten, heißt „Art Of Hosting“. Was genau darf man sich darunter vorstellen?
Ursula Hillbrand: „Art Of Hosting“ ist die Kunst des gastgebens. Es geht aber nicht nur darum, die Menschen gut zu versorgen, sondern auch Gespräche und Inhalte. Man ist quasi Gastgeber für Gespräche und Prozesse. Das kann die verschiedensten Bereiche behandeln, je nach Bedarf. Eine Teambuilding-Maßnahme, eine neue Strategie, ein Firmenjubiläum. Es kommt darauf an, was man mit den Gesprächen erreichen will.

Wie viel hat die „Art Of Hosting“ mit Psychologie zu tun?
Hillbrand: Unglaublich viel. Ich bin eigentlich Juristin, doch die Leute denken oft, ich sei Psychologin. Durch meine Workshops habe ich quasi das Studium absolviert (lacht). Es geht darum, sich auf andere Menschen einzulassen und zu sehen, was die Person braucht und wie man Bedingungen dafür schaffen kann, dass sie sich einbringt. Man muss die menschliche Natur verstehen. „Art Of Hosting“ ist da auch sehr heilend, denn sie bildet einen Gesprächsraum, in dem nicht geurteilt wird.

Heuer bieten Sie erstmals Seminare mit dem Schwerpunkt „Female“ an. Warum haben Sie sich dazu entschlossen?
Hillbrand: Nun, ich mache das jetzt seit 2007 und mir ist in letzter Zeit aufgefallen, dass es in gemischten Gruppen zwar super klappt, es aber trotzdem gewisse Themen gibt, die wir als Frauen ersteinmal unter uns besprechen sollten. Wir leben in einer sehr männlich geprägten Führungslandschaft, obwohl Frauen enorm viele Kompetenzen haben, die sie einbringen können. Oft geht das aber nicht, weil ihnen schlicht das Wort abgeschnitten wird. Oder sie trauen sich nicht, ihre Ideen und Lösungen mitzuteilen, sind vielleicht noch nicht ganz sicher darin, sich selbst auszudrücken. Darum muss man Frauen stärken und einen sicheren Raum schaffen, in dem in dem sie sich ausprobieren und austauschen können.

Was machen Frauen anders?
Hillbrand: Frauen gehen viel mehr auf Ressourcen ein, vielleicht, weil sie oft mehr verschiedene Dinge machen: Haushalt, Einkauf, Beruf, Familie. Dadurch ist das Bewusstsein für zeitliche, finanzielle und personelle Ressourcen ausgeprägter. Außerdem achten sie mehr auf Qualität, während Männer meist Quantität in den Vordergrund stellen.

Sie erwähnten, dass Frauen sich manchmal nicht trauen, ihre Ideen mitzuteilen und durchzusetzen. Ist das ein Mitgrund, wieso es immer noch wenige Frauen in Führungspositionen gibt?
Hillbrand: Ja, genau. Frauen sind sich zwar oft viel bewusster, was sie in einen Prozess einbringen wollen, leben aber in einer patriarchal geprägten Umwelt. Sie müssen sich im öffentlichen Raum mehr Sorgen darüber machen, kritisiert zu werden. Zudem werden Frauen oftmals immer noch nach ihrem Aussehen beurteilt und nicht danach, welche Gedanken sie haben. Wenn wir Frauen dabei helfen, stark in Position zu gehen, ist das ein Schlüssel für den Erfolg.

Sie haben über 25 Jahre für die EU-Kommission gearbeitet. Wie sieht es dort mit Gleichstellung aus?
Hillbrand: In der EU war das Thema Gleichstellung schon viel weiter gediegen, als ich es anderswo wahrnehme. Thema war es natürlich trotzdem, ich habe dort viele Kurse über Female Empowerment geleitet.

Gibt es eine besondere Erkenntnis aus dieser Zeit, die Ihnen heute bei der Arbeit hilft?
Hillbrand: Aber sicher, ich habe wahnsinnig viel mitgenommen. Man trifft da ja mit allen möglichen Kulturen und Einflüssen zusammen, erlebt so viele verschiedene Lebens- und Arbeitssituationen, bei anderen und auch bei sich selbst. Dadurch habe ich für fast jede Fragestellung, die ich in meinen Workshops bekomme, eine Geschichte auf Lager. Das ist mein höchstes Gut, von dem ich immer wieder zehre.

Sie arbeiten mit den allerhöchsten Ebenen aus Politik und Wirtschaft. Wovor haben Sie noch Respekt?
Hillbrand: Ich habe großen Respekt vor allen Menschen, die mich einladen, mit ihnen zu arbeiten, denn das sind oft Personen, die den Mut haben, neue Wege zu gehen. Das muss man sich ja trauen.

Was sollte man sich denn noch trauen?
Hillbrand: Fehler machen! Unser Problem ist, dass wir nicht wissen, wie wir eine Fehlerkultur installieren können. Man spricht nicht gern über Misserfolge. Wenn ich diese aber neu benenne, zum Beispiel sage, es ist mutig, Fehler zuzugeben, dann kann ich ins Gespräch kommen und dadurch Wege entwickeln, mit diesen Fehlern umzugehen und sie künftig zu vermeiden. es gibt meiner Meinung nach auch tu wenig Möglichkeiten für junge Leute, sich auszuprobieren.

Inwiefern?
Hillbrand: Nun, ich denke, dass wir in fast allen Lebensbereichen einfach überstrukturiert sind. Ungeplante Events und Gespräche gibt es ja kaum noch. Wir haben zu wenig Freiräume, ein bisschen weniger Struktur würde uns gut tun, das beginnt schon in der Schule. Leider sind wir da manchmal die Sklaven der Effizienz. Die zerstört aber Fantasie, Kreativität und den Wunsch und das Können, aufeinander einzugehen. Wir müssen wieder ein Gespür dafür entwickeln, uns auszuprobieren, zu lernen, Fehler zu machen. Wenn ich etwas nicht üben kann, werde ich es darin nie zur Meisterschaft bringen. Aber beim Üben passieren eben auch Fehler. Das ist aber nichts Schlimmes, denn dadurch lerne ich. Und auch die Eigenverantwortung muss wieder mehr unterstützt werden. In der Schule etwa wird man zu selbstständigem Denken ja nicht wirklich angeregt.

Sie sind Politik-Expertin. Im Hinblick auf die aktuelle Weltlage: Was muss sich ändern?
Hillbrand: Wür müssen uns ändern. Frieden fängt bei jedem selbst an. Ich habe einige Kollegen in der EU, die in Krisengebiete reisen, um sich vor Ort ein Bild zu machen oder zu helfen, das ist aber nicht jedem möglich. Also muss man schauen, was man zuhause tun kann. Wie kann man jede Person in ihrem „Ich sein“ anerkennen und trotzdem in ein Miteinander kommen? Aktuell erkenne ich allerdings eher wieder eine Rückentwicklung vom „Wir“ zum „Ich“.

In viele Gebieten herrscht auch Krieg.
Hillbrand: Was wir zum Beispiel in Palästina erleben, diese Abschottung voneinander, ist immer die schlechteste Idee. Konflikt ist zwar nichts grundsätzlich schlechtes, aber man muss gesprächsbereit sein. In einem aktiven Krieg funktioniert das natürlich nicht, das muss ich vorher oder nachher machen. Aber ich bin der Meinung, dass man Kriege durchaus vermeiden kann, in dem man friedliche Lösungen höher stellt als den Krieg.

„Art Of Hosting“ mit Ursula Hillbrand
Im dreitägigen Training „Art Of Hosting Female“ lernen Frauen unter anderem, partizipative Gesprächs- und Führungsformate zu nutzen und dazu einzuladen sowie Entscheidungsprozesse zu entschleunigen und effektiver zu machen. Kick-Off im Bregenzer Salon am 29. Februar.
Mail: info@bregenzersalon.eu
Website: transformative-leadership.eu