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„Steigende Ausgaben sind kein Strohfeuer“

16.05.2024 • 23:00 Uhr
Brigitte eggler-bagehr
Landesrechnungshof-Direktorin Brigitte Eggler-Bargehr: „Mit den Strukturen der letzten Jahre geht es nicht weiter.“ Klaus hartinger

Das Rettungswesen wird hauptsächlich vom Rettungsfonds finanziert. Die Ausgaben explodieren, haben sich in den letzten Jahren verdoppelt.

Eines ist klar: Das Rettungswesen in Vorarlberg erbringt wichtige Leistungen für die Bevölkerung. Finanziert wird es wesentlich und zunehmend über den Rettungsfonds, für den die Abteilung Inneres und Sicherheit zuständig ist und der von Land und Gemeinden getragen wird. Im Zeitraum von 2017 bis 2023 sind die Kosten für den Fonds explodiert, haben sich auf 13,43 Millionen verdoppelt. „Die steigenden Ausgaben sind kein Strohfeuer“, weiß Brigitte Eggler-Bargehr, Direktorin des Landesrechnungshofes. Für das Jahr 2024 sind im Fonds weitere Ausgabenerhöhungen von über 30 Prozent veranschlagt. Alterspyramide und weitere gesellschaftliche Veränderungen belasten das System, das maßgeblich vom Gesundheits- und Sozialbereich beeinflusst wird.

Handlungsbedarf festgestellt

Der Landesrechnungshof prüfte nun im Zeitraum von Juli 2023 bis April 2024 Bereiche des Rettungswesens. Den Schwerpunkt bildete die finanzielle und strategische Entwicklung des Rettungsfonds und wie dieser auf anstehende Herausforderungen reagiert. Dazu analysierte er rechtliche und organisatorische Rahmenbedingungen im Rettungswesen sowie Steuerung des Fonds. Es wurde Handlungsbedarf festgestellt und Empfehlungen erarbeitet. „Um eine wirksame und wirtschaftliche Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen, ist eine Gesamtbetrachtung von Gesundheits-, Sozial- und Rettungswesen sowie mehr Steuerung und eine bessere Abstimmung der einzelnen Bereiche erforderlich“, sagte Eggler-Bahrgehr. „Die Empfehlungen sollen Entwicklungsprozesse in Gang setzen. Das wird ein langer und schwieriger Weg, wir bleiben dran.“

Rettungswesen: Herausforderungen

Das Rettungswesen wird von gemeinnützigen Organisationen getragen, welche über die zentrale Rettungs- und Feuerwehrleitstelle alarmiert werden. 2023 wurden insgesamt 156.400 Einsätze gezählt. Die Leistungen werden größtenteils vom Roten Kreuz (88 Prozent) erbracht, im Bezirk Feldkirch zudem vom Arbeiter-Samariter-Bund. Den verbleibenden Teil decken Berg- und Wasserrettung ab. Der Landesrechnungshof errechnete, dass von Sozialversicherungsträgern, Rettungsfonds, Rettungsorganisationen, Landes-Gesundheitsfonds und anderen insgesamt über 40 Millionen für das Rettungswesen aufgewendet wurden. Die Herausforderungen im System sind vielfältig und nehmen angesichts fortschreitender Alterung sowie weiterer gesellschaftlicher Veränderungen wie Familienstrukturen, stetig zu.

Bergrettung Vorarlberg
Die Bergrettung im Einsatz. Fritsche

Mit dem Rettungsfonds, der von Land und Gemeinden im Verhältnis 60:40 getragen wird, hat Vorarlberg bereits vor 30 Jahren ein gutes Instrument zur Finanzierung eingesetzt. Der Fonds hat seinen Fokus in der Bereitstellung finanzieller Mittel und weniger auf aktiver Steuerung. Das sei problematisch und müsse geändert werden.

Einsätze und Ausgaben: Wachsende Schere

Die Einsatzzahlen haben in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen. Von 2017 bis 2023 beinahe um ein Drittel. Noch deutlich stärker erhöhten sich die Ausgaben, welche der Rettungsfonds zu tragen hat. Sie verdoppelten sich in diesem Zeitraum auf 13,43 Millionen. „Damit stiegen die Kos­ten mehr als dreimal stärker als das Einsatzaufkommen“, verdeutlicht Brigitte Eggler-Bargehr. Und die Ausgaben steigen weiter deutlich an.

Die starke Ausgabendynamik erklärt sich vor allem durch gestiegene Personalkosten bei den Rettungsorganisationen, insbesondere dem Roten Kreuz als größte. Beispielsweise wurde in den letzten Jahren mehr hauptberufliches Personal eingestellt, um die abnehmende Anzahl ehrenamtlich geleisteter Stunden zu kompensieren. Das Rote Kreuz setzt dagegen zwar Maßnahmen, inwiefern diese wirken, sollte jedenfalls geprüft werden. „Verlässliche Daten sind notwendig und müssen regelmäßig evaluiert werden. Nur so kann beurteilt werden, ob beabsichtigte Effekte wirklich eintreten“, gibt die Landesrechnungshof-Direktorin eine weitere Empfehlung heraus.
Bei den Zivildienern sei die Quote hingegen ziemlich stabil. Hier gäbe es keine dramatische Entwicklung.

Gesundheitswesen: Zuordnung prüfen

Das Rettungswesen ist vom medizinischen und pflegerischen Versorgungsangebot sowie Entwicklungen im Gesundheits- und Sozialbereich beeinflusst. Krankentransporte machen mehr als die Hälfte der Einsätze aus. So sind gut 50 Prozent des Einsatzwachstums auf den Transport von Menschen mit 80 Jahren oder älter zurückzuführen. Die derzeit primäre Strategie – der Transport ins Krankenhaus – führt aber nicht immer zum passendsten Versorgungsangebot und ist kostenintensiv.

Einsatzübung Loacker
Das Rote Kreuz im Einsatz. ZVG

Daher sind laut dem Prüfungsbericht des Landesrechnungshofes alternative Leistungen, wie eine Behandlung vor Ort oder eine Verlagerung zu anderen Transportdienstleis­tenden, in Betracht zu ziehen. Auch sollten Gesundheits-, Sozial- und Rettungswesen für eine wirksame und wirtschaftliche Leistungserbringung gesamthaft betrachtet werden. Eggler-Bargehr: „Da direkte Steuerungsmöglichkeiten und die Nähe zu Systembeteiligten von großer Bedeutung sind, empfiehlt der Rechnungshof, einen Organisationsentwicklungsprozess zu starten.“ Dabei sollte auch die Zuordnung zum Gesundheitsbereich sorgsam geprüft werden.

Rettungsfonds: Aktiv steuern

Um eine wirksame und wirtschaftliche Versorgung zu gewährleisten, sieht der Rechnungshof generell die Notwendigkeit, den Rettungsfonds von einem passiven Finanzierungs- zu einem aktiven Steuerungsinstrument zu entwickeln. „Ein Abschwächen der Dynamik ist nur durch einnahmen- und ausgabenseitige Maßnahmen sowie eine Einbindung der Systembeteiligten zu erreichen“, betont die Direktorin. Dazu braucht es eine fachkundige Person als „Kümmerer“.

Daten des Einsatzleitsys­tems eignen sich derzeit auch nur begrenzt zur Steuerung. Datengrundlagen seien aber wichtig, um etwa Ursachenanalysen für gestiegene Einsatzzahlen durchführen und wirksame Maßnahmen ableiten zu können. Weiters sollten bereits beschlossene Steuerungsinstrumente wie Leistungsvereinbarungen mit Rettungsorganisationen oder Kennzahlensysteme konsequent umgesetzt und die Rettungsfonds-Strategie nach Klärung organisatorischer Vorfragen neu erarbeitet werden. Ebenso zeigt die Prüfung, dass die geschäftsführende

Abteilung in weiteren Themen seit Jahren säumig ist. So würden seit Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung entsprechende Vereinbarungen oder auch eine Anpassung der Geschäftsordnung des Rettungsfonds an rechtliche Vorgaben fehlen.

Brigitte eggler-bagehr
Brigitte Eggler-Bargehr präsentierte den Prüfbericht. Hartinger

Flugrettung: Ausbau prüfen

Handlungsbedarf besteht laut Rechnungshof außerdem, weil sich kostendämpfende Effekte im Rettungswesen zuletzt reduzierten. Die von der Bergrettung betriebene Flugrettung konnte bislang deutliche Überschüsse erwirtschaften. Ab Ende 2022 kam es hier innerhalb kurzer Zeit zur Aufstockung von zwei auf vier Notarzthubschrauber im Winter-Regelbetrieb und damit zu Verschiebungen in der Auslastung. Erwartet werden nun deutlich schlechtere Jahresergebnisse der Bergrettung und Mehrkosten für den Rettungsfonds.

Der Landes-Rechnungshof bemängelt dabei, dass beim Ausbau der Helikopterflotte wirtschaftliche Auswirkungen zu wenig berücksichtigt wurden. „Bei der vorgesehenen Evaluierung sollten fundierte Entscheidungsgrundlagen vorliegen. Zu prüfen ist, ob die angestrebte Versorgungsqualität auch mit geringerem Mitteleinsatz erreicht werden kann“, empfiehlt Direktorin Brigitte Eggler-Bargehr.