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An Stärken und Ressourcen der Familien orientieren

22.06.2024 • 08:00 Uhr
An Stärken und Ressourcen der Familien orientieren
Raphael Latzer mit einigen seiner Drechselarbeiten im Bregenzer Büro. Klaus hartinger

Raphael Latzer ist in der ambulanten Begleitung für Familien in herausfordernden Lebenssituationen tätig. Die Arbeit des 35-Jährigen ist nicht immer einfach, es gibt auch sehr komplexe Konstellationen.

Seit 1997 ist „.synergie“ im Bodenseeraum Anbieter für innovative Kinder- und Jugendarbeit. Zunächst in Friedrichshafen und seit 14 Jahren auch in Vorarlberg mit einem Büro in Bregenz. Die beiden Standorte agieren mittlerweile unabhängig voneinander. „Es gibt jedoch weiterhin Austauschtreffen und gemeinsame Methoden-Workshops. Da unsere Angebote fast identisch sind, macht das auch Sinn“, berichtet Mitarbeiter Raphael Latzer. Das anfänglich aus zwei Personen bestehende Team ist mittlerweile auf acht Mitarbeiter gewachsen.

Seit sechseinhalb Jahren dabei

Der 35-Jährige ist seit sechseinhalb Jahren dabei, hatte ursprünglich aber einen anderen Plan. „Ich habe Maschinenbautechnik gelernt, das hat mir jedoch nicht wirklich zugesagt, also habe ich Sozialpädagogik studiert.“ Beruflich war er vor seiner jetzigen Tätigkeit längere Zeit als Erzieher und kurzzeitig bei der ifs Gewaltberatung tätig. Nun ist er angekommen. „Die Arbeit hier gefällt mir sehr gut. Vor allem, weil wir nicht nur eine Methode verkaufen, sondern mit unserer Haltung, die sich an den Stärken und Ressourcen der Familien orientiert, auch voll dazu stehen.“ Zur Haltung gehört auch die Wertschätzung gegenüber allen im Prozess beteiligten Personen sowie ein offener Umgang und Vertrauen in die Lösungskompetenz und Entwicklungsfähigkeit von Menschen.

An Stärken und Ressourcen der Familien orientieren
Raphael Latzer im Interview mit der NEUE am Sonntag. Klaus Hartinger

Familie im Mittelpunkt

Im Mittelpunkt steht bei „.synergie“ die Familie. Mit „Max intensiv“ wird eine bedarfsorientierte Unterstützung für Familien angeboten, welche flexibel auf die Bedürfnisse angepasst ist. Ziel ist es dabei, einen konstruktiven Umgang mit herausfordernden Lebenssituationen zu finden. Um dieses Ziel zu erreichen, braucht es eine partnerschaftliche Zusammenarbeit der Familien, der Kinder- und Jugendhilfe der Bezirkshauptmannschaften Vorarlbergs und den pädagogischen Fachkräften von „.synergie“. Während des gesamten Hilfeprozesses bleibt die Verantwortung für die Kinder bei den Eltern. Die Gewährung und Finanzierung des Angebotes erfolgt durch die Kinder- und Jugendhilfe der zuständigen Bezirkshauptmannschaften. „Oberste Priorität hat das Wohl der Kinder und Jugendlichen. Familien sollen in ihrer Erziehungskompetenz gestärkt werden. Unser Zugang ist dabei die systematische und elternaktivierende Arbeit“, sagt Latzer.

Selbstgesteckte Ziele

Das „Max intensiv“ bietet Unterstützung für Eltern mit Herausforderungen in der Kindererziehung und anderen Lebensbereichen, wenn Kinder sie nicht mehr ernst nehmen, wenn sie einen hohen Druck von außen erleben (Schule oder Kindergarten), wenn den Kindern eine Unterbringung in einem Heim oder in einer Pflegefamilie droht oder wenn die Kinder wieder in der Familie leben sollen. Raphael Latzer: „Wir begleiten die Eltern in ihrem eigenen Lebensumfeld, damit sie ihre selbstgesetzten Ziele erreichen.“

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Wie bereits erwähnt, sind die Bezirkshauptmannschaften die Auftraggeber. „Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder die Eltern melden sich von sich aus bei der BH und bitten um Unterstützung, oder es gehen Mitteilungen ein, bei denen sich beispielsweise die Schule, der Kindergarten oder Kinderärzte Sorgen um das Wohl der Kinder machen. Die BH führt dann mit den Eltern ein Gespräch und schätzt die Gefährdung des Kindes ein. Auf Grundlage dieses Gespräches wird der Familie ein passgenaues Unterstützungs­angebot unterbreitet“, führt der 35-Jährige aus.


Die „.synergie“ ist neben dem Kinderdorf Vorarlberg, ifs und Pina in Feldkirch eine von vier Anbietern dieser ambulanten Familienbegleitung im Land. „Über 90 Prozent der Familien wenden sich dabei von sich aus an die BH und bitten um angemessene Unterstützung.“

„Wenn sich alle Parteien einig sind, dass eine ambulante Begleitung Sinn macht, bekommen wir von der Bezirkshauptmannschaft einen sogenannten Hilfeplan und eine Gefährdungseinschätzung und der erste Termin mit der Familie wird bei der Kinder- und Jugendhilfe vereinbart“, weiß Raphael Latzer.

An Stärken und Ressourcen der Familien orientieren

Drei Phasen

Das ambulante und systematische ausgerichtete Angebot von „Max intensiv“ beinhaltet verschiedene Methoden, die Familien dabei unterstützen sollen, eigene Stärken, Lernfelder und Muster zu erkennen, um bei akuten Krisen oder dauerhaften Belastungen handlungsfähig zu werden beziehungsweise zu bleiben. Die Unterstützung ist auf sieben Monate ausgelegt. Bei Bedarf kann diese um weitere elf Monate verlängert werden.

Das Angebot von „Max intensiv“ besteht aus drei Phasen. Die Anamnesephase – der Weg zum selbstgesteckten Ziel, die Intensivphase – Zusammenhänge erkennen und Neues erproben, und die Abschlussphase – selbstbestimmt weitergehen. „In der Intensivphase liegt unser Hauptfokus auf der Arbeit mit den Eltern und wir unterstützen sie dabei, ihre elterliche Verantwortung wahrzunehmen. Beispielsweise sind wir auch bei Schulgesprächen unterstützend an der Seite der Eltern. Das Vertrauen in die Lösungskompetenz und die Entwicklungsfähigkeit von Menschen und System sind zentrale Werte, an denen wir uns orientieren, um eine Begleitung nachhaltig zu gestalten.“

Mitteilungspflichtig

Etwa 50 Prozent der Familien erleben ihre Lebenssituation nach sieben Monaten so verändert, dass sie sich befähigt fühlen, ohne Begleitung weiterzugehen. Bei Bedarf wird natürlich verlängert. Während der Begleitungszeit hat „.synergie“ engen Kontakt mit der zuständigen Bezirkshauptmannschaft. „Wir sind gegenüber der BH mitteilungspflichtig, was bei einem Verdacht auf Gefährdung sehr wichtig ist. Die weitere Entscheidungskompetenz liegt jedoch bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft“, berichtet Latzer. „Dass die Eltern vollumfänglich über den Schriftverkehr mit der Bezirkshauptmannschaft informiert sind, sehen wir als selbstverständlich an.“

Auch Gewalt ein Thema

Wie schaut es mit Problem- und Härtefällen aus? „Damit sind wir auch konfrontiert. Man kommt ja nicht zu uns, wenn es einem gut geht. Da sind physische und psychische Gewalt sowie Suchtmittel wie Drogen oder Alkohol immer wieder ein Thema, machen aber nicht den Großteil aus. Über 90 Prozent spielt sich im Unterstützungsbereich ab.“ Die Klientel kommt laut Latzer aus allen Schichten der Bevölkerung.

Auch Raphael Latzer sah sich schon mit heiklen Situationen konfrontiert. „Es ist nicht immer einfach. Wir besprechen belastende Situationen innerhalb unserer Teambesprechung und bei Supervisionen. Wichtig ist dabei, einen guten Austausch unter uns Mitarbeitenden zu haben. Daher nehme ich wenig davon mit nach Hause. Ich glaube, sonst könnte man diesen Job nicht lange machen.“

Drechseln als Hobby

Ausgleich findet er zu Hause auch bei handwerklichen Arbeiten. „Während der Coronazeit habe ich mir eine Drechselbank gekauft.“ Pfeifen, Schalen und Pfeffermühlen wurden schon angefertigt. Aktuell ist ein Spinnrad in Arbeit. „Das Drechseln macht einfach Spaß und ich bekomme den Kopf frei.“ Trotz der oft herausfordernden Arbeit sieht der Feldkircher seine Zukunft in diesem Bereich. „Ich bleibe sicher noch länger dabei.“