Wird die FPÖ zur neuen Liebschaft der Landes-ÖVP? Gradmesser für den 13. Oktober

Österreich erlebt Herbert Kickls „blaues Wunder“ und steht vor einem Kurswechsel. Das Ergebnis wird sich auch auf die bevorstehenden Landtagswahlen am 13. Oktober auswirken.
Richtungsweisend und den Kurs für die nächsten fünf Jahre bestimmend: Österreich hat abgestimmt und man kann getrost von einem politischen Erdbeben in der Alpenrepublik sprechen. Mit dem erstmaligen Wahlsieg der Freiheitlichen auf Bundesebene vollzieht Österreich einen Rechtsruck und erlebt das von Parteichef Herbert Kickl viel zitierte „Blaue Wunder“. Die NEUE analysiert, was dieses Ergebnis für die Landtagswahlen am 13. Oktober zu bedeuten hat.

Markus Wallner (ÖVP) – Landeshauptmann mit Fragezeichen
Der ÖVP-Landeshauptmann zeigt sich deutlich enttäuscht über das schlechte Abschneiden seiner Partei auf Bundesebene. Die Bundespartei habe ihr Wahlziel verfehlt und die Freiheitlichen einen klaren Wahlsieg erzielt. Überrascht hat Wallner das Kopf-an-Kopf-Rennen im Ländle. Er erkennt an, dass die Mobilisierung der eigenen Wählerschaft hinter den Erwartungen zurückblieb, während die FPÖ stark zugewinnen konnte. Blickend auf die kommenden Wochen sieht er die zentrale Herausforderung darin, die Bürger Vorarlbergs davon zu überzeugen, dass die ÖVP weiterhin den Landeshauptmann stellen sollte. Es gehe nicht nur um die Sicherung der Position, sondern um die Stabilität und Zukunft des Landes. Gleichzeitig hält er sich in Bezug auf mögliche Koalitionsfragen bedeckt und verweist auf den Bundespräsidenten, der jetzt den nächsten Schritt gehen müsse. Kritisch zeigt er sich auch angesichts der Landtagswahlen, wo er auch einräumt, dass seine Person als Landeshauptmann in Frage gestellt werde. Und man nun im Intensivwahlkampf um jede Stimme kämpfen müsse.

Christof Bitschi (FPÖ) – Regierung nur mit den Blauen
Christof Bitschi darf sich entspannt zurücklehnen, denn mit diesem Ergebnis im Rücken wird er auch gestärkt in die Zeit bis zum 13. Oktober gehen. In Vorarlberg sieht er die FPÖ ebenfalls im Aufwind, und er ist zuversichtlich, dass es bei der Landtagswahl gelingen könnte, den knappen Abstand zur ÖVP zu schließen. Bitschi stellt klar, dass die FPÖ bereit sei, Verantwortung zu übernehmen – sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene. Er kritisiert die Versuche der anderen Parteien, die FPÖ trotz ihres Wahlsiegs auszuschließen, und fordert Respekt für den Wählerwillen. Mit Blick auf die Landtagswahl setzt Bitschi darauf, dass die FPÖ den Rückenwind des Nationalratswahlergebnisses nutzen kann, um in Vorarlberg erstmals eine führende Rolle zu übernehmen. Auch die einst harten Fronten zu Markus Wallner und der Landes-ÖVP scheinen aufgeweicht, zumal es gerade auf Bundesländerebene nicht unüblich scheint, eine schwarz-blaue Regierung zu formieren. Bezüglich des Schlüssels für den Erfolg habe man erkannt, was den Menschen im Land wichtig sei. Die FPÖ gehöre nicht zu jenen Parteien, die den Menschen erklären wolle, wie sie das Leben zu führen haben, sondern man mache das, was die Wähler erwarten würden.

Mario Leiter (SPÖ) – Sozialdemokratie auf Kurssuche
Für die SPÖ und Mario Leiter sieht die Zukunft alles andere als rosig aus. Mit rund 20 Prozent und dem dritten Platz habe die SPÖ das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte in der Zweiten Republik eingefahren. Man habe im Wahlkampf die Themen verfehlt, was letztlich auch dem Spitzenkandidaten und seinem Team anzulasten sei. Das würde auch beim Parteiopräsidium sicherlich ein großes Thema werden. Für Vorarlberg zeigt sich Leiter optimistischer: Hier sei die SPÖ gut aufgestellt und werde alles daran setzen, die richtigen Themen im Intensivwahlkampf zu belegen. Die zentralen Themen, auf die die SPÖ in den kommenden Wochen setzen werde, seien leistbares Wohnen, die Bekämpfung der Teuerung und soziale Sicherheit. Leiter fordere eine pragmatische Politik, die sich auf das Wohl der Bevölkerung konzentriert und auf realistische Lösungen setze. Außerdem sei das Ergebnis auch ein weiteres Zeugnis für das fehlende Vertrauen in Schwarz-Grün. Der ausgebliebene „Babler-Effekt“ würde sicherlich auch zu personellen Diskussionen führen, Leiter sehe diese aber weniger in Vorarlberg. Und nun gehe es darum, in den nächsten zwei Wochen den Menschen das Vertrauen zu geben, dass die Sozialdemokraten durchaus in der Lage seien, Lösungen für die Menschen im Land anzubieten.

Claudia Gamon (Neos) – Kein Ibiza für Vorarlberg
Claudia Gamon von den Neos zieht eine positive Bilanz der Nationalratswahl: Ihre Partei konnte zulegen, während andere Parteien Verluste hinnehmen mussten. Sie betont, dass die Pinken seit ihrer Gründung im Jahr 2013 bei jeder Wahl dazugewonnen haben. Besonders der Wahlkampf von Beate Meinl-Reisinger sei hervorzuheben, der durch Mut und klare Reformvorschläge geprägt gewesen sei. Gamon sieht in den Neos die Reformkraft, die Österreich brauche, um drängende Themen wie Bildung, Wirtschaft und die Sicherung der Zukunft anzugehen. Stattdessen plädiert sie für eine optimistische Zukunftsperspektive und ruft zu einer Reformkoalition auf, die das Land voranbringen soll – sicher auch in Hinblick auf die schwierige Konstellation für die FPÖ, die trotz eines Wahlsiegs vielleicht den Gang in die Opposition antreten könnte. Für Vorarlberg sieht Gamon die Neos ebenfalls als zukunftsorientierte Kraft, die mit klaren Vorschlägen in den Bereichen Bildung und Kinderbetreuung punkten will. Und es gehe gerade in Vorarlberg primär darum, eine sich andeutende „Ibiza-Koalition“, als eine schwarz-blaue Regierung fürs Ländle mit aller Kraft zu verhindern. Und man wolle die Vorreiterrolle, die Vorarlberg innehalte, weiter stärken und ausbauen.

Eva Hammerer (Grüne) – Vergebene Liebesmüh mit Volkspartei?
Als klare Verlierer im bundesweiten Ranking stehen die Zeichen bei den Grünen auf Opposition. Besonders schmerzlich sei für Hammerer, dass die FPÖ mit ihrer aus ihrer Sicht spaltenden und hetzerischen Politik den ersten Platz erreicht habe. Die Regierungsarbeit der Grünen sei trotzdem positiv hervorzuheben, gerade in Zeiten, die von solchen Krisen geprägt gewesen sei. Eine kämpferische Rolle nehme man sich für die Landtagswahlen vor. Die Grünen seien die Partei des Klimaschutzes und des sozialen Miteinanders. Gerade die schwarz-grüne Koalition sei ein Garant für Sicherheit, auch wenn sich das aus Sicht der Grünen wohl eher wie ein Griff nach einem Strohhalm anmuten lassen könnte. Und ob Themen wie die Angst um Radwege, Energieversorgung oder ein warmes, soziales Klima jene Punkte sein werden, die es letztlich am 13. Oktober den Wählerinnen und Wählern erleichtern werden, ihr Kreuz bei den Grünen zu setzen, bleibt abzuwarten. Und auch die Rolle der ÖVP, die offenbar viel eher mit einer stabilen, freiheitlichen Liebschaft buhlt. Und vielleicht etwas verkühlt auf die alte grüne Liebe reagiert.
(NEUE Vorarlberger Tageszeitung)